Flusenflug. Peter Maria Löw

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auf Industrieunternehmen, die neben der Handels-, Dienstleistungs- und Wartungskomponente auch noch die Produktion bewältigen mussten. Alleine schon die Fehler des alten Managements zu vermeiden, so mein Kalkül, sollte die halbe Miete im Restrukturierungsprozess sein.

      Da tauchte Ende 1996 auf einmal und völlig überraschend eine solche Industriefirma bei uns auf, die Firma Wilhelm Berg in Mannheim. Mit ihr sollte uns ein besonderes Husarenstück gelingen. Es handelte sich dabei um einen Hersteller für Schwerlastschalter für mittlere und starke elektrische Ströme. Ein solcher Berg-Schalter konnte auch schon mal über 2 oder 3 Meter hoch und ebenso lang sein. Die Firma war berühmt für ihre hohe Qualität und die extremen Standzeiten der Schalter. Ein wichtiger Teil des Geschäfts war daher das Wartungsgeschäft bei alten Schaltern und so bekam die Gesellschaft regelmäßig fast schon museale Schalter aus den 20er-, 30er- und 40er-Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zur Überarbeitung geliefert. Die Gesellschaft aus dem Jahre 1891 war eines der ältesten Unternehmen in Mannheim. Trotz ihres überschaubaren Umsatzes von nur DM 7 Mio. war sie Weltmarktführer in diesem Nischensegment.

      Die letzten Jahre hatten der Gesellschaft dennoch stark zugesetzt. So litt der Geschäftsbetrieb unter einigen privaten Querelen auf der Gesellschafterebene. Der Alteigentümer in vierter Generation, Wilhelm Berg IV also, hatte vor einigen Jahren seine Frau verlassen und sich seiner Sekretärin zugewandt, die nicht nur flinke Finger besaß, sondern sich offenbar auch sonst um ihren Chef gut kümmerte. Beide frönten dann zunehmend ihrem gemeinsamen Golfhobby. Nach der Scheidung ehelichte Wilhelm Berg IV diese Dame, genoss diesen strapaziösen Wechsel aber nicht sehr lange, da er bereits zwei Jahre nach der Hochzeit starb. Erbin war nun die neue Frau Berg, also die frühere Sekretärin, die sicherlich ihre Qualitäten besaß und hervorragend Golf spielte, jedoch keinerlei Ahnung hatte, wie man eine Firma führen musste. So war die Gesellschaft in eine gewisse Verwahrlosung geraten, was unweigerlich auch auf die Geschäftsergebnisse durchschlug. Das Unternehmen war zum Zeitpunkt der Akquisition leicht defizitär, aber Frau Berg war weise genug zu erkennen, dass sich dieses Ergebnis mit ihrer Art der Geschäftsführung sicher nicht verbessern würde.

      Uns war diese Chance durch unseren Freund Hans-Peter Maaßen avisiert worden. Dr. Hans-Peter Maaßen war ein ehemaliger McKinsey-Kollege von mir, der seinen MBA-Abschluss nicht bei INSEAD, sondern in Harvard gemacht hatte. Bereits ein Jahr zuvor war er zusammen mit seinem Freund Dr. Henrik Fastrich bei uns in der Certina AG hereingeschneit und wollte sich erklären lassen, wie man das eigentlich mit dem Firmenkauf so anstelle, ein Wunsch, den ich ihm gerne erfüllte. Nun also hatten die beiden diese Firma entdeckt. Da sie jedoch in der Zwischenzeit einen Fonds gegründet hatten, die GMM (später Orlando), war die Wilhelm Berg nach ihrer Sicht und nach ihren Investitionsregeln einfach zu klein. Daher vereinbarten wir mündlich Folgendes: Martin und ich übernahmen die Gesellschaft und sie waren an allen Kosten, aber auch an allen Gewinnen, mit 50 Prozent beteiligt. Abgemacht!

      Auch sonst entwickelte sich die gesamte Akquisition als durchaus erfolgreich. Wir konnten die teilweise archaische Produktion deutlich modernisieren. Wir führten ein CNC-Bearbeitungszentrum ein, wir erhöhten bei den Reparaturen von Altschaltern die Preise erheblich und konnten mit zahlreichen Neuentwicklungen auch neue Kunden, wie zum Beispiel die Deutsche Bundesbahn, die Kriegsmarine Israels, Südafrikanische Bergwerksgesellschaften und den Siemens Wettbewerber Alstrom gewinnen. Der Oberbürgermeister von Mannheim, Gerhard Widder (SPD), lud uns als neue Shootingstars mehrfach zu sich ins Rathaus oder zu Empfängen ein. Den Umgang mit Ministerpräsidenten, Ministern, Landräten und Bürgermeistern waren wir ja in der Zwischenzeit schon gewöhnt.

      Nach ungefähr 15 Monaten war die Gesellschaft gut profitabel und weitgehend saniert. Da sprach uns der börsennotierte Großkonzern Carbone Lorraine an, ob wir denn den Verkauf der Gesellschaft in Erwägung ziehen wollten. In der Zwischenzeit hatten wir unsere ursprünglichen Co-Investoren Maaßen und Fastrich bereits abgelöst. Diese hatten nach dem ersten Geldsegen der kleinen Gesellschaft wohl keine große Zukunft mehr beigemessen. Mit einigen weiteren DM 100 000 konnten wir die Kooperation beenden. Umso schöner war es, als wir die Gesellschaft schließlich an Carbone Lorraine für einen Kaufpreis von stolzen DM 8 Mio. verkaufen konnten.

      Die Gesellschaft hat sich seitdem prächtig entwickelt. Carbone Lorraine hat noch einmal kräftig investiert und so konnten Umsätze, Ergebnisse und Mitarbeiterzahlen signifikant erhöht werden. Auch heute noch produziert die Wilhelm Berg im Carbone Lorraine-Konzern die berühmten Schalter. Aus unserer Sicht war dies wieder einmal ein sehr schöner Erfolg.

      41Zugelassene Überziehung auf dem laufenden Konto.

      42Gewöhnlicher Geschäftsbetrieb.

      43Die Wertschöpfung umschreibt in einer Produktions- und Distributionskette die Zunahme des Wertes eines Wirtschaftsguts.

      44Eine steuerliche Besonderheit, die die steuerfreie Ausschüttung ermöglichte, wie bei brw in Kassel.

       Das 10. Abenteuer Stiwos Abenteuer

      Mitte des Jahres 1997 bat Stiwo Wirstle, unser treuer Helfer bei Due Diligence und allen steuerlichen Dingen, um ein Gespräch. Er teilte mir mit, dass er sich entschlossen habe, aus der Certina auszuscheiden, da er sein Leben verändern müsse. So weit, so gut. Was er mir dann aber als seinen neuen Lebensplan vorstellte, verschlug mir doch etwas die Sprache.

      Er erklärte mir, zunächst werde er auf einem Glücksspielschiff in Miami als Croupier anheuern, um dann mit dem Ersparten nach etwa einem halben Jahr nach Guatemala auszuwandern. Dort werde er dann in Antigua eine Fabrikation von Jadeschmuck aufbauen und die Produkte zunächst vor Ort an Touristen verkaufen. Ich kannte Stiwo immer als sehr loyalen und sympathischen Mitarbeiter, der in seinem Auftreten eher etwas konservativ, jedenfalls nicht draufgängerisch wirkte. Aber jetzt war offenbar ein Punkt erreicht, wo der wahre Stiwo rauswollte. Ich ließ ihn also ziehen.

      Nach drei, vier Jahren wollte ich doch ein wenig besorgt sehen, was aus ihm geworden war. Ich flog also nach Guatemala City und von dort ging es mit dem Bus nach Antigua. Da traf ich ihn in einem großen Ladengeschäft unweit der »Plaza«. Gerade war ein Bus mit Touristen angekommen, die zielstrebig nur in Stiwos Laden strömten. Die Geschäfte liefen gut, teilte er mir mit. Er beschäftige inzwischen 40 Mitarbeiter und plane die Eröffnung von Zweigstellen in Guatemala City

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