No such Future. Friederike Müller-Friemauth

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No such Future - Friederike Müller-Friemauth Dein Business

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diesem Unterkapitel erfahren Sie,

      ∎ wie Trendreportagen argumentativ »funktionieren«,

      ∎ wie die Zunft ihre Spielgemeinschaft absichert

      ∎ und wie einige Konsequenzen dieses abgekarteten Spiels aussehen.

      Wie interpretiert die Trendreportage das Denkmodell Zahlen, Daten, Fakten? Wie baut sie es in ihre Zukunftsperspektiven ein? Und welche (Heils-)Angebote bietet sie ihren dynamisch-flexiblen Abnehmern?

      Die Kreative Klasse: Musterbeispiel für die Funktionsweise von populärer Trendforschung

      Um das zu zeigen, beleuchten wir einen »Trend« genauer. Eine Trendreportage, die einen bemerkenswerten Siegeszug in vielen westlichen Ländern hinter sich hat: den Aufstieg der Kreativen Klasse.

      Der Begriff tauchte schon 1997 in Großbritannien auf und wurde vom Strategieteam des »Spezial-Demokraten«, dem »New Socialdemocrat« Tony Blair, missbraucht für eine angeblich »soziale« Politik, die den außer Rand und Band gestellten Markt »begleiten« sollte. Aufbereitet und zu einer Trendzielgruppe verdichtet wurde die Kreative Klasse allerdings erst vom amerikanischen (Stadt-)Soziologen und Ökonomen Richard Florida.

      Wirtschaft »Kreativ«

      Das Buch von Richard Florida »The Rise of the Creative Class« erschien 2002 in den USA. Eine deutsche Version gibt es bis heute nicht. Der Popularität der Thesen hierzulande hat das allerdings nicht geschadet. Der Autor ist Dozent an der University of Toronto, lehrt an einer Business School und berät Politiker, Kommunal- sowie Regionalverwaltungen.

      »Ich mache keine Versprechungen. Ich verspreche Resultate!«

      JOE ROYLE, Manager u. a. bei Manchester City und Everton

      Der von ihm ausgemachte Trend kreist um die kreative Leistung von Menschen. Diese sei der wichtigste Faktor für Standortprosperität und Wirtschaftswachstum im 21. Jahrhundert. Das Fantastische daran: Jede und jeder besitzt dieses kreative Potenzial! Gut – das meinte auch schon Joseph Beuys. Aber Richard Florida entfaltet diese Überzeugung speziell mit Blick auf ihre ökonomischen Konsequenzen. Das Potenzial eines jeden zu heben und wirtschaftlich nutzbar zu machen, sei die Überlebensfrage und strategische Aufgabe der »Wissensgesellschaft«. Neue Arbeitsformen, erhöhte Flexibilität, flache Hierarchien und die hohe Partizipation der Angestellten ließen das zur Notwendigkeit werden.

      Pros und Cons

      Ob dieser »Megatrend« richtig oder falsch ist, sei dahingestellt. Richard Floridas Position ist einerseits frenetisch gefeiert worden. Etwa von denen, die sofort einen epochalen Wandel der Arbeitswelt ausriefen: Schließlich verdienten Agenturen, Akteure der Kommunikations- und Medienbranche oder wissensvermittelnde Dienstleister doch heute schon ihr Geld mit kreativen und konzeptionellen Tätigkeiten. (In Deutschland stünde dafür die Digitale Bohème20 – sesshaft vornehmlich in Berlin …)

      Andererseits hagelte es Kritik. Vor allem von empirischen Sozialforschern. Die schöne neue Welt der Freepreneure habe eine ganze Menge unschöner Seiten: Was sei denn das für eine Große-Freiheit-Nr. 7, wenn die Mehrzahl der Hyper-Kreativen zum sogenannten Prekariat gehörten – mit unsicheren Arbeits- und Einkommensverhältnissen? Sich als Ich-AGs durchschlügen – ohne soziales Netz, bei hoher Konkurrenz und erheblichem Armutsrisiko?21

      Die Wahrheit liegt bekanntlich, rehhagelisch gesprochen, »aufm Platz«. Auf welchem, soll uns hier nicht weiter interessieren. Richard Floridas Bestseller verdient vielmehr deshalb Beachtung, weil er verdeutlicht, wie so etwas »funzt«: Trendreportage – mit eindeutiger Schieflage …

      Fallrückzieher

      Genaueres über die Kreativen? Erfährt man in dieser Trendreportage nicht. Weder soziodemographische Essentials (Alter, Einkommen, Bildung und so weiter) noch einschlägige Besonderheiten. Außer: Dass sie irrwitzig kreativ sind.

      Das Besondere an den Kreativen

      Diese unkonventionellen Köpfe, Visionäre und Querdenker leben in einer eigenen Sphäre des Grübelns und Arbeitens. Sie produzieren Dinge, die das Dasein einfach besser machen. Genau deshalb sind sie eine Bereicherung für die Gesellschaft: Durch ihre Vorstellungskraft und Inspiration geben sie Orientierung in einer sich rasant verändernden Welt – und Anstöße für lukrative Projekte. Diese Möglichmacher, Hindernisabbauer, Durchsetzungshelfer, Zweifelzerstreuer und Risikoeingeher stehen durchweg für die positiven Qualitäten des Wandels. Sie haben es geschafft, Eigenschaften der nicht immer angenehmen neuen Arbeitswelt, wie Beschleunigung, Zwang zur Originalität, Anpassung, hohe Mobilität, Effizienzorientierung und so weiter, umzumünzen, zu nutzen, etwas daraus zu machen. Und zwar etwas wirtschaftlich Verwertbares.

      »Die gerne beschworene Wissensgesellschaft ist nur dann wirtschaftlich erfolgreich, wenn das im Überfluss vorhandene Wissen in Geschäftsideen umgewandelt und ökonomisch genutzt wird. Nur mit Innovationen, die genau diese Kreativität hervorbringt, mit dem Schaffen von neuen Produkten, neuen Verfahren, neuen Märkten und Organisationsformen werden wir einen Weg aus der Krise finden und einen neuen Aufschwung erleben. […] meines Erachtens ist […] die wesentliche Frage, wie man Menschen dazu bringt, ihre Talente zu entwickeln und sie ökonomisch zu nutzen.«22

      »Sie können ruhig etwas lauter nicken!«

      UDO LATTEK

      Aber auch Kreativitionisten brauchen offensichtlich einen Schubs23, um ihre Talente »richtig«, das heißt wirtschaftlich nutzbar zu entfalten. Dann aber bringen diese Pioniere-Nach-Vorn uns alle voran. Richard Florida betreibt also ein sehr spezielles Erwartungsmanagement: Er will den Menschen fürsorglich in den verlängerten Rücken treten24, damit sie – in Freiheit – ihr kreatives Potenzial auch abrufen. Im Sinne der individuell-gemeinschaftlichen Maxime: »Jeder (kreativ) für sich – und Gott für alle!«

      Kreativität ist immer und überall

      Damit das auch klappt, wird das Verständnis von »Kreativität« maximal entgrenzt. Es geht nicht mehr nur um die Tätigkeiten von Künstlern, Architekten und Designern, sondern genauso um die Praktiken von Internet-Jobbern, Städtebau-Planern und Unternehmensberatern. Demzufolge ist die Liste der Branchen und Organisationen, die sich auf die Kreative Klasse einschießen, entsprechend lang und, wo sich die Kreativlinge austoben, beziehungsweise ausbeutbar einbringen dürfen, beachtlich:

      ∎ Universitäten, Agenturen, Lifestyle- und Medienunternehmen, Tourismusorganisationen oder Exportfirmen wollen mit den Kreativen zu Wachstumsmotoren werden und präsentieren sich als Brutstätten für Ideenproduzenten.

      ∎ Städte und Kommunen wetteifern darum, für Kreative attraktiv zu sein, profilieren dementsprechend ihr Gemeinde- und Stadt-Marketing und versuchen, sich zu Marken zu entwickeln. (Inoffizieller Benchmark in Deutschland: Arm, aber sexy!)

      ∎ Management- und Personalentwicklungs-Leitlinien werden umgearbeitet, um die »Normalisierung« von Kreativität zu fördern.

      ∎ Das Kreativitätsvokabular spiegelt sich schon seit Langem in den Ausschreibungen der Stellenmärkte, die teilweise ganz neue Berufsbilder entwerfen.

      ∎ Diverse Schul-, Bildungsprogramme und Uni-Studiengänge versuchen sich an der Förderung von Kreativität.

      Stellt sich nur die Frage, was nicht als kreative Tätigkeit angesehen werden sollte. Zwischen Arbeit, Kunst und Wirtschaft verschwimmen die

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