Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 22
»Und? Wie geht es unserem Patienten?«, erkundigte er sich.
»Wie heißt es so schön? Den Umständen entsprechend.«
»Wisst ihr schon, was ihm fehlt?«
»Er ist gestern am späten Abend mit einer Maschine aus Mexiko gekommen. Aus einer Gegend, in der gerade der Grippevirus A/ H1N1 wütet. Noch haben wir keine Beweise. Aber der Verdacht liegt nahe, dass er sich angesteckt hat.«
»Schweinegrippe.« Daniel erinnerte sich gut an die letzte Pandemie, die damals als einfache Grippewelle in Südamerika begonnen und sich schnell über die ganze Welt ausgebreitet hatte. Das veränderte A-Virus H1N1 wies Teile des Erbguts von menschlichen, aber auch von Influenzaviren aus Schweinen und Vögeln auf. Daher der Name. »Kein sehr schönes Souvenir.«
»Du sagst es.«
»Habt ihr schon Kontaktpersonen ausfindig gemacht?«, erkundigte sich Dr. Norden.
»Eine Kollegin saß während des Flugs neben Herrn Budai. Die beiden sind als Archäologen an Ausgrabungen der Templo-Mayor-Anlage beteiligt.«
Die zweite Information interessierte den Klinikchef im Augenblick weniger.
»Wie heißt die Dame?«
Matthias zwinkerte Daniel zu.
»Das weiß ich nicht. Aber mach’ dir keine Hoffnungen. Der Kollege Aydin hat sich schon bereit erklärt, deine Assistentin bei der Suche zu unterstützen.«
»Schade«, erwiderte Daniel. Es war ihm anzusehen, dass er es nicht ernst meinte. »Na, dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mich auf den Weg zum Kongress zu machen. Bitte haltet mich auf dem Laufenden.« Er nickte den Kollegen zu und verließ das Zimmer und schließlich die Quarantänestation. Vor der Klinik wartete bereits der Kollege Axel Maurer auf ihn.
»Es geht ja schon wieder hoch her bei euch.« Während Axel auf eine Lücke im Verkehr wartete, deutete er auf den Notarztwagen, der mit Blaulicht in die Einfahrt zur Notaufnahme einbog. »Gut, dass ich dich jetzt entführe. Diese Verschnaufpause hast du dir redlich verdient.«
*
»So, mein Süßer. Wasch’ dir schon einmal die Hände! Gleich gibt es Mittagessen.«
Dieser Hinweis war eigentlich überflüssig. Die Fischstäbchen zischten in der Pfanne mit den Bratkartoffeln um die Wette. Nur der Salat stand stumm auf dem Tisch und wartete geduldig auf seinen großen Auftritt.
Fynn hatte seiner Oma Fee fleißig bei den Vorbereitungen geholfen. Jetzt kletterte er von seinem Schemel und watschelte Richtung Gästetoilette davon. Sein Windelpopo wackelte im Takt mit seinen Schritten.
»Fynni Ände wascht«, plapperte er vor sich hin.
Fee sah ihm lächelnd nach. In Gesellschaft ihres ersten Enkelkindes fühlte sie sich um Jahre zurückversetzt. In eine Zeit, in der sie eine junge Mutter gewesen war. Mehrere Leben schienen seitdem vergangen zu sein. Und obwohl sie ihren Beruf als Leiterin der Pädiatrie der Behnisch-Klinik über alles liebte, bedauerte sie es manchmal, nicht mehr Zeit mit Fynn zu verbringen, nicht öfter in den Erinnerungen schwelgen zu können.
Gedankenverloren wendete sie die Fischstäbchen und schaltete den Ofen aus. In das Zischen mischten sich Stimmen. Fee erschrak. Hatte sie etwa vergessen, die Tür abzuschließen?
»Nicht weglaufen, Fynn!«, rief sie auf dem Weg in den Flur. Ein paar Meter weiter blieb sie stehen. Unwillkürlich hielt sie die Luft an, so schön war das Bild vor ihren Augen. Ein junger Mann, die markanten Zügen halb verdeckt von einem gepflegten Bart, auf Knien vor dem Kind, das eine Pilotenmütze auf dem Kopf trug. Sie erwachte erst aus ihrer Erstarrung, als Fynn sich zu ihr umdrehte.
»Fynni Pilot Fuzleug fliegt«, plapperte der Kleine und hielt die Mütze mit beiden Händen fest, als fürchtete er, sie könnte ohne ihn davonfliegen.
Lachend sah Felix seinem Neffen dabei zu, wie er die Arme ausbreitete und mit Motorgeräuschen ins Esszimmer flog. Erst jetzt war Zeit für alles andere.
»Hallo, Mum.« Felix umarmte seine Mutter, blickte von oben auf sie hinab. »Bist du schon in dem Alter, in dem man wieder schrumpft?«
»Frechdachs!« Lachend versetzte Felicitas ihrem Zweitältesten einen Klaps. »Ich glaube eher, dass du in den vergangenen Monaten gewachsen bist. Wenn nicht an Körpergröße, so doch an Selbstbewusstsein.« Sie drückte ihn noch einmal an sich. War das wirklich der kleine Kerl, der die Schokoladenostereier entdeckt und schon vor Ostern verputzt hatte? Der über den Lenker des Fahrrads abgestiegen war und mit Krokodilstränen und blutendem Knie bei ihr Schutz und Trost gesucht hatte?
»Kann schon sein«, erwiderte Felix und schlenderte Arm in Arm mit seiner Mutter ins Esszimmer, wo Fynn noch immer brummend seine Kreise zog. »Stell dir vor: Ich habe meinen Termin für den Final Check bekommen. Viel früher als erwartet.«
»Final Check?« Fee komplimentierte Fynn auf den Kinderstuhl.
»Die letzte Prüfung auf dem Weg vom Copiloten zum Piloten.« Sein Husten mischte sich mit Fees Klatschen.
»Das ist ja großartig.« Sie strahlte über das ganze Gesicht. »Gratuliere, Felix.«
»Danke, Mum. Aber wenn ich nicht langsam etwas zu essen bekomme, kommt es nicht mehr so weit. Dann bin ich nämlich verhungert.«
Felicitas vertrat ihm den Weg zum Herd.
»Setz’ dich! Zur Feier des Tages bekommst du dein Essen ausnahmsweise serviert. Aber nur heute!«, fügte sie hinzu und stellte die Pfanne auf den Tisch.
»Hmm, lecker. Fischstäbchen.«
Für den Griff in die Pfanne erntete er einen Klaps auf die Finger. »Du bist mir ein schönes Vorbild. Verteil’ lieber den Salat«, sprach Fee ein Machtwort.
Felix legte den Kopf schief und lächelte so unwiderstehlich, wie nur er es konnte.
»Ich dachte, ich werde heute bedient.«
»Jetzt weiß ich wieder, was mir gefehlt hat.« Wasser sprudelte in die Gläser. Während Felicitas trank, ließ sie ihren Sohn nicht aus den Augen. »Aber was ist mit dir? Du siehst müde aus.«
»Der Klassiker. Unter Stress funktioniert der Körper wie eine Maschine. Aber wehe, der Druck lässt nach, schon fahren die Systeme herunter.«
»Deinem Appetit scheint es zumindest nicht zu schaden.« Ein vielsagender Blick traf seinen Teller. »Nimm noch mehr Salat. Vitamine sind gesund. Dann bist du bald wieder fit.«
»Sehr gut. Sonst überstehe ich den Ansturm meiner Familie nicht.« Felix ließ sich sie Salatschüssel noch einmal füllen. »Wann sehen wir uns?«
»Heute und morgen jedenfalls nicht.« Fees Bedauern war aufrichtig. »Dein Besuch kommt ein bisschen überraschend.«
»Macht nichts.« Felix lehnte sich zurück und strich sich über den vollen Bauch. »Dann muss ich dich wenigstens nur mit dem kleinen Rowdy teilen.« Die Bezeichnung kam nicht von ungefähr. Rein optisch hatte Fynns Teller Ähnlichkeit mit einem Schlachtfeld