Zukunftsflashs. Daniel Burrus
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Wie die Vortragsredner auf der Konferenz erklärten, sahen sich die Ingenieure nun mit der schwierigen Frage konfrontiert, wie die »Hurrikansicherheit« der milliardenschweren Giganten um das 25-fache erhöht werden könnte.
»Und das ist noch nicht einmal das größte Problem«, flüsterte mir mein Sitznachbar zu, der eine leitende Funktion bei einem Ölkonzern bekleidete. »Hurrikans sind furchtbar, das stimmt, aber sie sind nicht unbedingt unsere größte Sorge. Noch ist nichts dergleichen passiert, aber wir müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, Ziel eines Terroranschlags zu werden. Darauf sollten wir uns vorbereiten, die Frage ist nur, wie? Es ist ja schon schwierig genug, unsere Leute dort draußen vor den Naturgewalten zu schützen. Doch wie soll man sich auf offener See gegen gezielte Anschläge schützen?«
Eine heikle Frage, die bis zu diesem Zeitpunkt der Konferenz unausgesprochen im Raum stand. Der nächste Redner müsste dieses Thema endlich einmal auf den Tisch bringen. Wie der Zufall so spielte, war ich der nächste Redner, und meine Aufgabe bestand darin, den Leitvortrag der Konferenz zu halten. Ich beschäftige mich seit über 25 Jahren intensiv mit der strategischen Analyse und Nachverfolgung von wissenschaftlichen und technologischen Innovationen, um Trends zuverlässig zu prognostizieren und Unternehmen und andere Organisationen weltweit bei der Entwicklung kreativer, produktiver und zukunftsorientierte Strategien zu unterstützen.
Ich betrat die Bühne, ließ meinen Blick über das Publikum schweifen und verkündete: »Es gibt hier eindeutig ein Problem und ich möchte Ihnen eine Lösung vorschlagen: Senken wir die Bohrplattformen auf den Meeresgrund ab.«
Es war nicht weiter schwer, die Gedanken meiner Zuhörer zu erraten: Das Unmöglich! stand ihnen auf die Stirn geschrieben. Und ich konnte es ihnen nicht verübeln. Es klingt wirklich utopisch und vor zehn Jahren wäre es genau das gewesen. Der technologische Fortschritt macht jedoch möglich, was noch vor wenigen Jahren unmöglich war. Wir setzen heute Roboter ein, um im Weltall Reparaturen an Raumschiffen und im menschlichen Körper komplizierte, operative Eingriffe vorzunehmen. Auch auf dem Meeresboden werden Tiefseeroboter bereits für Forschungs- und Reparaturzwecke und verschiedene andere Arbeiten eingesetzt. Roboterbetriebene Unterwasser-Bohranlagen sind heute durchaus machbar – und wären effizienter, sicherer und unweltfreundlicher als die konventionellen Bohrplattformen.
Der grobe Plan, den ich mehr oder weniger spontan auf der Konferenz vorstellte, lautete wie folgt:
»Wie bisher wird die Bohrinsel oberhalb des Wasserspiegels errichtet und am Meeresgrund verankert. Im Unterschied zu jetzt könnte die Gesamtstruktur, vergleichbar mit einem Raketenträger, jedoch aus lösbaren Segmenten bestehen, sodass die Bohrvorrichtung mobil bleibt und von der Insel gelöst werden kann. Ist das Ölfeld erst einmal erschlossen, kann die mobile Bohrvorrichtung abgekoppelt und die Anlage auf den Meeresgrund abgesenkt werden. Die Mannschaft wird mitsamt der Bohrvorrichtung zum nächsten Ölfeld oder in den Hafen gebracht, zurück bleibt eine automatisierte, von Robotern betriebene und gewartete Förderanlage auf dem Meeresgrund.
Bekanntlich muss man aber erst Laufen lernen, bevor man größere Sprünge unternehmen kann. Daher wäre es natürlich sinnvoll, dies zuerst in flacheren Gewässern auszuprobieren, aber die meisten Ölfelder befinden sich ja sowieso in vergleichsweise geringer Tiefe. Und wenn der Prozess sicher und ausgereift ist, ließe er sich auch in der Tiefsee realisieren, sofern das dann überhaupt noch notwendig ist.
Die Belegschaft einer Bohrplattform besteht heutzutage größtenteils aus Hilfskräften, die zur Unterstützung der produktiv arbeitenden Minderheit angeheuert werden und dafür die monatelange Trennung von ihren Familien sowie unglaublich harte Arbeitsbedingungen auf sich nehmen. Im Lauf der Jahre haben Naturgewalten und Unfälle Hunderten von Arbeitern das Leben gekostet. Ein solches Flotel zu unterhalten ist mit astronomischen Summen und immensen persönlichen Opfern verbunden. Mit Robotern ließe sich die Belegschaft innerhalb kürzester Zeit auf ein absolutes Minimum beschränken, wodurch sich nicht nur die finanziellen Ausgaben, sondern auch das Risiko tödlicher Unfälle drastisch reduzierten.
Außerdem wäre es wesentlich sicherer für die Umwelt. Im Zuge des Hurrikans Katrina liefen etwa 30 bis 35 Tausend Tonnen Roh-öl ins Meer, fast ebenso viel wie aus der havarierten Exxon Valdez. So katastrophal die Umweltschäden eines solchen sichtbaren Ölteppichs natürlich sind, darf man nicht vergessen, dass auch unter Wasser Pipelines verlegt sind, die zusammengenommen eine Länge von 50 000 Kilometer ergeben, und dieses weitläufige Netz ist ebenfalls ein kritischer wunder Punkt. Durch die beträchtlichen Schäden, die Hurrikan Ivan 2004 an den Unterwasser-Pipelines anrichtete, liefen ungeheure Mengen an Öl ins Meer, die nicht an die Oberfläche gelangten. Mit unseren heutigen Mitteln sind Reparaturarbeiten an Unterwasser-Pipelines schwierig und kostspielig. Doch wenn wir in fortschrittliche Robotertechnik und tiefseetaugliche Elektronik investieren, um Ölbohranlagen auf dem Meeresboden zu betreiben, ist es nur noch ein kleiner Schritt, um auch die Unterwasser-Pipelines besser zu warten und somit sicherer zu machen.«
Das Interesse an dieser Idee nahm schlagartig zu, als es vier Jahre nach dieser Konferenz erneut zu einer verheerenden Katastrophe im Golf von Mexiko kam. Ausgelöst wurde sie weder von einem Hurrikan noch von Terroristen, sondern von der schlimmsten aller möglichen Ursachen: menschliches Versagen. Am 20. April 2010 kam es auf der Ölbohrplattform Deepwater Horizon zu einem sogenannten »Blowout« – dem unkontrollierten Austritt von Erdöl – und infolge dessen zu einer gewaltigen Explosion. Die Plattform geriet in Brand und da das Feuer nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte, versank sie nach zwei Tagen in einem Gewirr aus Leitungen, gebrochenen Rohren und Ventilen. Die durch den Untergang der Deepwater Horizon verursachte Ölpest gilt als die schwerste Umweltkatastrophe dieser Art und übertraf die Schäden der Exxon Valdez um ein Vielfaches.
Die Betreiber und Ingenieure suchten verzweifelt nach einer Lösung, um in 1500 Metern Tiefe das Hauptleck im abgeknickten Steigrohr abzudichten, aus dem das Rohöl austrat. Die tragische Katastrophe ist einer dieser klassischen Fälle, in denen man den mangelnden Weitblick im Nachhinein bitter bereut: Man hat es zugelassen, im Angesicht einer sich zuspitzenden Krise immer stärker in Zugzwang zu geraten, anstatt vorausschauend Maßnahmen zu ergreifen, mit denen sie sich verhindern oder doch zumindest unter Kontrolle hätte bringen lassen.
Im Zuge der späteren Untersuchungen wurden dem Mineralölkonzern BP, dem Betreiber der Deepwater Horizon, grobe Fahrlässigkeiten vorgeworfen. Zudem stellte sich heraus, dass die Nationale Aufsichtsbehörde auf die Ausarbeitung eines Notfallplans seitens BP verzichtet hatte, weil der Konzern angegeben hatte, ein »katastrophaler Blowout sei unmöglich«. Aber: Nichts ist unmöglich. Wie rückblickend klar wird, führte die Entscheidung, an allen Ecken und Enden Kosten einzusparen, zu einer Reihe folgenschwerer Fehler. Welche Faktoren spielten zusammen, dass sich dieses Unglück ereignen konnte?
Die Explosion und der anschließende Brand auf der Deepwater Horizon konnten sich nur oberhalb des Meeresspiegels ereignen; unter Wasser, auf dem Meeresgrund, wäre es nie dazu gekommen. Fakt ist, dass nahezu jede Ölpest auf Unfälle zurückzuführen ist, die sich über Wasser ereignen. Stellen wir uns einmal vor, die Deepwater Horizon wäre für den Unterwasserbetrieb auf dem Meeresgrund konzipiert gewesen. In diesem Fall wäre es sehr wahrscheinlich weder zu einer Explosion noch zu gebrochenen Rohren gekommen. Hätte man zudem rechtzeitig in wirkungsvolle Eindämmungs- und Säuberungsmethoden zur Bekämpfung von Ölteppichen sowie in geeignete Robotertechnik investiert (wie es beispielsweise in der Chirurgie und der Raumfahrttechnik der Fall ist), könnten die technischen Gerätsschaften zur Abdichtung eines Lecks – sollte sich ein derartiger Unfall tatsächlich ereignen – innerhalb weniger Tage vor Ort sein, bevor es zu einer Umweltkatastrophe gewaltigen Ausmaßes kommt. So aber dauerte es Monate, bis den Ingenieuren die Abdichtung