Persönlichkeit führt. Dietmar Hansch
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Auch hier gilt allerdings die unbequeme Konsequenz der Wegweiser-Metapher: Gehen müssen Sie den Weg schon selbst.
Doch das lohnt sich in vieler Hinsicht: Das Vorankommen hierbei steigert nicht nur das persönliche Glück, es schafft auch gute Voraussetzungen dafür, auf eine förderliche Weise mit anderen Menschen umzugehen – und das ist Säule Nr. 4.
4. Die Kunst der Mitarbeiterführung – das Aikido-Prinzip
Die unschönen Seiten unseres westlichen Umgangs miteinander zeigen sich im Box»sport«: Man blockt die Energie des anderen ab und versucht, diesen direkt und mit vollem Einsatz der eigenen Energie zu Fall zu bringen. Druck erzeugt hier Gegendruck. Der Energieeinsatz ist hoch und es geht viel kaputt.
Die Eigenenergie des Gegenübers nutzen
Demgegenüber kommt östliche soziale Intelligenz vollendet im Aikido zur Entfaltung. Aikido ist eine »sanfte« asiatische Kampfkunst, in der versucht wird, mit minimalem eigenem Einsatz eine maximale Wirkung zu erzielen. Die Angriffsenergie des Gegners wird dabei nicht durch eigenen Energieeinsatz gestoppt oder gebrochen. Sie wird vielmehr geschickt so umgelenkt, dass sie sich am Ende gegen den Angreifer selbst wendet. Wenn der Gegner etwa einen Faustschlag ausführt, zieht man ihn am Schlagarm, sodass er nach vorn aus dem Gleichgewicht gerät, und führt ihn dann im Halbkreis zu Boden.
Indirektes Führungshandeln
Dies ist ein ideales Modell für kluges Führungshandeln: so wenig und so indirekt wie möglich, dafür aber genau an den richtigen Stellen und zum richtigen Zeitpunkt in die soziale Selbstorganisation eingreifen – und auf diese Weise andere Menschen und Teams soweit es geht aus eigenem Vermögen ans Ziel kommen lassen.
Den Hintergrund hierfür bilden neben der Synergetik und dem (radikalen) Konstruktivismus vor allem die sogenannten »systemischen (Therapie-)Ansätze«.
1 Grundlagen – was Sie über Gehirn und Psyche wissen müssen
1.1 Flow – Surfen auf den Wellen des Seins
Flow als Generalschlüssel
Wenn man die Menschen fragt, was sie sich am meisten wünschen, kommen Antworten wie: Glück, Gesundheit, gelingende Beziehungen, Spontaneität, Kreativität und beruflicher Erfolg. Tatsächlich gibt es eine Art Generalschlüssel zu all dem: Flow. Wem es gelingt, oft und lange im Flow-Zustand zu leben, der hat die besten Chancen darauf, dass sich diese Wünsche erfüllen. Sie glauben mir nicht? Lassen Sie sich überzeugen. Was also ist Flow?
Flow-Erfahrungen
Zuerst vielleicht einmal ein paar beispielhafte Schilderungen von Flow-Erfahrungen, die von Mihaly Csikszentmihalyi (2004), dem geistigen Vater des Flow-Konzepts, gesammelt wurden:
So gab ein Chirurg zu Protokoll: »Bei einem guten operativen Eingriff ist alles, was man tut, wesentlich, jede Bewegung ist absolut richtig und notwendig; da ist Eleganz, nur wenig Blutverlust, minimales Trauma … Das ist sehr angenehm, vor allem wenn das Team reibungslos und effizient zusammenarbeitet.«
Der Dichter Richard Jones schilderte seine Empfindungen beim Schreiben so: »Ich habe das Gefühl, dass da Energie durchläuft und ich blockiere sie nicht und setze ihr nichts entgegen. Eine sehr intelligente Energie fließt durch den Körper, wenn man schreibt, und es ist die Energie, die sich konzentriert und umgesetzt wird, nicht der Geist. Flow tritt ein, wenn ich es dem Schreiber in mir nicht gestatte, sich ins Schreiben einzumischen. Und wie mische ich mich ein? Ich fange an nachzudenken.«
Und schließlich der Komponist Ralph Shapey: »Man ist in einem Zustand der Ekstase, und zwar so sehr, dass man das Gefühl hat, nicht zu existieren. Ich habe das immer wieder erlebt. Meine Hand scheint losgelöst von mir, und ich habe nichts mit dem zu tun, was geschieht. Ich sitze nur und beobachte, ehrfürchtig und staunend. Und die Musik fließt einfach von sich aus heraus.«
Flow literarisch
Eine sehr schöne Beschreibung des Flow-Zustandes in der Literatur fand Csikzentmihalyi in dem Roman Anna Karenina von Lew Tolstoi, wo der reiche Landbesitzer Lewin von seinem Leibeigenen Tit lernt, mit einer Sense Gras zu mähen:
»Lewin verlor jedes Bewusstsein der Zeit und wusste absolut nicht mehr, ob es spät oder früh war. In seiner Arbeit ging jetzt eine Veränderung vor sich, die ihm höchsten Genuss bereitete. Mitten in der Arbeit hatte er Augenblicke, in denen er vergaß, was er tat; es ward ihm leicht zumute, und in diesen Augenblicken war sein Streifen gerade so gleichmäßig und schön, wie Tits. Kaum aber besann er sich darauf, was er tat, und wollte sich Mühe geben, es besser zu machen, als er gleich die ganze Schwere der Arbeit fühlte und sein Streifen schlecht ausfiel … Und immer häufiger kamen jene Augenblicke des halb unbewussten Zustandes, in dem man nicht daran zu denken brauchte, was man tat. Die Sense mähte von selbst. Das waren glückliche Augenblicke.« (zit. n. Csikszentmihalyi 2004, S. 85)
Aus diesen und anderen Schilderungen lassen sich folgende Charakteristika des Flow-Erlebens herauskristallisieren:
Die Essenz der Flow-Erfahrung
• Alles geht leicht. Mit verhältnismäßig geringem Aufwand wird eine große Wirkung erzielt. Man muss sich nicht anstrengen, und wenn doch, dann wird die Anstrengung als angenehm und im Vergleich zur Aufgabe als gering empfunden.
Im Tun aufgehen
• Es läuft wie von selbst. Nicht ich handle, sondern »es« handelt. Man geht auf im Fluss des Seins, fühlt sich als Teil eines Prozesses, der größer ist als man selbst. Was geschieht, folgt nicht einer Planung unseres bewussten Ich. Es erwächst aus einer irgendwie dem Sein unmittelbar innewohnenden Entfaltungslogik. Das bewusste Ich wird ganz oder nahezu vom Gegenstand der Tätigkeit absorbiert. Man vergisst sich selbst und die Zeit.
• Es entstehen Empfindungen absoluter Sicherheit und absoluten Vertrauens, Gefühle der Freude und Harmonie, Gefühle des Einsseins mit der Welt.
• Alle angeborenen und gelernten Potenziale können sich optimal entfalten. Die Chancen auf hohe Leistung und Kreativität sind maximal.
Flow-Situationen
Elementarformen dieses Flow-Zustandes kann man relativ leicht bei einfachen Alltagsaktivitäten erleben, wenn man entspannt ist und sich voll auf die Empfindungen und Wahrnehmungen im Hier und Jetzt konzentriert: beim Gehen und Abwaschen, beim Bügeln oder Fensterputzen. Intensivere Flow-Erfahrungen aber macht man bei komplexen und schwierigen Tätigkeiten, sofern man sich die nötigen Kompetenzen angeeignet hat: beim Tanzen oder Musizieren, beim Sport oder Schachspiel, beim Schreiben eines Textes oder beim Nachdenken und Diskutieren über Mathematik oder Philosophie, beim Halten eines Vortrags oder bei der Leitung einer Konferenz.
Wichtige Fragen sind: Wie wäre es, wenn wir