Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman - Patricia Vandenberg Chefarzt Dr. Norden

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trat ans Bett und beugte sich über den schlafenden Fynn.

      »Hallo, Fynn, hörst du mich?« Er musste lauter sprechen, um das Schnaufen des Beatmungsgeräts zu übertönen. Trotzdem reagierte der Kleine nicht. Dr. Norden richtete sich auf und nahm den Kollegen ins Visier. »Wie geht es ihm?«

      »Wenn er bei Ihnen aufwachsen müsste, würde ich mir ernsthafte Sorgen machen«, erwiderte Volker Lammers. »Nachdem er aber nach seiner Genesung zu seiner Mutter zurückkehrt, besteht Hoffnung.«

      Diesmal hörte Daniel nur auf die Zwischentöne.

      »Das heißt, er wird wieder gesund?«

      »Seitdem ich ihn ins künstliche Koma versetzt habe, hat sich sein Zustand stabilisiert.« Volker Lammers reichte seinem Chef das Klemmbrett. »Das letzte Blutbild war deutlich besser. Die Temperatur ist leicht gesunken. Wenn das so weitergeht, kann ich ihn morgen früh aufwachen lassen.«

      Daniel schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Er war eindeutig zu alt für solche Aufregungen. Dummerweise interessierte sich das Schicksal nicht für seine Befindlichkeiten.

      »Und Fee?«, fragte er heiser.

      »Wenn es nach mir ginge, hätte ich sie längst auch ins Reich der Träume geschickt. Aber mich fragt ja keiner.« Lammers wandte sich wieder seinem kleinen Patienten zu. Schlafend waren sie ihm am liebsten. Diese Gelegenheit musste er auskosten, bis der wunderbare Frieden ein Ende hatte.

      *

      Bis jetzt hatte Niko Arzfeld eine Intensivstation immer für einen Ort der Ruhe gehalten. Mit dem Lärm, dem die Patienten tagein, tagaus dort konfrontiert waren, hatte er nicht gerechnet. Das Problem war Dr. Norden durchaus bekannt. Seit kurzem regelte eine Ampel den Lärmpegel. Sprang sie auf rot, wusste das Pflegepersonal: Es war zu laut. Trotzdem ließen sich manche Geräusche einfach nicht vermeiden. Alle paar Minuten ertönte ein Alarm. Die Überwachungsgeräte piepten unablässig. Das Schnaufen der Beatmungsgeräte mischte sich mit dem Gurgeln der Sekretabsauger. Dazwischen fielen Schranktüren zu, klapperten Glasflaschen und Geschirr, wenn die Spülmaschine ausgeräumt wurde. Am meisten nervten Niko aber die Gespräche auf den Fluren, die erst leiser wurden, als die Ampel auf rot sprang. Ging es darum, ein Leben zu retten, vergaß das Pflegepersonal schon einmal die Lautstärke. Niko Arzfeld konnte es den Schwestern und Pflegern nicht verdenken. Und eigentlich war er ja froh darüber, von seinen düsteren Gedanken, von seinen Sorgen um Silje abgelenkt zu werden. Wenn es nur geklappt hätte …

      »Herr Arzfeld!«

      Dr. Weigands Stimme ließ ihn herumfahren.

      Mit wenigen Schritten erreichte er den Arzt.

      »Wie geht es Silje?«

      »Leider können wir noch keine Entwarnung geben. Neben einer Antibiotikatherapie haben wir uns zur künstlichen Beatmung entschlossen, um die Lungen zu entlasten und einem möglichen Lungenversagen vorzubeugen. Unterstützend bekommt sie verschiedene Medikamente.« Dr. Weigand klappte die Hülle des Tablets zu und klemmte es unter den Arm. Er sah Niko mitfühlend an. »Mehr können wir im Augenblick nicht tun.«

      Niko nahm die Brille ab und fuhr sich über die brennenden Augen.

      »Das alles ist meine Schuld.«

      »Wie kommen Sie denn darauf?«

      »Doch. Doch, das stimmt schon.« Niko setzte die Brille wieder auf. »Bestimmt ist Silje nur zu dem Kerl gefahren, um sich an mir zu rächen.«

      Trotz seiner Sorge um die Patienten musste Matthias lächeln.

      »Silje macht nicht gerade den Eindruck, als wäre sie ein Racheengel.«

      Niko Arzfeld winkte ab.

      »Rache ist der falsche Ausdruck. Aber vielleicht habe ich sie durch meine ständigen Nachfragen erst an ihn erinnert. Sie in seine Arme getrieben.«

      »Das finden Sie nur heraus, wenn Sie mit ihr sprechen.«

      Nikos Gesicht spiegelte all das wider, was sich in seinem Kopf, in seinem Herzen abspielte. Die Verzweiflung und Hilflosigkeit. Das ganze Unglück.

      Matthias Weigands Magen zog sich zusammen. Niemand wusste besser als er, was Niko gerade durchmachte. Er selbst hatte den gleichen Fehler begangen. Hatte seine Freundin Sophie mit seinen ständigen Verdächtigungen in die Arme eines anderen getrieben. Doch anders als bei Niko und seiner Verlobten hatte Sophie nicht in Lebensgefahr geschwebt. Allein die Vorstellung, sie hätte sterben können, bevor er sich bei ihr entschuldigt hatte, trieb Matthias den Schweiß auf die Stirn. Er suchte noch nach Worten, um den unglücklichen Mann zu trösten, als Niko ihn ansah.

      »Und was, wenn ich keine Gelegenheit habe, die Wahrheit herauszufinden? Was, wenn sie vorher stirbt?«

      *

      Dr. Daniel Norden war auf dem Weg zu seiner Frau, als er Schritte hinter sich hörte.

      Er drehte sich um und musterte den Astronauten, der vor ihm stehenblieb. Er wusste nicht sofort, wen er vor sich hatte. Schwester Gesine? Elena?

      »Dem Patienten, der mit der Maschine aus Mexiko gekommen ist, geht es schlechter.«

      »Ach, Elena, du bist es.« Daniel zögerte. Schickte einen sehnsüchtigen Blick in Richtung Fees Zimmer. Er wusste genau, dass er – besonders als Chef dieser Klinik – keine Wahl hatte. Sein Hauptaugenmerk lag auf den Patienten. Egal, wie sehr ihn sein Herz auch in eine andere Richtung diktierte.

      »Ich sehe nach ihm. Und sonst?«

      »Alle anderen zeigen bis jetzt keine Grippesymptome.« Wenigstens eine gute Nachricht.

      »Trotzdem sollen alle eine immunmodulatorische Therapie erhalten«, beschloss Daniel. Elena versprach, sich darum zu kümmern, und wollte sich auf den Weg machen. Doch Daniel hatte noch eine Frage. »Sind Fees Laborergebnisse inzwischen da?«

      »Ich fürchte, wir müssen uns noch ein wenig gedulden. Die Herrschaften vom Mikrobiologischen Institut legen inzwischen auf, wenn ich anrufe.«

      Die Fältchen um Daniels Augen verrieten, dass er lächelte.

      »Ich wusste gar nicht, dass du so penetrant sein kannst.«

      »Wenn mir etwas wichtig ist, kenne ich keine Gnade.« Elena zwinkerte ihm zu und drückte ihm das Tablet in die Hand.

      Die elektronische Krankenakte von Hans Budai war aufgeschlagen. Damit machte sich Daniel auf den Weg an das Krankenbett des Patienten. Sein Zustand war besorgniserregend.

      Doch außer den bereits eingeleiteten vorbildlichen Maßnahmen konnte Dr. Norden nichts für den Patienten tun. So sehr er es auch bedauerte: Manche Dinge lagen nicht in seiner Hand.

      Zutiefst bedrückt machte er sich auf den Weg zu seiner Frau. An der Tür zu ihrem Krankenzimmer blieb er stehen. Nahm sich Zeit, um die Frau zu betrachten, mit der er schon ein gefühltes Leben verbrachte. Unvorstellbar, dass sie einmal nicht mehr da sein könnte. Dass er sein Leben allein weiterleben musste. Daniel fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als könnte er mit dieser Geste die dunklen Gedanken vertreiben, die ihn überfielen wie ein Orkan eine friedliche Landschaft.

      »Reiß dich zusammen!«, murmelte

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