Persönlichkeit führt. Dietmar Hansch
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Die möglichen Folgen
Um Frust zu kompensieren und sich ein falsches und trügerisches Entspannungsgefühl zu verschaffen, werden ungesunde Verhaltensweisen entwickelt: zu hoher Konsum von Tabletten, Alkohol und Drogen oder übermäßiges Essen. Oft resultiert daraus Übergewicht, was dann zum sogenannten »Metabolischen Syndrom« führen kann: Der Gehalt des Blutes an Zucker, Fett und Harnsäure steigt (die möglichen Folgen: Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörung, Gicht). In Verbindung mit dem Bluthochdruck werden hierdurch die Schäden an den Blutgefäßen und die genannten Herz-Kreislauf-Erkrankungen erheblich verschlimmert.
Darüber hinaus kann es bei chronischem Stress zu funktionellen Störungen vieler Organsysteme kommen sowie zu einer erhöhten Infektanfälligkeit. Aber auch psychische Probleme werden durch Dauerüberlastung gefördert. Das durch den Tunneleffekt eingeengte Denken verfängt sich leicht in den Teufelskreisen negativistischen Grübelns und erzeugt so Angststörungen oder Depressionen.
Macht-, Status- und Kontrollantrieb
Wo immer Tiere in Gruppen zusammenleben, kommt es zur Herausbildung sozialer Strukturen, aus denen sich so etwas wie eine Rangordnung ergibt. Geradezu sprichwörtlich geworden ist die »Hackordnung« der Hühner: Alle kämpfen reihum miteinander und fortan gehen die Unterlegenen den Siegern aus dem Weg. Das trägt entscheidend dazu bei, das soziale Leben möglichst »reibungsfrei« zu organisieren.
Hohe Rangposition: gute Chancen für viele Nachkommen
Aus Sicht des Einzelindividuums dient es der Ausbreitung der eigenen Gene, nach einer möglichst hohen Rangposition zu streben. Ranghohe haben einen besseren Zugriff auf attraktive Sexualpartner zur Zeugung von Nachkommen und auf materielle Ressourcen, um diese dann auch »durchzubringen«. Im Prinzip trifft dies auch auf uns Menschen zu: Aus dem Harem des marokkanischen Kaisers Mulai Ismail des Blutrünstigen etwa gingen an die 900 Kinder hervor. Bei vielen Menschen ist das Streben nach einem hohen Sozialstatus, der Wunsch, »Karriere« zu machen, sehr ausgeprägt – insbesondere bei manchen Männern ist es das Lebensthema schlechthin.
Besitzstreben
Auch das Besitzstreben ist teilweise durch den Drang nach gesellschaftlichem Aufstieg und Macht motiviert: Reichtum verschafft sozialen Einfluss und Luxusgüter können als Statussymbole dienen, die den hohen sozialen Rang nach außen kenntlich machen (z.B. der Ferrari vor der Tür oder die Rolex am Handgelenk). Die entsprechenden Erbgefühle aus diesem Komplex von Antrieben sind beispielsweise: Machtgier und Kontrollwünsche, Stolz, Neid (es spornt uns an, wenn Konkurrenten an uns vorbeiziehen) und Schadenfreude (die uns dazu drängt, den Konkurrenten »eins auszuwischen«).
Bereitschaft zur Unterordnung (bei Misserfolg)
Die Überlebens strategie der Schwachen
Für Individuen, die infolge mangelnder Begabung keine Chance haben, in der Konkurrenz um hohe Rangplätze erfolgreich zu sein, stellt sich die Situation anders dar. Anstatt sich in aussichtslosen Kämpfen zu erschöpfen, ist es sinnvoller, die eigenen Chancen dadurch zu verbessern, dass man sich den Beistand der Mächtigen etwa durch Anbiederung sichert.
Moralisch zweifelhafte Gefühle sind normal
Sollten Sie also die beschriebenen Erbgefühle und Verhaltensneigungen bei sich spüren – akzeptieren Sie das und bekennen Sie sich dazu. Sie verhindern damit, dass es Ihnen geht wie den Patienten von Sigmund Freud im 19. Jahrhundert. Damals waren die Moralnormen, vor allem bezogen auf die Sexualität, derart streng und rigide, dass sich viele Menschen ihre natürlichen Wünsche auf diesem Gebiet nicht eingestehen mochten. Eine so massive Verleugnung der eigenen Natur konnte nicht gutgehen und trug zu einer Vielzahl psychosomatischer Beschwerden bei.
Sie sind heute in einer bedeutend besseren Situation. Zum einen sind Moralnormen heute sehr viel laxer. In jeder Talkshow kann man entspannt über die bizarrsten sexuellen Praktiken plaudern und es gilt das Motto: Gute Menschen kommen in den Himmel und schlechte schaffen es überall hin (in Abwandlung eines bekannten Buchtitels). Zum anderen wissen Sie, was zu Zeiten Sigmund Freuds noch nicht so klar war: Die Erbantriebe, Ihre »Natur«, das ist nur eine Seite Ihrer Persönlichkeit. Es gibt noch eine andere, wichtigere Seite, die von kulturellen Inhalten bestimmt ist. Es liegt in Ihrer Hand, kulturell geprägte Antriebe und entsprechende Motivationen zu entwickeln, die stärker sind als Ihre Erbantriebe.
Eine entwickelte Persönlichkeit zeichnet sich nicht dadurch aus, dass sie keine negativen Impulse hat. Vielmehr ist sie sich ihrer negativen Seiten bewusst und zeigt einen souveränen Umgang damit: Man kann negative Impulse ausleben, wenn es niemandem weh tut, man muss sie willentlich unterdrücken oder durch kulturelle Motivationen aufwiegen, sobald Schaden daraus entsteht.
Erbgefühle akzeptieren
Sollten Sie also Aggressionen, Neid, Schadenfreude oder Ähnliches bei sich spüren (auch bezogen auf Angehörige oder Freunde), gestehen Sie sich das ein – das alles ist völlig normal. Fast alle Menschen haben derartige Impulse, ob sie nun darüber reden oder nicht. Ererbte Regungen dieser Art gehören unabänderlich zu unserer Natur.
Detailliertere Besprechungen unserer Erbantriebe finden Sie in der Literatur zur Evolutionspsychologie und Psychosynergetik (Buss 1994, 2004, Hansch 2004, 2006).
1.4.3 Gelernte Potenziale: Flow-Antriebe
Gottlob jagen wir Menschen nicht mehr ausschließlich den Motiven unserer Erbantriebe hinterher. Wir sind mehr als nur die Marionetten unserer Gene. Es geht uns nicht mehr nur um Sex, Völlerei, Macht oder den Schlüssel zu all dem: Geld.
Das Leben vieler Menschen wird teilweise oder sogar überwiegend von primär kulturellen Motiven geprägt. Forscher basteln mit Begeisterung an wissenschaftlichen Theorien, Schriftsteller, Maler oder Komponisten nahmen für ihre künstlerische Besessenheit Hunger und andere Entbehrungen auf sich, und politische Aktivisten ließen gar für politische Ideale ihr Leben.
Wie kann man das nun wieder erklären?
Motivation aus kulturellen Inhalten
Nun, Leben ist Lernen. Mehr oder weniger gezielt formen wir ständig neues Wissen und neue Kompetenzen in unser Selbst hinein (»Gedächtnisbildung«). Sobald wir diese Inhalte mit einer gewissen Meisterschaft handhaben, spricht unser Synergieohr auf sie an: Wir empfinden während des Tuns eine motorische und /oder mentale Funktionslust und geraten oft in Flow. Wenn diese perfekt beherrschten Inhalte eine gewisse Komplexität überschritten haben, dann kann aus ihnen ein eigenständiges Bedürfnis, ein eigenständiger Antrieb erwachsen, der darauf gerichtet ist, diese Inhalte im Tun öfter zu aktivieren und immer weiter auszubauen. Wer gelernt hat, mit drei Bällen zu jonglieren, der bekommt Lust, auch einen vierten und fünften Ball mit ins Spiel zu nehmen. Wer über die Anfangsgründe des Klavierspiels hinausgelangt ist, möchte sich immer neue Stücke seiner Lieblingskomponisten aneignen. Bei einem Physiker, der die wichtigen Teilgebiete der Physik beherrschen gelernt hat, entsteht wie von selbst der Wunsch, sie durch die »Weltformel« zusammenzufassen.