Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman - Patricia Vandenberg Chefarzt Dr. Norden

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aus und wollte schon die Flucht antreten. Doch Felicitas war noch nicht fertig.

      »Im Übrigen möchte ich mit bei Ihnen bedanken, Kollege Lammers.« Bei jedem anderen Kollegen wären ihr diese Worte leicht über die Lippen gekommen. Zu dumm, dass ausgerechnet ihr ungeliebter Stellvertreter Fynn gerettet hatte. Sie griff nach Daniels Hand und hielt sie fest. »Sie haben unserem Enkel das Leben gerettet. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie unglaublich dankbar ich Ihnen dafür bin.«

      Volker Lammers witterte seine Chance.

      »Habe ich jetzt einen Wunsch frei?«

      »Nein!«, riefen drei Stimmen gleichzeitig.

      *

      Nach einer schlaflosen Nacht voller Bangen und Hoffen machte sich Niko Arzfeld am nächsten Morgen zu Fuß auf den Weg in die Klinik. Der Wind wehte die Stimme des Bahnhofansagers über die Straße. Gleich darauf ruckelte die Trambahn vorbei. Ein orangefarbener Wagen der Stadtgärtnerei parkte am Straßenrand. Die Motorsäge fraß sich stotternd durch die Büsche auf dem Mittelstreifen. Die Fußgängerampel wechselte auf rot. Niko sprang noch schnell über die Straße, ehe die Motoren der wartenden Autos neben ihm aufheulten. Er wanderte an einer Reihe Wohnblöcken vorbei. Ein Rasenmäher ratterte über die Wiese zwischen Wäschespinnen und Kinderspielplatz. Zwei weiße Tauben flogen mit synchronem Flügelschlag Richtung Klinik. Niko nahm es als gutes Omen, zumal auch der Anruf aus der Klinik in der Nacht ausgeblieben war. Das Klinikum kam in Sicht, und kurz darauf betrat er die Lobby. Ein Summen wie in einem Bienenstock schlug ihm entgegen. Zielstrebig schlängelte er sich an einem Paketboten vorbei, grüßte lächelnd das Personal hinter dem Tresen und bog nach rechts in den Flur ab, der zur Intensivstation führte.

      Wenig später betrat er Siljes Zimmer. Sie war wach. Und auch Matthias Weigand war schon wieder im Dienst. Bewaffnet mit seinem Tablet stand er vor dem Geräteturm und kontrollierte die Werte.

      »Das sieht alles sehr gut aus«, sagte er zu Silje und winkte Niko herein, der an der Tür stehen geblieben war. »Natürlich wird es noch eine Weile dauern, bis Sie sich von diesen Strapazen erholt haben. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass einer Hochzeit nichts im Wege stehen wird.« Er nickte dem Paar zu und verabschiedete sich fürs Erste.

      Auf diesen Augenblick hatte Silje nur gewartet. Sie streckte die Hand nach ihrem Liebsten aus. Ihr Lächeln war nur ein schwacher Abglanz ihres früheren Strahlens. Aber zumindest war es zurückgekehrt.

      »Mein Liebling«, murmelte Niko und presste ihre Hand an seine Wange. »Wie fühlst du dich?«

      »Als hätte ich mir eine schwere Virusinfektion eingefangen.«

      Niko lachte pflichtschuldig. Er nahm ihre Hand herunter. Betrachtete versonnen jeden einzelnen Finger.

      Die Nägel, die sie kurz schnitt, damit sie beim Graben, Kratzen und Pinseln zwischen alten Steinen nicht abbrachen. Hatten diese Finger wirklich einen anderen berührt?

      »Silje, ich will …«

      »Ich weiß, was du mich fragen willst«, fiel sie ihm ins Wort. »Bist du mir sehr böse, wenn ich es dir nicht sagen kann? Noch nicht.«

      Da war es wieder, dieses Gefühl in seiner Mitte, einer Magenverstimmung nicht unähnlich.

      »Das kannst du mir nicht antun. Ich muss wissen, warum du irgendwo im Vorderen Orient warst statt in Mexiko, wie du mir erzählt hast.« Niko spürte, wie sich die Finger in seiner Hand zurückzogen.

      Er hob den Blick.

      Silje starrte ihn an. Ihre Brust hob und senkte sich unter dem Klinikhemd. Bei jedem Atemzug entwich ihrem Mund ein ziehendes Geräusch.

      »Du denkst, ich war in Ägypten? Bei Abdul?«

      Niko zuckte mit den Schultern.

      »Dieser Gedanke liegt doch nahe, findest du nicht?«

      »Aber Nikolaus!« So nannte sie ihn immer, wenn sie verstimmt war. »Wie kannst du so etwas denken? Das ist Jahre her. Vertraust du mir denn nicht?« Silje hustete.

      »Doch. Schon.«

      »Aber?«

      »Na ja.« Er hielt ihrem bohrenden Blick nicht länger stand. »Denkst du, ich hätte nicht gemerkt, dass du in den letzten Wochen irgendwie anders warst, wenn wir geskypt haben? Dass du meinen Fragen ausgewichen bist? Denkst du, ich hätte nicht gemerkt, dass du etwas vor mir verbergen wolltest.«

      Eine steile Falte war zwischen Siljes Augen aufgetaucht. Wie eine Pfeilspitze deutete sie auf ihre Nase.

      »Stimmt. Ich habe Geheimnisse vor dir«, presste sie keuchend durch die Lippen. »Aber ich hatte gehofft, dass du mir vertraust. Immerhin wollen wir bald heiraten.«

      Niko suchte noch nach einer Rechtfertigung, als sie den Kopf wegdrehte.

      »Bitte lass mich jetzt allein. Ich bin müde.«

      »Aber …«

      »Hast du mich nicht verstanden?« Wieder dieser furchteinflößende Husten, wie das Bellen eines Hundes.

      Niko fürchtete um ihre Gesundheit, wenn er noch länger blieb und Silje sich aufregte. Er stand am Bett, wollte gehen und konnte sich doch nicht losreißen.

      »Gut. Dann … ja, dann gehe ich mal.«

      Erst als Silje die Augen schloss und ihr Atem ruhiger wurde, machte er ernst und verließ das Zimmer mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern.

      *

      Als Dr. Daniel Norden an diesem Tag die Quarantänestation betrat, hallte ihm schon das Plappern und Brabbeln von Fynn entgegen. Seit der Kleine das Sprechen für sich entdeckt hatte, stand sein Mundwerk keine Sekunde still. Auch dann nicht, wenn er keinen menschlichen Zuhörer hatte. Dann musste eben sein Spielzeugelefant mit dem angelutschten Rüssel daran glauben. Oder seine Puppe, die Bauernhoftiere aus Holz oder der große, gelbe Bagger, der so schön knatterte, wenn er ihn über den Boden schob. Daran war natürlich im Augenblick noch nicht zu denken. Noch musste Fynn brav das Bett hüten und sich die Zeit mit Bilderbüchern und Liederkassetten vertreiben. Zu gern hätte Daniel sich zu seinem Enkel gesetzt und gemeinsam Kinderlieder gesungen. Geschichten vorgelesen. Heute hätte er noch nicht einmal etwas dagegen gehabt, sich Löcher in den Bauch fragen zu lassen. Im Gegensatz zu Hans Budai konnte er noch Fragen beantworten.

      »Dr. Lammers hat alles in seiner Macht stehende getan«, berichtete Schwester Elena und betrachtete sinnend die Kerze auf dem Tisch. Wann immer irgendwo eine Tür geöffnet oder geschlossen wurde, flackerte die Flamme. »Trotzdem hat Herr Budai es leider nicht geschafft. Sein Organismus war schon zu geschwächt.« Gemeinsam mit ihrem Chef stand sie im Dienstzimmer.

      Der Verstorbene war noch in der Nacht abgeholt, das Zimmer geräumt und desinfiziert worden. Wie immer in der Klinik blieb in solchen Fällen nur wenig Zeit für ein Innehalten.

      »Wenigstens hat er von alledem nichts mehr mitbekommen.« Daniel hatte es schon am Abend vorher geahnt und reagierte entsprechend gefasst.

      Ganz im Gegensatz zu Schwester Gesine, die immer wieder in Tränen ausbrach und vor sich hin jammerte. Eine Weile hatte Elena Verständnis dafür. Doch irgendwann platzte ihr der Kragen.

      »Sie sollten sich überlegen,

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