Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 36
»Oh, Dan, wie gut dich zu sehen«, murmelte sie verschlafen. Nur einen Augenblick später saß sie kerzengerade im Bett. Der Überwachungsmonitor schlug Alarm. »Was machst du denn hier? Bist du wahnsinnig geworden?«
»Das nenne ich mal eine freundliche Begrüßung!« Er stellte den nervtötenden Ton ab und drückte sie zurück in die Kissen.
»Aber es ist gefährlich hier. Das habe ich dir doch gesagt. Schlimm genug, dass ich auch flach liege.«
»Wenn du geglaubt hast, ich lasse dich allein, hast du dich geirrt.«
Fee atmete schwer.
»Ich hätte nie gedacht, dass du so unvernünftig bist.«
Genug Diskussion!
»Fynn geht es übrigens besser. Sein Fieber ist gesunken. Und du bist auch bald wieder auf den Beinen.« Daniel legte die behandschuhte Hand an die Wange seiner Frau.
Endlich gab Fee ihren Widerstand auf. Sie schloss die Augen und genoss seine Berührung, seine unverhoffte Nähe. Wieder einmal hatte das Schicksal sie daran erinnerte, wie schnell das Glück vorbei sein konnte. Sie musste es genießen, solange sie dazu in der Lage war.
*
Dass Felix Norden in seelischen Krisenzeiten Heißhunger auf Karotten, Kohlrabi oder Äpfel entwickelte, war so gut wie ausgeschlossen. Nicht umsonst hatte die Natur den Menschen so eingerichtet, dass er sich instinktiv mit Zucker und Fett für schlechte Zeiten versorgen wollte, um die gereizten Nerven einzuhüllen und ruhig zu stellen.
So kam es, dass der zweitälteste Sohn der Familie Norden am Ende des Tages auf der Wolkencouch lümmelte und auf leere Chipstüten, zerknülltes Schokoladenpapier und Gläser mit Kakaoresten starrte. Im Fernsehen lief gerade Werbung für eine neue Eiscreme. Zartes Vanilleeis am Stiel, umhüllt von knackiger Schokolade mit einem Kern aus Himbeerkompott. Eine Komposition, die ihn an seine Schwägerin Tatjana erinnerte. Dabei wollte er gar nicht an sie denken. Das lag nicht daran, dass er sie nicht mochte. Ganz im Gegenteil hatten sie sich bisher immer gut verstanden. So gut, dass sein älterer Bruder Danny sogar ab und zu eifersüchtig gewesen war. Doch diese Zeiten wären ein für alle Mal vorbei, wenn dem kleinen Fynn ein Leid geschähe. So ein Unglück würde sich Felix niemals verzeihen. Selbst wenn er nichts dafür konnte. Keinerlei Anzeichen einer Grippe an sich bemerkt hatte. Nicht das kleinste Kratzen im Hals. Nicht den Anflug einer verstopften Nase. Einfach nichts. Und trotzdem war es passiert.
Er sprang von der Couch auf. Genug nachgedacht. Wenn schon Fett und Süßigkeiten nicht gegen die Weltuntergangsstimmung halfen, tat es vielleicht die Arbeit. Die Chipstüten knisterten in seinen Händen, als das Telefon klingelte. Felix stand vor der Kommode und sah ratlos zwischen seinen vollen Händen und dem Apparat hin und her. Die Hälfte des Mülls rauschte zu Boden, als er ihn unter den Arm klemmte, um das Gespräch anzunehmen.
»Norden, hallo!«
»Felix, mein Lieber, wie geht es dir?«
Um ein Haar hätte er den Hörer fallen gelassen. »Jana!« Die Haut in Felix’ Nacken prickelte. Wie sollte er ihr erklären, was passiert war? »Es tut mir so unglaublich leid. Wenn ich gewusst hätte, dass ich krank bin, hätte ich natürlich nicht mit Fynn gespielt. Aber ich hatte keine Ahnung. Ehrlich nicht. Ich weiß auch nicht, wie das …«
»Felix!«
»… passieren konnte. Wenn Fynn oder Mum nicht mehr gesund werden … Oh, mein Gott, ich darf gar nicht daran denken …«
»Felix, kannst du mal bitte kurz Luft holen!«, rief Tatjana in den Hörer.
Endlich hörte er auf zu reden.
»Entschuldige. Ich bin so aufgeregt.«
»Das musst du nicht sein. Dein Vater hat gerade aus der Klinik angerufen. Zumindest Fynn geht es besser.«
Felix war so erleichtert, dass er auf den Boden sank. Die Chipstüten knisterten unter seinem Gewicht.
Am anderen Ende der Leitung spitzte Tatjana die Ohren.
»Was ist das? Bist du in den Mülleimer gefallen?«
»So ähnlich. Aber das ist nicht so wichtig. Erzähl mir lieber alles über Fynn. Und wie geht es Mum? Hat Dad auch etwas über sie gesagt?«
»Fee liegt wohl noch mit leichtem Fieber auf der Quarantänestation. Die Ergebnisse der Blutuntersuchung müssen jeden Moment kommen.«
»Hoffentlich wird alles gut.«
»Wir müssen nur fest daran glauben.« Fynns Zustand machte Tatjana Hoffnung. Wenn er es geschafft hatte, würde Fee es auch tun. »Stell dir vor: Daniel hat erzählt, dass Fynn schon wieder nach der Pilotenmütze gefragt hat.« Ein Gedanke kam ihr in den Sinn. »Aber sag, wann musst du wieder fliegen? Dann brauchst du die Mütze doch bestimmt.«
»Ich bin für den Rest der Woche krankgeschrieben. Dad will heute Abend Blut abnehmen und ins Labor schicken. Ich bin erst wieder gesellschaftsfähig, wenn ich kein Überträger mehr bin.«
»Und so lange musst du in Einzelhaft leben?«
»Es gibt Schlimmeres.« Langsam konnte Felix wieder lachen.
»Hoffentlich wird dir nicht zu langweilig.«
»Keine Angst. Ich habe einen Fernseher. Und außerdem eine gute Idee.«
»Und welche?«
»Sei nicht so neugierig! Das erfährst du schon noch früh genug«, lachte Felix und legte auf, bevor ihn Tatjana um den kleinen Finger wickelte und ihm sein Geheimnis entlockte.
*
Die Schatten im Klinikgarten wurden lang. Das Kinderlachen auf dem Spielplatz war schon vor einer Weile verklungen. Gedämpft von den Mauern des Klinikgebäudes klang das Rauschen des Verkehrs hier hinten fast wie ein Fluss. Eine Amsel saß auf einem Laternenmast und sang ihr melancholisches Abendlied. Die Tagschicht in der Klinik endete. Nach achtunddreißig Stunden Dienst machte sich auch Matthias Weigand auf den Heimweg. Die Kollegen übernahmen seine Arbeit. Wachten über Silje Johannson und all die anderen, die in der Klinik auf Heilung hofften. Doch nicht immer gelang es den Ärzten, diese Hoffnungen zu erfüllen.
In den vergangenen 150 Jahren hatte sich die Lebensspanne verdoppelt. Viele Krankheiten, die früher ein sicheres Todesurteil bedeuteten, konnten inzwischen geheilt werden. Und wenn nicht, wurden zumindest die Leiden der Patienten gelindert. Dennoch mussten sowohl Mediziner als auch Kranke einsehen, dass die ärztliche Kunst begrenzt war. Die menschliche Lebenszeit war endlich. Schwer einzusehen für Menschen, deren Liebste in Gefahr waren.
Daran musste Matthias wieder denken, als er vor die Tür trat und die Besucher sah, die sich draußen die Beine vertraten, frische Luft schnappten, Abstand suchten oder einfach nur eine Zigarette rauchten.
Ein lauer Wind strich über sein erhitzte Gesicht. Die Luft roch nach Sonne, gemähtem Gras und Blumen, mischte sich mit einem Hauch von Abgasen von der nahen Straße. Er ging an einer Menschengruppe vorbei, die sich leise unterhielt. Dahinter bemerkte er einen Mann, der allein auf einer der Bänke neben dem Fahrradständer saß.
»Herr