Persönlichkeit führt. Dietmar Hansch
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Eifersuchtsantrieb
Egoistische Gene
Natürlich wäre es für unsere Gene, die nur an ihrer eigenen Ausbreitung interessiert sind, fatal, wenn unsere materiellen Ressourcen an fremde Kinder mit fremden Genen »verloren« gingen, anstatt dem Überleben unserer eigenen Kinder zu dienen. Deshalb pflanzten uns unsere Gene die Eifersucht ins Herz: Die Eifersucht des Mannes soll verhindern, dass er nach einem unbemerkten Seitensprung seiner Frau irrtümlich die Kinder eines fremden Konkurrenten durchfüttert. Die Eifersucht der Frau soll vermeiden, dass ihren Kindern die Ressourcen und der Schutz des Vaters verloren gehen, sollte er sich dauerhaft einer Geliebten zuwenden.
Fürsorge- und Kooperationsantrieb
Vor allem bei Verwandtschaft und Gegenleistung
Viele überlebenswichtige Aufgaben schultern sich gemeinsam besser als allein, zum Beispiel die Aufzucht der Kinder oder die Jagd auf große Tiere. Um die entsprechenden wechselseitigen sozialen Verhaltensweisen in der Familie beziehungsweise in der Steinzeithorde sinnvoll aufeinander abzustimmen, mussten sich komplizierte Systeme erblicher Empfindungen und Verhaltensimpulse entwickeln. Zu ihnen zählen zum Beispiel: Empfindungen und Verhaltensweisen der partnerschaftlichen und elterlichen Liebe und Fürsorge, Verhaltensweisen der Kinder, die elterliche Zuwendung erzeugen (z.B. herzergreifendes Weinen), Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, Bedürfnisse nach sozialen Beziehungen und Geborgenheit in einer Gruppe, Dankbarkeit sowie Schuld- und Schamempfinden.
Auch dieser Antrieb ist leider nicht frei von »genetischem Egoismus«: Es gibt nachweislich Tendenzen, die Hilfe auf genetisch Verwandte zu beschränken, die ja quasi einen Teil der eigenen Gene als Kopie in sich tragen (Geschwister beispielsweise haben zu 50 Prozent übereinstimmende Gene). Außerdem richtet sie sich noch an gut bekannte Hordenmitglieder, von denen man Gegenleistungen erwarten kann, nach dem Prinzip »Wie du mir, so ich dir«. Tiere, Kinder und auch Erwachsene können gegenüber Fremden und Ausgestoßenen recht kalt und grausam sein.
Gerechtigkeitsempfinden
Gleichwohl ist in diesem Kontext wohl ein Gefühl für die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung entstanden. Dieser »Reziprozitätsinstinkt«, der auf gleichwertigen Austausch drängt, ist sicher eine wichtige Basis unseres Fairness- und Gerechtigkeitsempfindens.
Aggressionsbereitschaft
Wut bei Widerstand
Die Erbgefühle Ärger und Wut, unter Umständen verbunden mit der Ausübung von Gewalt, werden ganz allgemein ausgelöst, wenn unser Verhalten auf Widerstände trifft. Dies können Gegenstände sein wie ein Baumstamm auf dem Wege oder ein eingerostetes Schloss, aber auch Lebewesen: ein angreifender Hund oder ein Mitmensch, von dem wir glauben, dass er uns in irgendeiner Weise behindert oder uns Böses will.
Angstantrieb
Urängste
Werden der Widerstand oder die Bedrohung aber zu groß, entstehen Angst und Fluchtbereitschaft. Für Gefahrensituationen, denen bereits unsere Vorfahren häufig ausgesetzt waren, tragen wir eine angeborene Angstbereitschaft in uns. Dies betrifft vor allem die folgenden Dinge beziehungsweise Situationen:
• große Höhen
• Feuer
• Raubtiere
• Blut
• Schlangen
• Insekten
• tiefes Wasser
• Unwetter
• Dunkelheit
• große Entfernung zum schützenden Heim
• enge Räume ohne Ausgang
• viele Menschen, die uns (vermeintlich) anstarren (und damit vielleicht zum Ausdruck bringen, dass wir zu den Ausgestoßenen gehören).
Stressreaktion
Körperliche Symptome
Neben Gefühlen und Verhaltensweisen entspringen unseren Erbantrieben auch immer charakteristische körperliche Reaktionen. Die Körperreaktionen, die durch den Aggressions- und den Angstantrieb ausgelöst werden, bezeichnen wir als Stressreaktion. Sie soll uns auf die großen muskulären Anstrengungen vorbereiten, mit denen sowohl Kampf als auch Flucht verbunden sind. In erster Linie müssen hierfür Atmung und Kreislauf »angekurbelt« werden, um die Muskeln mit »Brennmaterial« und Sauerstoff zur Energieerzeugung zu versorgen. Wir empfinden plötzlich Luftknappheit und Enge im Brustkorb, was uns zu tiefem und schnellem Atmen anhält; das Herz beginnt zu jagen, der Blutdruck steigt und die Muskelspannung erhöht sich.
Andere Organsysteme werden in ihrer Leistung heruntergeregelt, weil ihre Funktion in der unmittelbaren Notsituation nicht gebraucht wird. Dies betrifft das Verdauungssystem: Mundtrockenheit, Blähungen oder auch der Drang, Darm und Blase zu entleeren, können die Folge sein. Der Sexualantrieb wird verständlicherweise gedämpft, aber auch das Immunsystem wird »heruntergefahren«: Mit Fieber kämpft oder flieht es sich nicht gut. Für die Beseitigung der Wundbakterien – bei der das Fieber hilft – ist noch Zeit, wenn man die schutzgebende Höhle erreicht hat.
Psychische Symptome
Auf der psychischen Ebene erleben wir natürlich die von den genannten Antrieben erzeugten Erbgefühle: Ärger und Wut in dem einen Fall oder Angst und Furcht in dem anderen. Es kommt zu einer Konzentration aller Funktionen und Energien auf die Auslöser des Aggressions-beziehungsweise Fluchtantriebs. Wir erleben dies als »mentale Einengung« oder »Tunnelblick«: Das Bedrohliche nimmt unseren gesamten Wahrnehmungshorizont ein und verdrängt alle anderen Aspekte der Situation. Die höheren psychischen Funktionen – sachliches und systematisches Nachdenken – sind gestört oder abgeschaltet. War dies in den körperlichen Bedrohungssituationen unserer Vorfahren ein Vorteil, so schlägt uns das in Konfrontation mit den überwiegend geistigen Problemanforderungen unserer Zeit zum Nachteil aus: Wir verlieren schnell den Überblick, unser Verhalten wird hektisch. Die Chancen, unsere Probleme zu lösen, sinken dadurch noch mehr, was in einem Teufelskreis den Stress nur weiter verstärkt.
Dauerstress ist ungesund
Chronischer Stress, der nicht ausreichend von Phasen der Entspannung abgelöst wird, kann auf vielfältige Weise zu Gesundheitsstörungen führen. Da die mobilisierte Energie nicht mehr körperlich abgebaut wird, entstehen Bluthochdruck und als Folge davon Verengungen der Blutgefäße