Das Schönste von Max Dauthendey. Max Dauthendey

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Das Schönste von Max Dauthendey - Max Dauthendey

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wie abwesend den Deckel des Buches, das vor ihm lag. Und mit eifersüchtigem Liebessinn wurde die Frau von jenem Buche angezogen. Und als das Kaffeewasser kochte und ihr Mann an die Maschine trat, um den Kaffee in die Tassen einzuschenken, da stieg sie leise aus dem Bett und zog, scheinbar harmlos, das Buch vom Tisch an sich. Sie blätterte darin und erkannte sofort, daß es Balladen waren, die jene junge Verwandte, die sie daheim hatte, immer las und vortrug.

      Sie wußte jetzt mit raschem Gedankengang plötzlich, wer das Gespenst war, wer das junge Mädchen war, das um die Stunde der Maus im Zimmer ihres Mannes umging.

      Sie fühlte, daß seine Gedanken nur bei jener Verwandten weilten, und sie wurde zornig, da sie glaubte, er habe sie in jenen Augenblicken, da er das Mädchen zur Nachtwache im Provinzladen aufgesucht, daheim schon betrogen.

      Als der Mann mit der gefüllten Kaffeetasse zu ihr ans Bett trat, wies sie den Kaffee zurück, wandte das Gesicht gegen die Wand und brach in Schluchzen aus. Und auf seine Fragen stürzten ihr Vorwürfe über die Lippen. Aber er konnte ruhig entgegnen, daß kein Wort und nichts zwischen ihm und jenem Mädchen ausgetauscht worden war, was seine Treue hätte in Frage stellen können.

      »Es muß aber doch etwas zwischen euch gewesen sein,« fuhr die Frau hartnäckig fort, »denn ich erinnere mich jetzt, daß du ganz plötzlich deine Aufsicht über die Nachtwachen im Laden abgebrochen hast. Sage mir, was war das letzte Wort, das ihr dort zusammen spracht?«

      »Ich sagte ihr, daß ich glücklich, sehr glücklich verheiratet bin,« erwiderte der Mann nach einigem Nachdenken.

      Die Frau sah erstaunt mit tränendem Gesicht zu ihm auf und sagte: »Ich glaube dir's. Aber ich weiß doch, daß sie allein das Gespenst ist, das nach Mitternacht hier umgeht. Kannst du mir wirklich versichern, daß du alles das, die Tassen, die Kaffeemaschine und alle Dinge im Zimmer nur für mich und dich gekauft hast und die andere im Geist niemals neben dir hast sitzen sehen?«

      Da sagte er einfach und langsam: »Wenn ich jetzt um diese Stunde an das Mädchen erinnert werde, wird es mir klar, daß ich alles, was du hier siehst, eingekauft habe, um sie und nicht dich zu empfangen. In allen andern Stunden wußte ich nichts davon.«

      Da weinte die Frau. Und als ihr Mann sich neben sie aufs Bett setzte und die seidene Decke über sie legte, stieß sie die Decke heftig zurück. Und ihm war es, als habe sie mit dieser Bewegung nach dem Mädchen gestoßen, das er neben ihr heimlich liebte.

      Da löste sich sein geknebeltes Herz auf. Und er ging und setzte sich in eine entfernte Zimmerecke und bedeckte sein Gesicht mit den beiden Händen.

      Gegen Morgen, als das Geräusch der vorüberfahrenden Milchwagen und der ersten Straßenbahn die Fensterscheiben leise klirren machte, rief die Frau vom Bett aus ihres Mannes Namen. Aber als er dann zu ihr trat, brach sie wieder in Weinen aus.

      »Es ist dir nichts geschehen und wird dir nichts geschehen, denn ich werde mich nie diesem Mädchen verraten. Meine Gedanken an sie werden mit der Zeit erkalten müssen. Wenn du mich nicht an sie verrätst, werde ich sie vergessen können.«

      Und die Frau versprach ihm, wenn sie heimkommen würde, dem Mädchen, das so unschuldig war wie ihr Mann, nicht gram sein zu wollen und über alles zu schweigen, was sie von ihm in dieser Nacht erfahren. Er wußte, was sie versprochen habe, würde sie auch halten.

      Nachdem die Frau wieder abgereist war, nahm der Mann bald ein Bild nach dem andern von den Wänden herab und rückte die Vasen in eine Ecke eines hohen Schrankes, wo er sie nicht sehen konnte, rollte die seidene Decke zusammen und packte sie fort. Auch die Balladenbücher nahm er vom Brett und legte sie in eine Schublade, die er verschloß. Denn seit jener Aussprache in der Silvesternacht war der Geist des Mädchens, der sonst um die Stunde der Maus in seinem Herzen schwül umgegangen war, von ihm ferngeblieben, und die stille Leidenschaft starb in dem Mann allmählich ab. Der Händler ging eifrig seinen Geschäften nach, vermied es, die Abende allein zu verbringen, suchte Freunde und Bekannte auf und schien allmählich vollständig zu genesen von dem Liebesalb, der ihn so lange heimlich bedrückt hatte.

      Da erhielt er eines Tages ein Telegramm, worin seine Frau ihn bat, schleunigst nach Hause zu kommen, da jener jungen Verwandten ein schweres Unglück zugestoßen wäre.

      Der Mann zitterte einen Augenblick, als er das Papier mit der Nachricht in den Händen hielt. Dann aber machte er sich kühl und hart gegen alte auflodernde Gefühle und reiste mit dem nächsten Zug nach Hause.

      Die Frau empfing ihn mit verweinten Augen und schluchzte an seinem Hals und sagte ihm, daß das junge Mädchen durch einen plötzlichen Unfall getötet worden war. Dabei aber stotterte sie:

      »Du wirst glauben, ich bin schuld an ihrem Tod. Aber ich schwöre dir, ich bin unschuldig.«

      Der Mann erstaunte und fragte, welches Unglück sich ereignet habe, und hörte dann von der schluchzenden Frau, daß das Mädchen durch einen unvorsichtigen Schritt in die geöffnete Falltür, die sich im Fußboden des Ladens befand, abends im Dunkeln, als sie eben die Nachtwache antreten wollte, in den tiefen Keller gestürzt war, auf dessen mit Steinplatten gepflastertem Boden man die Unglückliche mit gebrochenem Rückgrat tot aufgefunden hatte.

      »Aber wer hat denn die Tür in den Keller aufstehen lassen?« fragte der Südfrüchtenhändler entsetzt.

      Die Frau verbarg das Gesicht an seiner Brust und schluchzte von neuem:

      »Ich bin es gewesen, ich. Ich bin wohl an ihrem Tode schuld, aber ich habe ihn nicht absichtlich verschuldet.«

      Da durchlief den Mann ein Schauder, und er zog sich aus der Umarmung seiner Frau zurück.

      Sie aber klammerte sich fest an ihn und rief verzweifelt: »Als es mir plötzlich einfiel, daß ich die Kellertür offen gelassen hatte, bin ich oben aus dem Zimmer in das Stiegenhaus gestürzt und habe ihr nachgerufen, sie solle nicht in den Laden gehen, da die Falltür zu dem Keller offen wäre. Im selben Augenblick aber hörte ich schon einen Schreckensruf und den polternden Aufschlag eines Körpers im tiefen Gewölbe.«

      Die Frau setzte sich auf einen Stuhl und schluchzte in ihre beiden Hände. Und als sie nach einer Weile wieder aufsah, war das Zimmer leer.

      Sie glaubte, der Mann wäre auf den Kirchhof in die Leichenhalle gegangen, um das Mädchen noch einmal zu sehen. Aber er war, ohne Abschied zu nehmen, in sein Geschäft in der Hafenstadt zurückgereist und ließ seine Frau deutlich fühlen, daß er es nicht glauben konnte, sie habe die Falltür ohne Absicht offen stehen lassen.

      Gleich nach der Beerdigung des Mädchens reiste sie zu ihm und erklärte ihm noch einmal, daß sie unschuldig wäre. Er aber ging wieder aus dem Zimmer und wollte nicht mit ihr sprechen.

      Sie kehrte in den Laden in der Provinz zurück, verzweifelt darüber, daß sie ihren Mann nicht zum Glauben an ihre Unschuld bringen konnte.

      Von dem ausgestandenen Schrecken und von dem Schweigen ihres fernen Mannes gefoltert, wurde sie immer schwächer und erkrankte zuletzt an einem Gehirnfieber.

      Eines Tages erhielt der Südfrüchtenhändler einen Eilbrief von einem Arzt, der ihn aufforderte, schleunigst zu kommen, wenn er seine Frau noch am Leben finden wollte, denn ihre Stunden wären gezählt.

      Der Mann kam, aber die Fiebernde kannte ihn nicht mehr. Der Arzt sagte, er solle sich an ihr Bett niedersetzen, es wäre möglich, daß sie kurz vor dem Sterben zum Bewußtsein kommen und ihn erkennen würde.

      Da saß er nun und hörte die Fiebergespräche,

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