Die Löwenskölds - Romantrilogie. Selma Lagerlöf
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Читать онлайн книгу Die Löwenskölds - Romantrilogie - Selma Lagerlöf страница 37
Sie sah verwirrt zu ihm empor, als erwache sie aus einem Traum. Ja, gewiß, sie hatte geträumt, hatte im Schlaf gesprochen und im Schlaf ihre geheimsten Gedanken verraten. Sie erwiderte nichts. Glaubte sie, diese Fragen bedürften keiner Antwort?
»Ich frage dich, ob du meinst, ich solle Dompropst oder Bischof werden, weil du Schagerström abgewiesen hast?«
Nun stieg ihr die Röte in die Wangen. Aha, das Löwensköldsche Blut kam in Wallung! Doch noch immer würdigte sie ihn keiner Antwort.
Aber Antwort wollte er haben, Antwort mußte er haben.
»Hörst du nicht? Ich frage dich, ob du erwartest, daß ich Dompropst oder Bischof werden soll, weil du Schagerström abgewiesen hast?«
Sie warf den Kopf in den Nacken, ihre Augen blitzten. Im Ton tiefster Verachtung warf sie ihm hin: »Selbstverständlich!«
Nun stand er auf. Er wollte nicht länger neben ihr sitzen. Sein Schmerz über ihre Antwort war grenzenlos, aber er wollte das einem solchen Geschöpf, wie diese Charlotte es war, nicht zeigen. Doch wollte er sich auch nichts vorzuwerfen haben. Er machte noch einen Versuch, freundlich mit diesem verlorenen Weltkind zu sprechen.
»Liebe Charlotte, ich kann dir für deine Aufrichtigkeit nicht dankbar genug sein. Jetzt weiß ich, daß dir die äußere Stellung alles bedeutet. Ein tadelloser Wandel, ein treues Bestreben, in Christi, meines Meisters, Fußstapfen zu wandeln, hat für dich keinen Wert.«
Schöne und friedliche Worte. Er erwartete ihre Antwort mit Spannung.
»Lieber Karl Artur, ich glaube schon, daß ich deinen Wert richtig schätzen kann; auch wenn ich nicht vor dir katzbuckle wie die Weiber in der Gemeinde.«
Diese Antwort erschien ihm als richtige Grobheit, ihr Ärger machte sich Luft.
Charlotte stand auf, um ihrer Wege zu gehen. Aber er faßte sie am Arm und hielt sie fest. Diese Unterredung mußte zu Ende geführt werden.
Charlottes Äußerung über die Weiber in der Gemeinde hatte ihm Frau Sundler in Erinnerung gebracht. Er dachte an das, was sie ihm berichtet hatte, und dadurch wurde sein Zorn aufs neue angefacht. Es kochte in ihm.
Die Gemütsbewegung riß die Tür in seiner Seele auf, die in den Raum führte, worin die großen, starken Worte als Trauben an Ranken hingen. Nun begann er streng und vermahnend zu ihr zu reden. Er warf ihr ihre Weltliebe vor, ihren Hochmut, ihre Eitelkeit.
Aber Charlotte hörte ihm nicht lange zu.
»So minderwertig ich auch bin, so habe ich doch Schagerström abgewiesen«, erinnerte sie ihn in sanftem Ton.
Er entsetzte sich über ihre Schamlosigkeit.
»Großer Gott, was ist das für ein Weib!« brach er los. »Hat sie doch soeben erst bekannt, daß sie Schagerström nur abgewiesen hat, weil sie sich mehr davon versprach, mit einem Bischof verheiratet zu sein als mit einem Hüttenbesitzer!«
Während dieses ganzen Auftritts sprach in seiner Seele eine leise, besänftigende Stimme. Diese flüsterte ihm zu, er möge sich in acht nehmen. Ob er denn noch nie bemerkt habe, daß Charlotte Löwensköld eine von denen sei, die es verschmähen, sich zu rechtfertigen? Wenn jemand schlecht von ihr denke, so versuche sie es nie, ihm diese üble Meinung zu nehmen.
Aber Karl Artur hörte nicht auf diese leise besänftigende Stimme. Er glaubte ihr nicht. Charlotte enthüllte mit jedem Wort neue Tiefen der Niedertracht. Man mußte nur ihre Antwort hören!
»Lieber Karl Artur, reite doch nicht immer auf dem herum, daß ich sagte, du solltest höher hinauf. Es war doch nur Scherz. Ich glaube ja gar nicht, daß du es jemals zum Dompropst oder Bischof bringen kannst.«
War er schon vorher verletzt, empört, so mußte vor diesem neuen Ausfall die besänftigende Stimme schweigen. Das Blut brauste ihm in den Ohren. Seine Hände bebten. Diese Unglückselige raubte ihm alle Selbstbeherrschung. Sie machte ihn verrückt.
Er wußte, daß er vor ihr auf und nieder hüpfte. Er wußte, daß seine Stimme zum Geschrei wurde. Er wußte, daß er die Arme in die Luft reckte und daß sein Kinn zitterte. Aber er machte keinen Versuch, sich zu beherrschen. Er fühlte einen unbeschreiblichen Abscheu vor Charlotte, der sich nicht in Worte fassen ließ. Nein, er mußte sich in Bewegungen Luft machen.
»All deine Schlechtigkeit ist mir nun offenbar!« rief er. »Ich sehe dich so, wie du bist. Nie – nie – nie werde ich mich mit jemand verheiraten, wie du bist. Es würde mein Verderben sein.«
»In einigem bin ich dir aber doch von Nutzen gewesen«, erwiderte sie. »Du hast es doch nur mir zu danken, daß du Lizentiat und Doktor der Philosophie bist.«
Von nun an war es nicht mehr er selber, der ihr antwortete. Nicht, als ob er nicht gewußt hätte, was er sagte oder dachte, aber die Worte kamen doch überraschend und unerwartet. Ein anderer als er legte sie ihm auf die Lippen.
»Ei sieh!« rief er. »Nun will sie mich daran mahnen, daß sie fünf Jahre auf mich gewartet hat und ich infolgedessen gezwungen sei, sie zu heiraten. Aber es nützt nichts. Ich werde keine andere heiraten als die, so Gott selber für mich erwählt.«
»Sprich nicht von Gott!« mahnte sie.
Er erhob das Haupt und warf es zurück. Er schien in den Wolken zu lesen. »Ja, ja, ich will Gott für mich wählen lassen! Das erste ledige weibliche Wesen, das mir begegnet, soll meine Frau werden.«
Charlotte schrie auf. Sie eilte auf ihn zu.
»Aber Karl Artur, Karl Artur!« rief sie und versuchte, einen seiner Arme herabzuziehen.
»Komm mir nicht nahe!« schrie er.
Aber sie erfaßte nicht das Maß seiner Wut. Sie umschlang ihn mit ihren Armen.
Da hörte sie einen Laut des Abscheus seiner Kehle entsteigen. Seine Hände packten die ihrigen mit eisernem Griff und warfen das Mädchen auf die Moosbank zurück.
Dann stürmte er fort von ihr.
Das Mädchen aus Dalarne
Gleich beim ersten Male, als Karl Artur die Propstei von Korskyrka zu Gesicht bekam, wie sie da an der Landstraße lag, gleich einem Herrensitz unter hohen Linden, mit dem grünen Zaun, den ehrwürdigen Torpfeilern und der Gittertür, durch die man in den Garten mit seinem Rondell und den Kieswegen blicken konnte, mit dem langgestreckten, rotangestrichenen, zweistöckigen Wohnhaus in der Mitte, mit seinen beiden gleichgroßen Seitenflügeln, rechts dem des Vikars, links dem des Pächters, hatte er sich gesagt, gerade so müsse ein schwedischer Pfarrhof aussehen, traulich und einladend, feierlich und doch achtunggebietend zugleich.
Und später, als er den immer kurzgeschnittenen Rasen bemerkte, die wohlgeordneten Rabatten, auf denen alle Pflanzen gleich hoch waren und im gleichen Abstand voneinander standen, die hübsch geharkten Wege, den reinlich beschnittenen wilden Wein um die kleine Veranda, die langen Gardinen, die in hübschen geraden Falten an jedem Fenster hingen, hatte dies alles ihn mit dem gleichen Gefühl von Behagen und Würde erfüllt. Es war ihm, als müsse sich jeder, der in diesem Hof wohnte, verpflichtet fühlen, ein besonnenes, friedliches Leben zu führen.
Niemals hätte er sich träumen lassen, daß gerade er, Karl Artur Ekenstedt, eines Tages auf das