Die Löwenskölds - Romantrilogie. Selma Lagerlöf
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Читать онлайн книгу Die Löwenskölds - Romantrilogie - Selma Lagerlöf страница 38
Als die Gartentür hinter ihm ins Schloß fiel, lachte er wild auf. Er glaubte zu sehen, wie das Wohnhaus und die Blumenbeete ihn verwundert anstarrten.
»Hat man je so etwas gesehen? Was ist das für ein Mensch?« flüsterte es von Blume zu Blume.
Jawohl, die Bäume wunderten sich, der Rasen wunderte sich, der ganze Garten wunderte sich. Karl Artur hörte, wie sie sich verwunderten.
Konnte das der Sohn der charmanten Frau Oberst Ekenstedt sein, die die gebildetste Dame in ganz Värmland war und Gedichte machte, schöner als die von Frau Lenngren – konnte er es sein, der jetzt aus dem Pfarrgarten herausgerannt kam, als wolle er dem Reich des Bösen und der Sünde entfliehen?
Konnte das der stille, rücksichtsvolle, gemessene Vikar sein, der so schöne blumenreiche Predigten hielt, der nun mit roten Flammen auf der Stirn und wutverzerrten Zügen daherjagte?
Konnte es ein Geistlicher aus der Propstei von Korskyrka sein, in der so viele ehrbare und würdige Diener des Herrn gelebt hatten, der jetzt da vor der Gartentür stand, um auf die Landstraße hinauszugehen, fest entschlossen, das erste beste ledige weibliche Wesen zu heiraten, das ihm begegnete?
Konnte es der junge Ekenstedt sein, der eine so vornehme Erziehung erhalten und immer unter vornehmen Leuten gelebt hatte, der nun Gefahr lief, das erste beste Mädchen, das ihm in den Weg lief, zur Frau nehmen zu müssen? Wußte er nicht, daß es eine Schwatzbase, ein Faulpelz, eine dumme Gans, eine Giftnudel, eine Schlampe oder eine Dirne sein konnte, mit der er zusammentraf?
Wußte er nicht, daß er sich auf die gefährlichste Wanderung seines ganzen Lebens begab?
Karl Artur stand einen Augenblick an der Gartentür still und lauschte auf die Verwunderung, die von Baum zu Baum, von Blume zu Blume ging.
Jawohl, er wußte es, diese Wanderung war verhängnisvoll und gefährlich. Aber er wußte noch mehr: während dieses ganzen Sommers hatte er die Welt mehr geliebt als Gott. Er wußte, Charlotte Löwensköld war eine Gefahr für seine Seele gewesen, und er wollte zwischen ihr und sich eine Scheidewand aufrichten, die sie nie würde durchbrechen können.
Und er wußte noch weiter – in dem Augenblick, wo er Charlotte aus seinem Herzen riß, öffnete sich dieses wieder für Christum. Er wollte seinem Erlöser zeigen, daß er ihn ohne Maß und ohne Grenzen liebte und sich unbedingt auf ihn verließ. Darum wollte er jetzt auch Christus eine Frau für sich auswählen lassen. Es war ein großes, ein furchtbares Vertrauen, das er in ihn setzte und das er nun beweisen wollte.
Er hatte keine Angst, während er da an der Gartentür der Propstei stand und die Straße entlang schaute. Nein, er hatte keine Angst, aber eins fühlte er doch, nun bewies er den größten Mut, den ein Mensch zeigen konnte. Er bewies ihn, indem er sein Geschick ohne Vorbehalt in Gottes Hand legte.
Das letzte, was er tat, ehe er von der Gartentür wegging, war, ein Vaterunser zu beten. Und während des Gebetes wurde es still in ihm.
Auch seine äußere Ruhe kehrte zurück. Die heiße Röte schwand aus seinem Gesicht, und sein Kinn zitterte nicht mehr.
Als er nun anfing, dem Kirchdorf zuzugehen, wie er mußte, wenn er Menschen begegnen wollte, war er doch nicht ganz frei von Anfechtung.
Er war noch nicht weiter als bis zum Ende des Zaunes um die Propstei gekommen, als er auch schon stehenblieb. Der arme furchtsame Mensch in ihm war es, der ihn anhielt. Er dachte daran, daß er vor einer Stunde, als er vom Kirchdorf herkam, gerade an dieser Stelle dem tauben Bettelweib Karin Johannstochter in ihrem verschlissenen Schal, ihrem zerlumpten Rock und mit dem Bettelsack auf dem Rücken begegnet war. Sie war gewiß früher einmal verheiratet gewesen, aber schon seit vielen Jahren Witwe und konnte also unter die Ledigen gezählt werden.
Der plötzliche Gedanke, er könnte dieser Person begegnen, hatte ihn aufgehalten.
Aber er verhöhnte den armseligen, furchtsamen, sündigen Menschen, der in seiner Brust wohnte, weil dieser geglaubt hatte, er habe die Macht, ihn an der Ausführung seines Vorsatzes zu hindern, und so setzte er seine Wanderung fort.
Nach wenigen Sekunden hörte er Wagengerassel hinter sich. Gleich darauf fuhr ein Gefährt vorbei, das von einem prächtigen Renner gezogen wurde.
In dem Gefährt saß einer der mächtigen stolzen Grubenbesitzer dieser Gegend, ein Mann, der so viele Bergwerke und Eisenhämmer besaß, daß er an Rang Schagerström gleichgestellt wurde. An seiner Seite saß seine Tochter, und wenn er von der andern Richtung hergefahren gekommen wäre, so hätte der junge Geistliche sich gezwungen gesehen, seinem Gelübde entsprechend dem stolzen Mann ein Zeichen zum Anhalten zu geben, damit er um die Tochter hätte werben können.
Es war nicht leicht zu sagen, welchen Ausgang dieses Unternehmen genommen hätte. Ein Peitschenhieb übers Gesicht wäre nicht undenkbar gewesen. Der Grubenbesitzer Aron Månsson war gewöhnt, seine Töchter mit Grafen und Baronen, aber nicht mit Hilfsgeistlichen zu vermählen.
Aufs neue wurde dem armen sündigen Menschen, der in Karl Arturs Brust wohnte, angst und bange. Er riet ihm, umzukehren, die Sache sei doch allzu gefährlich.
Aber das neue tapfere Gotteskind, das ebenfalls in ihm wohnte, erhob seine jubelnde Stimme. Es freute sich, sein Vertrauen und seinen Gehorsam beweisen zu können.
Zur rechten Seite der Straße erhob sich ein steiler Bergrükken, dessen Hänge mit jungen Tannen, kleinen Birken und wilden Kirschbäumen bestanden waren. Durch das dichte Gestrüpp kam jemand daher und sang. Karl Artur konnte die Sängerin nicht sehen, aber die Stimme war ihm wohlbekannt. Sie gehörte der schlampigen Tochter des Gastwirts, die jedem Burschen nachlief. Sie war Karl Artur schon ganz nahe. Jeden Augenblick konnte es ihr einfallen, in die Landstraße einzubiegen.
Unwillkürlich trat Karl Artur leise auf, damit seine Schritte von der Sängerin nicht gehört würden. Er sah sich auch ab und zu nach einer Möglichkeit um, von dem Weg auf die Landstraße abzubiegen.
Auf der anderen Straßenseite lag eine Wiese, auf der eine Kuhherde graste. Aber die Kühe waren nicht allein, ein Mädchen war eben dabei, sie zu melken. Auch diese Person war Karl Artur nicht unbekannt. Es war die Stallmagd des Pächters der Propstei, groß wie ein Mann und mit drei unehelichen Kindern. Karl Arturs ganzes Sein und Wesen ward von Entsetzen ergriffen, aber ein Gebet zu Gott hinaufsendend ging er doch weiter.
Die Wirtstochter sang drin im Gehölz, die große Stallmagd war mit dem Melken fertig und schickte sich zum Heimgehen an, aber keine von beiden kam auf den Weg heraus. Karl Artur begegnete ihnen nicht, obgleich er sie sah und hörte.
Der arme sündige alte Mensch in ihm kam nun mit einem neuen Einwand. Er sagte zu ihm, vielleicht wolle Gott ihm diese beiden leichtsinnigen Frauen zeigen, nicht so sehr, um seinen Glauben und seinen Mut zu prüfen, sondern um ihn zu warnen. Vielleicht wolle er ihm zu verstehen geben, daß er töricht und leichtsinnig handele.
Aber Karl Artur brachte den schwachen, schwankenden Sünder in sich zum Schweigen und ging auf dem eingeschlagenen Weg weiter. Sollte er wegen so wenig nachgeben? Sollte er mehr an seine Angst als an Gottes Macht glauben?
Nun endlich kam ihm eine weibliche Person entgegen; dieser konnte er nicht ausweichen.
Obgleich sie noch in ziemlicher Entfernung war, erkannte er doch, wer es war, nämlich die Tochter des Häuslers Matt Elis, deren ganzes Gesicht durch ein Muttermal entstellt war. Und nicht genug, daß das arme Mädchen ein unbehagliches Aussehen hatte, nein, sie war auch vielleicht das ärmste Mädchen