Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 4
»Ich rede mit Herrn Pastor. Vielleicht hat er die Packung noch zu Hause.«
»Beeilen Sie sich! Wenn Sie richtig liegen, haben wir keine Zeit zu verlieren.«
Wie zum Beweis japste Anette Pastor. Sie rang nach Luft, krümmte sich auf der Liege. Mit zwei, drei Schritten war Dr. Weigand wieder neben ihr. Ein Blick genügte.
»Schwester! Wir müssen intubieren.« Er hatte noch nicht ausgesprochen, als der Monitor einen durchgehenden Alarmton ausstieß.
Matthias fuhr herum. Starrte auf die vier Linien des Überwachungsgeräts.
»Kammerflimmern! Den Defi! Schnell!«
Klappernd fiel der Tubus hinunter, hüpfte über den Boden und blieb an einem Schrankbein liegen. Schwester Irina lief in die Zimmerecke, wo der Defibrillator stand. In Windeseile schaffte sie das Gerät herbei. Verteilte ein durchsichtiges Gel auf den Elektroden und reichte sie dem Arzt.
»Und Schock!« Matthias setzte die Elektroden auf. Der Strom schoss durch Anettes Körper. Weigands Blick hing am Monitor. Nichts! Auch der Alarm schrillte unverändert. »Noch einmal!«, verlangte er. Gleich darauf atmete er auf. »Rhythmus ist wieder da.« Mit dem Ärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Sein Blick ruhte auf der Patientin. »Hoffentlich beeilt sich Gruber mit der Serologie. Sonst kann ich für nichts garantieren.«
*
»Das war der Hammer.« Muriel rollte sich von Milan und musterte ihn aus stahlgrauen Augen. »Ich habe mich immer gefragt, wie das bei Rollstuhlfahrern funktioniert.«
»Wieso?« Milan drehte sich zu ihr. Er streckte die Hand aus und strich ihr eine Strähne aus der Stirn. Seine Augen lachten mit seinem Mund um die Wette. »An mir ist doch alles dran.«
»Das schon.« Muriel kicherte. »Außerdem hast du geschickte Finger. Zwischendurch dachte ich, du bist überall.«
»Ich war überall.«
Muriels Zeigefinger wanderte über seine behaarte Brust.
»Wenn dein Frühstück auch so gut ist, machst du dich unsterblich.«
»Das hoffe ich doch.« Milans Augen glitzerten, als er sich über sie beugte.
»Normalerweise bin ich ein braves Mädchen«, murmelte sie an seinen Lippen.
»Ein Glück, dass du heute eine Ausnahme gemacht hast.« Mund, Wangen, Nasenspitze. Er bedeckte gefühlt jeden Quadratzentimeter ihres Gesichts mit kleinen Küssen. Muriel schnurrte wie eine Katze.
»Ein Glück, dass ich dich gefunden habe.« Ihr Tonfall ließ eine Alarmglocke in Milans Kopf klingeln. Die Erinnerung an eine schrille Stimme. An unschöne Auseinandersetzungen, Eifersucht, Tränen. So etwas wollte er nicht erleben. Nicht schon wieder.
»Verlieb dich nicht in mich.« Er sagte es mit einem Lächeln.
Sie musterte ihn aus Augen, tief wie zwei Bergseen und genauso unergründlich. Plötzlich hustete sie.
Milan riss die Augen auf. Richtete sich auf.
»Bist du krank?«
»Was ist?« Der Zug um ihren Mund war spöttisch. »Hast du Angst, dass du Männergrippe bekommst? Unmöglich. Ich bin eine Frau.«
Wohl oder übel musste Milan lachen.
»Das habe ich gemerkt.«
Sie beugte sich über die Bettkante und angelte sich ihre Tasche. Kramte darin herum, bis sie eine kleine Dose fand. Die Tabletten darin klapperten, als sie sie öffnete und eine davon in die Hand fallen ließ.
»Hast du auch Durst?« Muriel schlug die Bettdecke zurück.
»Ein Glas Wasser wäre toll.«
»Kommt sofort.« So, wie Gott sie erschaffen hatte, schlenderte Muriel durch das Zimmer, sich der Blicke in ihrem Rücken wohl bewusst.
Milan konnte nicht anders. Er musste ihr einfach nachsehen. Konnte die Augen nicht von ihrem Anblick lösen, bis sie aus dem Zimmer verschwunden war. Wieder dieses Husten. Gleich darauf hantierte sie in der Küche. Er sah sie vor sich, wie sie auf der Suche nach Gläsern jeden Schrank öffnete. Er sah ihren Künstlerhänden dabei zu, wie sie den Wasserhahn öffneten und wieder schlossen. Gleich würde sie wieder in der Tür erscheinen und ihn mit ihrem Anblick verzaubern.
Ein Poltern, gefolgt von einem Schrei und dem Klirren von Glas zerriss das schöne Bild. Milan fuhr hoch.
»Muriel!«
Keine Antwort.
»Muriel!«
Wieder nichts. Mit angehaltenem Atem wartete er ab. Doch es war wie verhext. Kein Laut drang mehr an sein Ohr. Alles war still. Viel zu still. So blieb ihm nichts anderes übrig, als die Beine aus dem Bett zu schwingen. Er zog den Rollstuhl zu sich, hievte den leblosen Unterbau hinein. Mit wenigen, kräftigen Handgriffen erreichte er die Tür. Er sah Muriel schon von Weitem. Sie lag bäuchlings auf dem Boden, das lange Haar umfloss ihren Kopf. Sie bewegte sich nicht.
*
Bis die Ergebnisse der Serologie vorlagen, gesellte sich Matthias Weigand zu seiner Kollegin Maria Maurer. Sie saß im Aufenthaltsraum an einem der Tische und blätterte in einer Frauenzeitschrift. Er ließ sich auf die mintgrüne Couch fallen. In der Mitte des Couchtisches thronte die 500-Gramm-Gebäckmischung eines unbekannten Herstellers. Einem Gerücht zufolge bestellte Dieter Fuchs – Verwaltungsdirektor der Behnisch-Klinik – diese Kekse für alle Abteilungen. Er bezahlte sie aus dem Budget für Verbrauchsmaterial, genau wie Seife, Papiertücher und Verbandmaterial. So schmeckten sie auch. »Fuchs könnte uns genausogut ein paar Kartons hinstellen. Das würde auch nicht weiter auffallen«, schimpfte er mit einem Mund voll Brösel.
Maria sah kurz hoch.
»Du könntest es mit Marmelade probieren. Ich habe welche mitgebracht.« Sie deutete auf das Glas, das vor ihr auf dem Tisch stand. »Aprikose. Selbstgekocht von meiner Oma.«
»Großartig. Ich liebe selbstgekochte Marmelade.« Matthias stemmte sich von der Couch hoch und wollte zur Tat schreiten, als der Pieper seinen Plan zunichtemachte. »Bleib sitzen. Ich gehe schon!« Er gab Maria ein Zeichen und machte sich auf den Weg.
Noch bevor er um die Ecke bog, hörte er es. Das war Sophies Stimme, die über den Flur hallte. Unverkennbar! Lea!, war sein erster Gedanke. Sein Herz setzte einen Schlag aus, um mit doppelter Geschwindigkeit wieder einzusetzen. Er fing an zu laufen.
»Um Gottes willen, Sophie. Was ist passiert?«
Sophie fuhr herum. Seit dem finalen Streit hatte sie Matthias nicht wiedergesehen. Doch sein Zauber wirkte immer noch. Ein Blick in sein Gesicht genügte, um ihre Knie in Pudding zu verwandeln.
»Nina.« Mit zitterndem Finger deutete sie auf ihre Freundin, die ein Rettungsfahrer hereinschob. Diesmal war es nicht Erwin Huber. »Sie ist einfach umgefallen. In meiner Wohnung. Und das Regal oben drauf.«
Matthias