Die Traumdeutung. Sigmund Freud

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Die Traumdeutung - Sigmund Freud

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nach auf den Rücken auf die Erde hinlegten und ihm zwischen die große und die nächste Zehe einen Pfahl in die Erde schlugen. Indem er sich dies im Traum vorstellte, erwachte er und fühlte, dass ihm ein Strohhalm zwischen den Zehen stecke. Demselben soll nach Hennings (1784, 258) ein anderes Mal, als er sein Hemd am Halse etwas fest zusammengesteckt hatte, geträumt haben, dass er gehenkt würde. Hoffbauer träumte in seiner Jugend, von einer hohen Mauer hinabzufallen, und bemerkte beim Erwachen, dass die Bettstelle auseinandergegangen und dass er wirklich gefallen war… Gregory berichtet, er habe einmal beim Zubettgehen eine Flasche mit heißem Wasser an die Füße gelegt und darauf im Traum eine Reise auf die Spitze des Ätna gemacht, wo er die Hitze des Erdbodens fast unerträglich gefunden. Ein anderer träumte nach einem auf den Kopf gelegten Blasenpflaster, dass er von einem Haufen von Indianern skalpiert werde; ein dritter, der in einem feuchten Hemde schlief, glaubte durch einen Strom gezogen zu werden. Ein im Schlaf eintretender Anfall von Podagra2 ließ einen Kranken glauben, er sei in den Händen der Inquisition und erdulde die Qualen der Folter (Macnish).«

      Das auf die Ähnlichkeit zwischen Reiz und Trauminhalt gegründete Argument lässt eine Verstärkung zu, wenn es gelingt, bei einem Schlafenden durch planmäßige Anbringung von Sinnesreizen dem Reiz entsprechende Träume zu erzeugen. Solche Versuche hat nach Macnish schon Girou de Buzareingues angestellt. »Er ließ seine Knie unbedeckt und träumte, dass er in der Nacht auf einem Postwagen reise. Er bemerkt dabei, dass Reisende wohl wissen würden, wie in einer Kutsche die Knie des Nachts kalt würden. Ein anderes Mal ließ er den Kopf hinten unbedeckt und träumte, dass er einer religiösen Zeremonie in freier Luft beiwohne. Es war nämlich in dem Lande, in welchem er lebte, Sitte, den Kopf stets bedeckt zu tragen, ausgenommen bei solchen Veranlassungen wie die eben genannte.«

      Maury (1878) teilt neue Beobachtungen von an ihm selbst erzeugten Träumen mit. (Eine Reihe anderer Versuche brachte keinen Erfolg.)

      1) Er wird an Lippen und Nasenspitze mit einer Feder gekitzelt. – Träumt von einer schrecklichen Tortur; eine Pechlarve wird ihm aufs Gesicht gelegt, dann weggerissen, sodass die Haut mitgeht.

      2) Man wetzt eine Schere an einer Pinzette. – Er hört Glocken läuten, dann Sturmläuten und ist in die Junitage des Jahres 1848 versetzt.

      3) Man lässt ihn Kölnerwasser riechen. – Er ist in Kairo im Laden von Johann Maria Farina. Daran schließen sich tolle Abenteuer, die er nicht reproduzieren kann.

      4) Man kneipt ihn leicht in den Nacken. – Er träumt, dass man ihm ein Blasenpflaster auflegt, und denkt an einen Arzt, der ihn als Kind behandelt hat.

      5) Man nähert ein heißes Eisen seinem Gesicht. Er träumt von den »Heizern«3, die sich ins Haus eingeschlichen haben und die Bewohner zwingen, ihr Geld herauszugeben, indem sie ihnen die Füße ins Kohlenbecken stecken. Dann tritt die Herzogin von Abrantès auf, deren Sekretär er im Traume ist.

      8) Man gießt ihm einen Tropfen Wasser auf die Stirne. – Er ist in Italien, schwitzt heftig und trinkt den weißen Wein von Orvieto.

      9) Man lässt wiederholt durch ein rotes Papier das Licht einer Kerze auf ihn fallen. – Er träumt vom Wetter, von Hitze und befindet sich wieder in einem Seesturm, den er einmal auf dem Kanal La Manche mitgemacht.

      Andere Versuche, Träume experimentell zu erzeugen, rühren von d’Hervey, Weygandt (1893) u. a. her.

      Von mehreren Seiten ist die »auffällige Fertigkeit des Traumes bemerkt worden, plötzliche Eindrücke aus der Sinneswelt dergestalt in seine Gebilde zu verweben, dass sie in diesen eine allmählich schon vorbereitete und eingeleitete Katastrophe bilden« (Hildebrandt, 1875). »In jüngeren Jahren«, erzählt dieser Autor, »bediente ich mich zuzeiten, um regelmäßig in bestimmter Morgenstunde aufzustehen, des bekannten, meist an Uhrwerken angebrachten Weckers. Wohl zu hundert Malen ist mirs begegnet, dass der Ton dieses Instrumentes in einen vermeintlich sehr langen und zusammenhängenden Traum dergestalt hineinpasste, als ob dieser ganze Traum eben nur auf ihn angelegt sei und in ihm seine eigentliche logisch unentbehrliche Pointe, sein natürlich gewiesenes Endziel fände.«

      Ich werde drei dieser Weckerträume noch in anderer Absicht zitieren.

      Volkelt (1875, 108 f.) erzählt: »Einem Komponisten träumte einmal, er halte Schule und wolle eben seinen Schülern etwas klarmachen. Schon ist er damit fertig und wendet sich an einen der Knaben mit der Frage: ›Hast du mich verstanden?‹ Dieser schreit wie ein Besessener: ›Oh ja.‹Ungehalten hierüber verweist er ihm das Schreien. Doch schon schreit die ganze Klasse: ›Orja.‹ Hierauf: ›Eurjo.‹ Und endlich: ›Feuerjo.‹ Und nun erwacht er von wirklichem Feuerjo-Geschrei auf der Straße.«

      Garnier (1872) bei Radestock berichtet, dass Napoleon I. durch die Explosion der Höllenmaschine aus einem Traum geweckt wurde, den er im Wagen schlafend hatte und der ihn den Übergang über den Tagliamento und die Kanonade der Österreicher wieder erleben ließ, bis er mit dem Ausruf aufschreckte: »Wir sind unterminiert.«

      Zur Berühmtheit gelangt ist ein Traum, den Maury erlebt hat (1878, 161). Er war leidend und lag in seinem Zimmer zu Bett; seine Mutter saß neben ihm. Er träumte nun von der Schreckensherrschaft zur Zeit der Revolution, machte gräuliche Mordszenen mit und wurde dann endlich selbst vor den Gerichtshof zitiert. Dort sah er Robespierre, Marat, Fouquier-Tinville und alle die traurigen Helden jener grässlichen Epoche, stand ihnen Rede, wurde nach allerlei Zwischenfällen, die sich in seiner Erinnerung nicht fixierten, verurteilt und dann, von einer unübersehbaren Menge begleitet, auf den Richtplatz geführt. Er steigt aufs Schafott, der Scharfrichter bindet ihn aufs Brett; es kippt um; das Messer der Guillotine fällt herab; er fühlt, wie sein Haupt vom Rumpf getrennt wird, wacht in der entsetzlichsten Angst auf – und findet, dass der Bettaufsatz herabgefallen war und seine Halswirbel, wirklich ähnlich wie das Messer der Guillotine, getroffen hatte.

      An diesen Traum knüpft sich eine interessante, von Le Lorrain (1894) und Egger (1895) in der Revue philosophique eingeleitete Diskussion, ob und wie es dem Träumer möglich werde, in dem kurzen Zeitraum, der zwischen der Wahrnehmung des Weckreizes und dem Erwachen verstreicht, eine anscheinend so überaus reiche Fülle von Trauminhalt zusammenzudrängen.

      Beispiele dieser Art lassen die objektiven Sinnesreizungen während des Schlafes als die am besten sichergestellte unter den Traumquellen erscheinen. Sie ist es auch, die in der Kenntnis des Laien einzig und allein eine Rolle spielt. Fragt man einen Gebildeten, der sonst der Traumliteratur fremd geblieben ist, wie die Träume zustande kommen, so wird er zweifellos mit der Berufung auf einen ihm bekanntgewordenen Fall antworten, in dem ein Traum durch einen nach dem Erwachen erkannten objektiven Sinnesreiz aufgeklärt wurde. Die wissenschaftliche Betrachtung kann dabei nicht haltmachen; sie schöpft den Anlass zu weiteren Fragen aus der Beobachtung, dass der während des Schlafes auf die Sinne einwirkende Reiz im Traume ja nicht in seiner wirklichen Gestalt auftritt, sondern durch irgendeine andere Vorstellung vertreten wird, die in irgendwelcher Beziehung zu ihm steht. Die Beziehung aber, die den Traumreiz und den Traumerfolg verbindet, ist nach den Worten Maurys »une affinité quelconque, mais qui n’est pas unique et exclusive« (1853, 72). Man höre z. B. drei der Weckerträume Hildebrandts (1875, 37 f.); man wird sich dann die Frage vorzulegen haben, warum derselbe Reiz so verschiedene und warum er gerade diese Traumerfolge hervorrief:

      »Also ich gehe an einem Frühlingsmorgen spazieren und schlendre durch die grünenden Felder weiter bis zu einem benachbarten Dorfe, dort sehe ich die Bewohner in Feierkleidern, das Gesangbuch unter dem Arm, zahlreich der Kirche zuwandern. Richtig! Es ist ja Sonntag, und der Frühgottesdienst wird bald beginnen. Ich beschließe, an diesem teilzunehmen, zuvor aber, weil ich etwas echauffiert bin, auf dem die Kirche umgebenden Friedhofe mich abzukühlen. Während ich hier verschiedene Grabschriften

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