Die Löwenskölds - Romantrilogie. Selma Lagerlöf

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Die Löwenskölds - Romantrilogie - Selma Lagerlöf

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hat er es uns gutwillig gegeben.«

      Der Mann brach in lautes Gelächter aus. »Ja, du bist gut«, sagte er. »Nein, das kannst du mir nicht weismachen, daß er es uns gutwillig gelassen habe. Er hatte eben nicht die Macht, uns daran zu hindern.«

      »Weißt du«, sagte seine Frau, »heute nacht bist du wirklich sehr tapfer gewesen. Es gibt gewiß nicht viele, die sich in das Grab zum General hinuntergewagt hätten.«

      »Ich habe nicht das Gefühl, daß ich etwas Unrechtes getan hätte«, sagte der Mann. »Von einem Lebenden habe ich nie auch nur einen Taler genommen; aber was könnte es schaden, einem Toten das zu nehmen, was er nicht mehr braucht?«

      Während sie so dahingingen, fühlten sie sich stolz und wohlgemut. Sie wunderten sich darüber, weil offenbar außer ihnen niemand auf diesen Gedanken gekommen war, und Bård sagte, er wolle, sobald sich nur eine Gelegenheit dazu biete, nach Norwegen fahren und den Ring dort verkaufen. Er meinte, er werde so viel Geld dafür bekommen, daß sie sich niemals mehr des Geldes wegen Sorgen zu machen brauchten.

      »Aber«, sagte die Frau und blieb plötzlich stehen. »Was sehe ich denn? Bricht denn der Tag schon an? Es sieht dort im Osten so hell aus.«

      »Nein, das kann noch nicht die Sonne sein«, entgegnete Bård. »Es muß irgendwo brennen, und es sieht aus, als sei es in der Olsbyer Gegend. Wenn es nicht ...«

      Ein lauter Schreckensruf seiner Frau unterbrach ihn. »Bei uns brennt es!« schrie sie. »Der Mellomhof brennt! Der General hat ihn angezündet!«

      Am Montagmorgen kam der Totengräber in größter Eile nach Hedeby, das ja ganz in der Nähe der Kirche liegt, um zu melden, daß sowohl er als auch der Maurer, der das Grab wieder zumauern wollte, der Ansicht seien, daß der Deckel auf dem Sarg des Generals schief liege und die Schilder und Sterne, die ihn schmückten, verschoben seien.

      Augenblicklich wurde eine Untersuchung vorgenommen. Jawohl, man sah gleich, in der Grabkammer herrschte allerlei Unordnung. Die Schrauben des Sarges waren gelockert, und als man den Deckel aufhob, sah man auf den ersten Blick, was geschehen war. Der Königsring war nicht mehr an seinem Platz auf dem linken Zeigefinger des Generals.

      Drittes Kapitel

      Ich denke an Karl XII. und suche mir klarzumachen, wie man ihn liebte und fürchtete.

      Denn ich weiß, einmal in den letzten Jahren seines Lebens kam er mitten unterm Gottesdienst in die Kirche zu Karlstadt.

      Er war allein und unerwartet in die Stadt geritten, und da er wußte, daß eben Gottesdienst war, ließ er das Pferd vor der Kirchentür stehen und ging wie jeder andere den breiten Weg durch die Vorhalle in die Kirche hinein.

      Sobald er eingetreten war, sah er jedoch den Prediger schon auf der Kanzel, und um ihn nicht zu stören, blieb er ruhig stehen. Er suchte sich nicht einmal einen Platz in einer Bank, sondern lehnte sich mit dem Rücken an den Türpfosten und hörte zu.

      Obgleich er aber so unbemerkt hereingekommen war und sich unter dem Dunkel der Empore ganz ruhig verhielt, erkannte ihn doch jemand, der in der hintersten Bank saß. Es war vielleicht ein alter Soldat, der in den Feldzügen Arm und Bein verloren hatte und von Poltawa heimgeschickt worden war; der sagte sich nun, dieser Mann mit dem hinaufgekämmten Haar und der Hakennase müsse der König sein. Und in dem Augenblick, als er ihn erkannte, stand er von seinem Sitz auf. Die Nachbarn in der Bank werden sich wohl gewundert haben, warum er aufgestanden war, und da flüsterte er ihnen zu, der König sei in der Kirche. Und siehe, unwillkürlich standen nun alle in der Bank auch auf, wie es so Sitte war, wenn Gottes eigne Worte vom Altar oder von der Kanzel verlesen wurden.

      Danach verbreitete sich die Neuigkeit von Bank zu Bank, und alle Menschen, ob jung oder alt, reich oder arm, der Schwache wie der Gesunde, alle miteinander erhoben sich.

      Dies geschah, wie gesagt, in einem der letzten Lebensjahre des Königs Karl, als die Sorgen und Mißerfolge schon angefangen hatten und es vielleicht in der ganzen Kirche nicht einen Menschen gab, der nicht durch des Königs Schuld lieber Anverwandter beraubt worden war und sein Vermögen eingebüßt hatte. Und wenn einer zufällig für sich selbst nichts zu beklagen hatte, so brauchte er ja nur daran zu denken, wie verarmt das ganze Land war, wie viele eroberte Landesteile verlorengegangen waren und wie das ganze Reich von Feinden umzingelt war.

      Aber doch, aber doch! Man brauchte nur jemand flüstern zu hören, daß der Mann, den man wieder und wieder verflucht hatte, hier drinnen im Gotteshaus stand, und schon erhob man sich von seinem Sitz.

      Und man blieb auch stehen. Niemand dachte daran, sich wieder zu setzen. Das konnte man nicht. Der König stand dort an der Kirchentür, und solange er stand, mußten die anderen auch stehen. Wenn sich jemand gesetzt hätte, wäre das ja Mißachtung gegen den König gewesen.

      Die Predigt würde vielleicht lange dauern; aber das müßte man eben ertragen. Man wollte den, der dort unten an der Kirchentür stand, nicht im Stich lassen. Er war ja eigentlich ein Soldatenkönig, und er war es gewöhnt, daß seine Soldaten gern für ihn in den Tod gingen. In der Kirche hier war er aber von einfachen Bürgern und Handwerkern umgeben, von gewöhnlichen schwedischen Männern und Frauen, die nie auf ein »Stillgestanden!« gehört hatten. Und doch brauchte sich der König nur unter ihnen zu zeigen, und sie waren sofort in seiner Gewalt. Sie wären mit ihm gegangen, wohin er nur immer wollte, sie hätten ihm gegeben, was er sich nur wünschte, sie glaubten an ihn, sie beteten ihn an. In der ganzen Kirche dankten alle Gott für den Wundermann, der Schwedens König war. Wie gesagt, ich versuchte mich da hineinzudenken, um zu verstehen, wie die Liebe zu König Karl die Seele eines Menschen ganz ausfüllen konnte, wie sie sich in einem strengen alten Herzen so festsetzen konnte, daß alle Menschen erwarteten, die Liebe werde auch noch nach dem Tode fortbestehen. –

      Wahrlich, nachdem es entdeckt worden war, daß jemand den Ring des Generals gestohlen hatte, verwunderte man sich im Kirchspiel Bro am meisten darüber, daß jemand den Mut zu dieser Tat hatte aufbringen können. Man glaubte, liebende Frauen, die mit dem Verlobungsring am Finger begraben worden waren, hätten die Diebe ohne Gefahr plündern können. Oder wenn eine Mutter mit einer Locke von dem Haar ihres Kindes zwischen ihren Händen im Todesschlummer gelegen hätte, dann hätte man sie ihr ohne Furcht entreißen können, oder wenn ein Pfarrer mit der Bibel als Kopfkissen in den Sarg gebettet worden wäre, dann hätte man sie wohl ohne Folgen für den Frevler rauben können. Aber den Ring König Karls XII. von dem Finger des toten Generals auf Hedeby zu rauben, das war ein Unterfangen – wie das ein von einem Weibe Geborener hatte wagen können, das konnte man durchaus nicht begreifen.

      Natürlich wurden Nachforschungen angestellt; aber sie führten nicht zur Entdeckung der Schuldigen. Der Dieb war im Dunkel der Nacht gekommen und gegangen, ohne eine Spur zu hinterlassen, die einen Fingerzeig hätte geben können.

      Und hierüber wunderte man sich wiederum. Man hatte ja von Verstorbenen gehört, die Nacht für Nacht umgegangen waren, den Täter eines viel geringeren Verbrechens anzugeben.

      Als man aber schließlich hörte, der General überlasse den Ring keineswegs seinem Schicksal, sondern er kämpfe um seine Wiedergewinnung mit derselben grimmigen Unbarmherzigkeit, die er an den Tag gelegt hätte, wenn ihm der Ring zu seinen Lebzeiten gestohlen worden wäre, da zeigte sich deswegen kein Mensch überrascht oder bestürzt. Niemand hegte irgendeinen Zweifel daran, denn das war es ja gerade, was man erwartet hatte.

      Viertes Kapitel

      Als der Ring des Generals schon mehrere Jahre verschwunden war, wurde der Propst von Bro eines Tages zu einem armen Bauern, namens Bård Bårdsson, auf die Olsbyalm gerufen, der im Sterben

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