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Als der Propst dies hörte, begann er in seinen Erinnerungen nachzuforschen. Bård Bårdsson war stets ein rechtschaffener Mann gewesen, zwar etwas einfältig, aber deshalb brauchte er sich doch auf seinem Sterbebett nicht zu ängstigen. Ja, nach Menschenweise gesehen, könnte der Propst sagen, er sei einer von denen, die eine Forderung an Gott zu stellen hätten. Während der letzten sieben Jahre war er von allen erdenklichen Leiden und Unglücksfällen heimgesucht worden. Sein Hof war ihm abgebrannt, das Vieh an Krankheiten eingegangen oder von wilden Tieren zerrissen worden, der Frost hatte seine Felder verheert, und er war zuletzt so arm wie Hiob geworden.
Schließlich war seine Frau über all das Unglück so verzweifelt gewesen, daß sie ins Wasser ging, und Bård selbst war auf eine Alm gezogen, die jetzt noch sein einziger Besitz war. Seit damals hatte weder er selbst sich in der Kirche blicken lassen noch seine Kinder. Im Pfarrhaus hatte man oft über das alles geredet und sich gefragt, ob die Leute wohl noch im Kirchspiel wohnten.
»Wenn ich deinen Vater recht kenne«, sagte der Propst, »hat er kein so schweres Verbrechen begangen, daß er es nicht dem Hilfsgeistlichen anvertrauen könnte.« Und dabei sah er Bård Bårdssons Tochter mit wohlwollendem Lächeln an.
Sie war ein vierzehnjähriges Mädel, aber groß und stark für ihr Alter. Ihr Gesicht war breit und hatte grobe Züge. Sie sah ein wenig einfältig aus wie der Vater auch, aber kindliche Unschuld und Aufrichtigkeit erhellten das Gesicht.
»Der hochwürdige Herr Propst hat doch wohl nicht Angst vor dem Starken Bengt und getraut sich deshalb nicht, zu uns zu kommen?« fragte sie.
»Was sagst du da, Kind?« entgegnete der Propst. »Wer ist denn dieser Starke Bengt, von dem du sprichst?«
»Ach, er ist es ja, der allein schuld daran ist, daß uns alles schiefgeht«, antwortete das Mädchen.
»Ach so«, versetzte der Propst, »ach so, es gibt also einen, der der Starke Bengt heißt?«
»Weiß denn der Herr Propst nicht, daß er den Mellomhof angezündet hat?«
»Nein, das hab ich noch nie gehört«, antwortete der Propst.
Zugleich aber stand er von seinem Stuhl auf und legte das Kirchenbuch und einen kleinen hölzernen Abendmahlskelch bereit, den er bei seinen Krankenbesuchen im Kirchspiel mitzunehmen pflegte.
»Er ist es auch gewesen, der meine Mutter ins Wasser gejagt hat.«
»Das war allerdings das Schlimmste von allem«, sagte der Propst. »Und lebt dieser Starke Bengt noch? Hast du ihn gesehen?«
»Nein, ich habe ihn nicht gesehen«, antwortete das Kind, »aber gewiß lebt er. Seinetwegen haben wir in den Wald und in die Einöde hinaufziehen müssen. Dort haben wir seither Ruhe vor ihm gehabt, bis zur vergangenen Woche; da hat Vater sich in den Fuß gehackt.«
»Und du meinst also, auch daran wäre der Starke Bengt schuld?« fragte der Propst mit der ruhigsten Stimme, während er zugleich die Tür öffnete und seinem Knecht zurief, er solle das Pferd satteln.
»Vater sagte, der Starke Bengt müsse die Axt verhext haben, sonst hätte er sich sicher nicht in den Fuß gehackt. Es war auch gar keine gefährliche Wunde; aber heute sagte der Vater, jetzt sei der kalte Brand in den Fuß gekommen. Er sagte, nun müsse er sterben, denn der Starke Bengt habe ihm jetzt den Garaus gemacht, und deshalb schickte er mich hierher in die Propstei, um den Herrn Propst zu bitten, er möchte selbst kommen, sobald es ihm nur möglich wäre.«
»Und ich werde auch kommen«, sagte der Propst. Er hatte, während er mit dem Mädchen sprach, den Reitermantel angezogen und den Hut aufgesetzt. »Ich kann aber durchaus nicht verstehen, warum dieser Starke Bengt deinem Vater so viel Böses antun sollte. Bård muß ihm wohl einmal etwas zuleid getan haben.«
»Ja, das leugnet Vater auch gar nicht«, erwiderte das Kind. »Aber er hat weder mir noch meinem Bruder je gesagt, worum es sich eigentlich handelt. Und ich glaube, das ist es, worüber er jetzt mit dem ehrwürdigen Herrn Propst reden will.«
»Ja, wenn es so ist«, sagte der Propst, »dann können wir nicht rasch genug zu ihm kommen.« Er hatte jetzt die Reithandschuhe angezogen und verließ mit dem Mädchen das Zimmer, um sich aufs Pferd zu setzen.
Während des ganzen Rittes zu der Alm hinauf sprach der Propst kaum ein Wort. Er dachte nur immerfort über das Merkwürdige nach, das ihm dieses Kind erzählt hatte. Er selbst war in seinem Leben nur mit einem Manne zusammengetroffen, den die Leute den Starken Bengt nannten. Aber es konnte ja sein, daß das Mädchen gar nicht von ihm, sondern von einem ganz andern Menschen gesprochen hatte.
Als er die Alm erreicht hatte, kam ihm ein junger Bursche entgegen. Es war Ingilbert, Bård Bårdssons Sohn. Er war ein paar Jahre älter als seine Schwester, hoch gewachsen wie sie und ihr auch in den Gesichtszügen ähnlich; aber er hatte tieferliegende Augen und sah nicht so freimütig und gutmütig aus wie sie.
»Das war eine weite Reise für den Herrn Propst«, sagte er, während er diesem vom Pferd half.
»O ja«, entgegnete der alte Mann, »aber es ist rascher gegangen, als ich gedacht hatte.«
»Eigentlich hätte ich den Herrn Propst holen sollen«, sagte Ingilbert; »ich bin aber noch spät am Abend beim Fischen draußen gewesen. Erst als ich vor kurzem heimkam, erfuhr ich, daß in Vaters Fuß der Brand ausgebrochen ist, und daß er nach dem Herrn Propst geschickt hat.«
»Märta hat ihre Sache so gut wie ein Mann gemacht«, sagte der Propst. »Alles ist gutgegangen. Aber wie steht es nun mit eurem Vater?«
»Er ist recht elend, aber bei klarem Bewußtsein, und er freute sich, als ich ihm sagte, daß der Herr Propst schon am Waldrand zu sehen sei.«
Der Propst ging nun zu Bård hinein, und die Geschwister setzten sich auf zwei breite Steinblöcke vor der Hütte und warteten. Sie fühlten sich feierlich gestimmt und redeten von ihrem Vater, der nun sterben würde. Sie sagten, er habe sich immer nur als gütiger Vater gezeigt. Aber glücklich sei er seit dem Tage, an dem der Mellomhof abbrannte, nie mehr gewesen, und so sei es wohl am besten, wenn er nun aus diesem Leben scheiden dürfe.
Da sagte die Schwester auf einmal, der Vater müsse doch etwas gehabt haben, was sein Gewissen schwer belaste.
»Er!« rief der Bruder. »Was sollte ihn denn bedrückt haben? Hat er denn gesagt, es sei da etwas, worüber er mit dem Propst vor seinem Tode noch reden wollte? Ich dachte, er hätte ihn nur rufen lassen, um das heilige Abendmahl zu empfangen.«
»Als er mich heute morgen fortschickte, sagte er, ich solle den Propst bitten, zu ihm zu kommen. Der Herr Propst sei der einzige Mensch auf dieser Welt, dem er seine große und schwere Sünde anvertrauen könnte.«
Ingilbert überlegte einen Augenblick, dann sagte er: »Das klingt ja sehr sonderbar. Ich möchte wissen, ob es nicht etwas sein kann, was er sich hier in der Einsamkeit eingebildet hat. Es ist gewiß damit, wie mit all dem andern, das er von dem Starken Bengt zu erzählen pflegt. Ich halte das alles nur für Einbildungen.«
»Gerade über den Starken Bengt wollte er mit dem Propst sprechen«, warf das Mädchen ein.
»Dann