Persönlichkeit führt. Dietmar Hansch
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Ein zweistufiger Prozess: Wir erarbeiten uns unter Führung des Vernunftauges in pragmatischer Einstellung die Teilbewegungen und fügen diese dann unter Führung des Synergieohres in ästhetischer Einstellung zu einem harmonischen Ganzen zusammen.
Beispiele
Diese Form der Zusammenarbeit gibt es in ähnlicher Form in der Wahrnehmung und im Denken: Ein Komponist »bastelt« unter Verwendung seines theoretischen Wissens mit dem Vernunftauge bestimmte Akkorde. Zwischendurch aber wechselt er immer wieder einmal in eine ästhetische Einstellung, um mit dem Synergieohr zu erspüren, ob sie sich zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen. Ein Physiker rechnet mit dem Vernunftauge an bestimmten Teilproblemen herum und befragt zwischendurch sein Synergieohr, ob ihn die Teilschritte hin zu einer stimmigeren, »schöneren« Gesamttheorie führen (er befragt seine »Intuition«). Überall, wo hochkomplexe Entscheidungen unter Zeitdruck getroffen werden müssen, spielen diese integrierend-ganzheitsbezogenen Intuitionen eine zentrale Rolle, insbesondere bei Führungsentscheidungen in Wirtschaft oder Politik.
Übrigens hat auch jede einfache Alltagstätigkeit vom Gehen bis zum Fensterputzen eine ästhetische Seite. Wenn wir uns nicht durch alle möglichen »Zwänge« unter Spannung setzen (lassen), uns auf das Hier und Jetzt konzentrieren und wirklich achtsam für unsere Empfindungen sind, lässt sich auch solchem Tun Genuss entlocken. In der Folge kann man auch dabei einfache Flow-Erfahrungen machen.
Fazit
So leistet also das Vernunftauge die punktuelle Kontrolle/Bewertung der Teile und das Synergieohr die globale Kontrolle/Bewertung des Ganzen.
1.4 Das Selbst
1.4.1 Natürliche Potenziale: Psychoneurale Selbstordnungskräfte
Unflexible Computer
Wenn ich Sie jetzt fragen würde »Wie arbeitet das Gehirn?«, würden wahrscheinlich einige von Ihnen antworten: Na, vielleicht so ähnlich wie ein Computer. Ich muss Sie enttäuschen – kaum eine Antwort könnte falscher sein. Computer müssen gebaut und programmiert werden. Sie folgen starren Regeln, machen in standardisierter Form immer das Gleiche. Wenn sie doch einmal etwas tun, was nicht vorbestimmt ist, dann sind sie meist kaputt.
Kreatives Gehirn
Das Gehirn ist das genaue Gegenteil davon. Hier entsteht ständig Neues: Jede Bewegung, jeder Gedanke und jede Wahrnehmung, die Ihnen bewusst wird, hat eine völlig neue Struktur, die es so vorher noch nie gegeben hat und auch nie wieder geben wird. Das Gehirn ist aus sich heraus kreativ. Es nutzt dafür die Kräfte der Selbstorganisation, die der Materie unter bestimmten physikalischen Rahmenbedingungen innewohnen.
Aus dem Zueinander von Zufallsvariationen, Selektionsprozessen und bestimmten »Gesetzen des Zusammenwirkens« entstehen aus einem »freien Spiel der Kräfte« neue Strukturen in unserer Welt.
Abb. 1: Beispiel für Selbstorganisation in der Wahrnehmung
Chaotischer Suchprozess
Abbildung 1 vermittelt Ihnen einen kleinen sinnlichen Eindruck vom Wirken der psychoneuralen Selbstordnungskräfte in unserem Gehirn. Einem fluktuierenden Wabern gleich, tastet unser Sehsystem das Reizmuster auf der Suche nach einer sinnvollen Deutung ab. Allerdings lässt dieses Reizmuster viele Deutungen in Form großer und kleiner Rosetten zu, sodass dieser chaotische Suchprozess nicht zur Ruhe kommt. Wir erleben ein vom Zufall mitbestimmtes Herumprobieren, wie wir es aus dem praktischen Handeln und dem theoretischen Lösen von Problemen in ähnlicher Weise kennen (und wie es zugleich Maschinen und Computern völlig wesensfremd ist).
Selbstorganisation als Elementarschritt der Evolution
Selbstorganisationsprozesse dieser Art sind die universellen schöpferischen Kräfte, die überall in Natur, Psyche und Gesellschaft wirksam sind. Sie bilden die Elementarschritte, die auch die komplexeren Evolutionsprozesse in unserem Universum vorantreiben – etwa die Darwin’sche Evolution, welche die biologischen Arten und die Strukturen unseres Körpers geschaffen hat, aber auch die soziokulturelle Evolution, welche die Strukturen der Gesellschaften und die geistigen Inhalte der Kulturen erzeugt.
Synergetik: Die Lehre vom Zusammenwirken
Derartige Selbstorganisations- und Evolutionsprozesse in komplexen Systemen werden von der modernen Natur- und Systemwissenschaft seit einem Vierteljahrhundert intensiv erforscht. Führend ist hier die Synergetik, die sich speziell auch mit Selbstorganisationsprozessen im Gehirn beschäftigt hat. Diese »Lehre vom Zusammenwirken« wurde von dem bedeutenden deutschen Physiker Hermann Haken begründet. Auf diesem Fundament aufbauend habe ich dann in Zusammenarbeit mit anderen die Psychosynergetik entwickelt. Im Rahmen dieses Buches kann allerdings auf die wissenschaftlichen Einzelheiten nicht weiter eingegangen werden. Sollten Sie sich dafür interessieren, empfehle ich Ihnen weiterführende Bücher (Haken 1995, Haken u. Haken-Krell 1997, Hansch 2004).
Das Potenzial der Selbstorganisation ist immer verfügbar
An dieser Stelle sollte lediglich eines deutlich werden: Unser Selbst ist untrennbar eingebunden in die Evolution unseres Universums. Die universellen schöpferischen Kräfte der Natur wirken auch in unserem Körper und unserer Psyche. Sie sind unverlierbar präsent und immer verfügbar, wenn wir sie nicht im Stress blockieren. Das Wissen darum kann eine wichtige Basis unseres Verbundenheitsgefühls mit der Natur und eine Stütze für unser Selbstvertrauen werden.
1.4.2 Angeborene Potenziale: Erbantriebe
Wie sich Instinkte bei uns zeigen
Wenn Sie völlig freie Wahl hätten und alle Möglichkeiten dieser Welt – wo würden Sie sich wohl Ihr Traumhaus bauen lassen? Mitten hinein in einen dichten Wald? Sicher nicht. Die meisten würden wohl so oder ähnlich antworten: auf einem hohen Berg mit Weitblick über Gewässer und gegebenenfalls einer Felswand im Rücken. Entsprechend sind dies auch die teuersten und gefragtesten Immobilienlagen. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, warum das so ist? Die Antwort: Für unsere Vorfahren waren das die sichersten Plätze – Wasser und Felswand boten Schutz und die Höhe erlaubte es, herannahende Feinde rechtzeitig zu erkennen. Da unsere entfernten Vorfahren noch nicht über Einsicht und Denken verfügten, musste sich ein Instinkt entwickeln, der sie an solche sicheren Plätze trieb und ihnen dort positive Gefühle bescherte.
Bewältigung der Überlebensprobleme unserer Vorfahren