Die Residentur. Iva Prochazkova

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Die Residentur - Iva Prochazkova

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Genitalien denken, sodass er im Gefängnis von allen „Pussy“ genannt wurde) – und die einzige Möglichkeit, sich gegen die ganzen Ratten zur Wehr zu setzen, die auf der Welt rumrannten, hatte Denis in einem vorbehaltlosen Egoismus gefunden. Mit niemand machte er Kompromisse, vor niemand einen Rückzieher, auf niemand verließ er sich. Auch bei dem Pakt jetzt, zu dem er seinen ehemaligen Wächter dazugeholt hatte, ging’s nur darum, was am Ende dabei rauskam. Sobald sie das Geld kassiert hätten, würden sich ihre Wege trennen.

      „Guck mal, was der macht!“ Denis beugte sich aufgeregt nach vorn und schaute durch die nasse Scheibe Richtung Wäldchen. Mister Monnys Auto, das ganz am Rand stand, setzte unvermittelt tiefer zwischen die Bäume zurück. „Fahr hinterher!“

      Milan hatte nicht die geringste Lust, das offene Gelände zu verlassen und in den finsteren Wald reinzufahren.

      „Mann, jetzt scheiß dir nicht ins Hemd.“

      „Willst du, dass der abhaut?“

      „Wenn der vorgehabt hätte abzuhauen, dann wär er gar nicht erst aufgetaucht“, hielt Milan dagegen. „Er ist hier, damit er mit uns reinen Tisch macht.“

      Der Geländewagen kurvte zwischen den Bäumen durch und kam übers Feld auf sie zugefahren. Denis’ Hand verschwand in der Westentasche, wo er seine Waffe trug. „Ich glaub den tschetschenischen Drecksäcken nicht mal die Nase zwischen den Augen“, konstatierte er.

      „Immer mit der Ruhe“, entgegnete Milan. Dabei hatte er selber nervös den Schaltknüppel umklammert. Er glaubte nicht, dass Mister Monny Tschetschene war, aber das war vermutlich das Einzige, worin er mit Denis nicht einer Meinung war. Dessen Misstrauen teilte er vollkommen. Schon immer hatten ihn Leute irritiert, die sich unlogisch verhielten, denen ging er lieber aus dem Weg. Bei Mister Monny hatte er beschlossen, eine Ausnahme zu machen. Schon lange war er mit seinem Leben unzufrieden gewesen und hatte den großen Wunsch nach einer Veränderung, aber ihm fehlte die passende Gelegenheit. Der Typ da hatte sie ihm geboten. Sie beinhaltete eine große Portion Unsicherheit, war aber außerordentlich verlockend. Milan hatte sich ausgerechnet, dass er mit der Summe, die er in einer Nacht verdienen würde, sein Leben komplett neu starten könnte.

      Das Auto hielt in Reichweite an – ein fetter Audi. Mister Monny hatte das Fenster runtergelassen, den Unterarm aufs Lenkrad gestützt. Unter dem karierten Jackett guckte ein Hemd mit offenen Kragenknöpfen und der gelockerte Schlips raus. Er sah aus wie ein Beamter, der’s sich auf dem Heimweg von der Arbeit ein bisschen gemütlich gemacht hat. Außer ihm konnte Milan im Wageninnern niemanden sehen.

      „Er ist alleine“, sagte er beiläufig Richtung Denis. Er machte sein Fenster auf und nickte. Mister Monny erwiderte den Gruß. Dabei verzog er keine Miene.

      „Alles wie abgemacht? Keine Probleme?“, fragte er. In fließendem Tschechisch mit kaum hörbarem Akzent.

      „Keine Probleme“, antwortete Denis.

      „Sicher?“ Mister Monny schaute sie mit seinen rauchgrauen Augen durch die Brillengläser an, das Kinn, aus dem die Bartstoppeln nur lückenhaft sprossen, war leicht abgesackt, es sah so aus, als würde er ein Gähnen unterdrücken.

      „Wenn ich Nein sag, dann mein ich das auch so“, verkündete Denis.

      „Wir haben saubere Arbeit abgeliefert“, bestätigte Milan in einem Tonfall, der jegliche Zweifel ausschloss – bis auf die eigenen. Sich selbst konnte er nicht überzeugen, dass jemanden gegen seinen Willen ins Jenseits zu befördern, „saubere Arbeit“ war. Auf der Welt liefen Menschen rum, über die andere Menschen ein Urteil fällten, und jemand musste es vollstrecken, das war Milan klar, und das regte ihn auch kein bisschen auf, trotzdem hatte er beschlossen, so eine Art Auftrag nie wieder anzunehmen. Der jetzt war lukrativ gewesen, hatte aber unangenehme Nebenwirkungen. Die zeigten sich nicht gleich. Gestern Nacht, als Denis von den Müllcontainern zurückgekommen war und mit einem Kopfnicken klargestellt hatte, dass die Angelegenheit erledigt sei, hatte er überhaupt nichts gefühlt. Hauptsache weg hier, war das Einzige, was ihm durch den Kopf ging, während er die schnurgerade Straße zwischen den Wohnblocks entlangfuhr, den Blick auf den Rückspiegel geheftet. Der reglose Körper in dem orangen Hemd wurde schnell kleiner, aber er lag immer noch dort. Auch als Milan an der nächsten Kreuzung abbog und den Müllplatz aus dem Blick verlor, verschwand das Bild nicht völlig von seiner Netzhaut. Es war die ganze Zeit dort gewesen, während sie das Auto und die Waffe beseitigt hatten, er war mit dem Bild schlafen gegangen, und auch nach dem Aufwachen war es nicht weggewesen. Verschüttet, ausgeblichen, aber immer noch erkennbar war es auch jetzt noch da. Es machte ihn wahnsinnig wie ein unwillkürlicher Nerventick, den man nicht wieder loswurde.

      „Bringen wir’s zu Ende, oder?“, sagte Denis ungeduldig.

      „Ausgeglichene Rechnungen sorgen für ausgeglichene Freundschaften“, fügte Milan hinzu und tastete mit Blicken die Plastiktüte ab, die auf dem Armaturenbrett des Audis lag.

      „Tun sie das? Tatsache?“ Durch Mister Monnys schläfriges Gesicht zuckte amüsiertes Interesse. In seiner Muttersprache gab es diese Redewendung offenbar nicht.

      „Sagt man so.“ Milan ließ die Tüte nicht aus den Augen. Sie hatte die richtige Größe und war der einzige Grund, dass er zu diesem Treffen gekommen war. Auf eine Freundschaft zu dem Typen konnte er verzichten.

      „Ein Bekannter von mir sagt übrigens: Bei ausgeglichenen Rechnungen spart man sich das Geld für Munition“, ergänzte Denis.

      „Schlau, der Bekannte.“ Mister Monny nahm die Tüte und reichte sie Milan durchs Seitenfenster. „Es ist ein bisschen mehr drin, ich hatte kein Kleingeld. Ich hoffe, das stört nicht weiter.“

      „Damit kommen wir schon klar“, versicherte Denis.

      Milan hatte eigentlich vorgehabt nachzuzählen, aber Mister Monnys Bemerkung hatte ihm die Lust genommen. Sie deutete an, dass das, was er und Denis für einen Batzen Geld hielten, für den Typen nur Peanuts waren. Er warf einen Blick in die Tüte und stellte sie neben seinem Fuß ab. Er hatte erwartet, dass Denis sofort danach greifen würde, aber der rührte sich nicht. Die Hand immer noch in der Westentasche, überwachte er jedes Blinzeln von Mister Monny.

      „Nur damit zwischen uns alles klar ist, wir kennen uns nicht“, sagte er warnend. „Wir haben uns nie gesehen. Und es wird besser sein, wenn wir uns nie wieder sehen. Es sei denn …“

      Denis legte eine bedeutungsvolle Pause ein und Milan ahnte schon, was er im nächsten Moment sagen würde. Am liebsten hätte er ihn davon abgehalten, aber er wusste, dass das nicht ginge. Hier war er kein Wärter, hier hatte er nicht das Kommando. Denis war es gewesen, der Milan mit in die Geschichte reingezogen hatte, der die Regeln festgesetzt und den schwierigeren Teil des Jobs übernommen hatte. Denis war es gewesen, der den gedachten Taktstock gehalten und ihn geschwenkt hatte, wie er es für richtig hielt.

      „… es sei denn, es bietet sich wieder was Interessantes“, vollendete Denis den Satz genau, wie Milan es erwartet hatte. „Klar?“

      „Völlig klar“, pflichtete Mister Monny ihm bei, im Gesicht schon wieder diesen schläfrigen Ausdruck. „Hat mich gefreut, die Herren.“

      Er winkte ihnen zum Abschied und fuhr langsam über das Feld davon. Milan sah dem sich entfernenden Heck des Wagens nach und ließ gleichzeitig seinen Blick schweifen.

      Auch Denis war noch im Bereitschaftsmodus. „Guck mal nach, wie viel das ist“, forderte er Milan auf. „Eh der weg ist.“

      Milan nahm die Tasche vom Boden, schüttete den Inhalt in seinen Schoß

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