Die Hölle um Maria Giotti. Robert Heymann

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Die Hölle um Maria Giotti - Robert Heymann

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hat keine andere. Er kennt mich lange genug. Aber warum schickst du mich zu ihm, wenn du doch siehst, daß die Fensterläden geschlossen sind, daß es zwecklos ist?“

      Sie schaut ihn forschend an. Das ist gerade der Blick, der Vittorio die gute Laune verderben kann.

      „Brütest du schon wieder über was?“ schreit er sie an, zerrt sie am Arm mit. „Warum soll ich das nicht tun! Woher soll ich wissen, daß er nicht da ist? Warum richtest du immer die aller dümmsten Fragen der Welt an mich, du rote Hexe?“

      „Ich dachte mir doch nichts dabei!“ entgegnet Julia eingeschüchtert. „Gehen wir!“

      „Gehen wir! Gehen wir!“ äfft ihr Vittorio nach. „Hast du Geld? Wovon sollen wir die Miete bezahlen, he? Es ist ein Elend! Warum sollte ich wissen, daß er nicht zu Hause ist? Habe ich ihn vielleicht umgebracht? Warum hast du ihn alle die Tage her nicht getroffen? Oder hast du ihn getroffen? Lügst du mich an?“

      Er krallt die fünf Finger in ihr dichtes Haar und reißt ihr den Kopf zurück, daß sie taumelt.

      „Geld! Ohne Geld ist nichts!“ Er schauspielert, ahmt Julias Stimme nach, sogar ihre Bewegungen: „Lieber Vittorio! Teurer Vittorio! Mein König! Ich liebe dich! — — Tante grazie! — Liebe! — Schaff Geld, Närrin! Geld!“

      Er steht mit erhobenem Arm und spielt den tragischen Helden, mitten auf der Straße, ohne auf die Wagen zu achten, die vorüberkommen. Er spielt so oft sein Theater vor Julia, aber immer tut es seine Wirkung. Ungezählte Rollen hat er sich eingeübt, er lebt in ihnen, er glaubt, was er zusammenlügt. Bald mimt er den Sentimentalen, bald den Leidenschaftlichen, bald den Kopfabschneider. Er ist Sizilianer, — ohne Komödie kann er nicht leben. Seine verschleierten Augen schimmern manchmal dunkel wie ein Sumpf, grün wie Oliven. Wenn er eine Träne in ihnen zerdrückt, wie jetzt, sieht er erbärmlich aus — nur nicht für Julia.

      „Ich habe kein Glück“, deklamiert er. „Tante Nana hat es immer gesagt, ich habe die schlechtesten Karten, die sie je einem Manne gelegt hat! Immer Pique Zehn neben Herzdame!“

      Julia tröstet ihn. Sie wird Geld besorgen! Sie liebt ihn! Er hat doch Glück in der Liebe! —

      Aber er gibt ihr einen Stoß, daß sie in den Rinnstein fällt.

      „Du hast Geld von ihm bekommen“, schreit er sie plötzlich an. „Aber du hast mir nichts gegeben! Du hast dir Stiefelchen dafür gekauft! Natürlich! Du! Du bist wie ein widerspenstiger Esel, und nun geh allein nach Haus, ich verziehe mich ins Café Corso.“

      Julia schaut ihn erstaunt, musternd an.

      „Hast du Geld?“

      „Natürlich!“

      „Woher hast du Geld?“ Mit zwei Schritten ist sie neben ihm. „Hast du etwa von Maria Battista Geld? Ja? Von dieser Ziege, die überall herummeckert, der jeder Mann recht ist, wenn er nur die Nase in der Mitte des Gesichtes hat?“

      „Gerade! Ja! Von ihr habe ich Geld! Sie gibt mir Geld! Sie hat immer Geld! Du bist ja zu dumm! Sogar für Francesco Martini bist du zu dumm! Wirklich, scusi, sogar für Martini! Zu allem zu dumm!“

      Er redet sich in Wut. Er haßt Julia, einfach, weil er sie satt hat, weil er sie nicht mehr mag und von ihr los will. Schließlich bricht er in ein Gelächter aus: „Sie war vor fünf Tagen bei dem Grafen, daß du es weißt!“

      „Wer? Maria?“

      „Veramento! Maria! Ich wollte es dir noch nicht sagen! Starr nicht so! Ja! Während er dich nicht einließ oder nicht zu Hause war, was weiß ich, fand sie ihn zu Hause! Ecco! Die Maria Battista! Das ist ein Weib! Mit Absicht öffnet er nicht, wenn du klingelst! Wird sich hüten! —

      Giulietta! — — Was ist Giulietta? —“ Er macht eine laszive Bewegung. „Aber Maria! He! Ho!“ Weg ist er.

      Julia steht wie betäubt. Sie starrt noch immer die Straße entlang. Sie hat gewußt, daß Vittorio ihr etwas verbarg. Seit Tagen belog er sie, das fühlt ein Weib, aber daß es Maria sein soll, diese Chantant-Tänzerin, diese magere Sorte, dieses verderbte Luder, das macht Julia rasend.

      Sie rennt nach Hause. Atemlos kommt sie in der kleinen Stube an, die von den Trillern zweier Kanarienvögel dröhnt und nach dem Stall riecht, dessen Mist vor dem Hoffenster liegt. Mit fliegenden Händen rafft sie zusammen, was Vittorio gehört: Die Mandoline, die paar Hemden, die Stiefel, Kamm, Pomade, — raus damit! Raus! Raus!

      Der ganze Plunder fliegt vor die Tür in das Gäßchen. Die Weiber draußen kreischen vor Vergnügen, die Männer schmunzeln.

      Aus einem Stiefel fällt da klirrend ein Messer.

      Sie sieht, wie es fällt! Madonna! Ein Stilett! Ein langes Messer, die Schneide ist schmutzig, voll sonderbarer Flekken!

      Mit einem leisen Schrei ist Julia draußen.

      Blutflecken!

      Sie schaut links und rechts. Augen! Überall Augen! Blitzschnell läßt sie das Messer in den Blusenausschnitt gleiten. Fühlt eine Schnittwunde an der linken Brust! Achtet es nicht, stürzt in das Zimmer zurück, holt das Messer heraus, stößt es in die hölzerne Tischplatte. Da steht es, leise wippend.

      Wie von einem Rausch erfaßt, starrt sie auf die Flecken. Nie hat sie dieses Messer bei ihm gesehen! Es ist neu. Warum hat er ihr nichts davon gesagt? Wozu hat er es gebraucht? Wen hat er gestochen? Den von Maria?

      Pah! Den wirft er mit dem kleinen Finger, da braucht er kein Messer.

      Aber schon während der letzten Tage war er so sonderbar. — Sentimental!

      Wenn Vittorio sentimental wird, hat er etwas auf dem Kerbholz!

      Da tönten Stimmen. Die Weiber draußen halten es nicht länger aus. Sie hat doch den Vittorio auf die Straße gesetzt! Darüber muß man näheres erfahren! Man hat nicht viel zu tun in der kleinen Gasse. Man redet von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, dazwischen bereitet man den Thunfisch in Öl für den Mann, dann redet man über das Geredete.

      Julia wirft eine Schürze über das Messer und reißt es aus dem Tisch.

      *

      Inzwischen ist nach Julias Weggang die Tatsache, daß Graf Martini sich seit fünf Tagen nicht hat sehen lassen, wie ein Feuer in Frau Cicognani gefahren, die in der Via Mazzini 39 Portière ist. Plötzlich kommt ihr die Gleichgültigkeit wie eine schwere Unterlassungssünde vor. Zwei Freunde haben auch bereits nach dem Grafen gefragt, sind kopfschüttelnd wieder fortgegangen. Weder Tür noch Fenster öffnet er, fünf Tage schon hat sie ihn nicht gesehen! Madonna! Wie konnte sie nur solange warten! Wo hatte sie ihren Kopf? Da muß etwas geschehen sein! — Ganz gewiß ist etwas geschehen, und von ihr, der Cicognani, wird es heißen, sie ist eben zu alt, sie hat ihre Gedanken nicht mehr beisammen — — —

      Sofort geht sie zur Wache. Der Polizist will erst wissen, was geschehen ist, aber sie will den Leutnant selber sprechen, sie geizt jetzt mit Minuten, die verloren sein könnten.

      Also erscheint sie vor dem Gendarmerieleutnant Sonzo und erzählt mit ihren kurzen, sprechenden Handbewegungen, die Wohnung des Grafen Martini sei schon seit dem 28. August verschlossen.

      „Und heute ist der 2. September, und er hat sich noch immer nicht

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