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Steven Reiss fand so immer mehr Beispiele, die seinen Gedankengang unterstützten. Es musste mehr Gründe für das Verhalten von Menschen geben als Freude und Leid; Freude musste ein subjektives, individuelles Konstrukt sein, das nur als »Beiprodukt« auftritt, wenn wir bekommen, was wir uns wünschen.
Individuelle Motivation erklären
Glücklicherweise erholte sich Steven Reiss von seiner schweren Erkrankung und erforschte anschließend an der Ohio State University, welche individuellen Motive jeden Menschen bewegen. Er sammelte zunächst verschiedenste psychologische und philosophische Erklärungsansätze – von Platon über Freud und Jung und vielen anderen bis hin zu Maslow –, doch nichts erschien ihm umfassend genug, um individuelle Motivation und Sinnhaftigkeit bestimmen zu können.
Also erstellte er eine Liste mit 328 Werten, die er nach einer groß angelegten Umfrage durch Faktoranalysen auf die 16 wichtigsten Motive reduzierte. Anschließend entwickelte er mit vielen tausend weiteren Befragten verschiedenster Nationalitäten den 128 Fragen umfassenden Fragebogen, mit dem jede individuelle Motivstruktur, das heißt jedes individuelle Reiss Profile, erstellt wird (S. Reiss 2000, 1–10, 26–28).
Empirisch überprüfte Theorie
Die Theorie der 16 Lebensmotive ist eine der wenigen Persönlichkeitstheorien, die testtheoretisch vollständig empirisch überprüft wurde. Die Testtheorie untersucht vor allem die Gütekriterien Validität und Reliabilität. Validität gibt an, ob der Test das Persönlichkeitsmerkmal misst, was er zu messen vorgibt. Es wurden für alle 16 Skalen des Reiss Profiles hohe Validitätswerte ermittelt. Die Reliabilität gibt an, wie genau das Instrument misst. Kriterien hierfür sind beispielweise die 4-wöchige Test-Retest-Reliabilität sowie die interne Konsistenz der Fragen, also inwiefern die Probanden Fragen zu ein und demselben Motiv ähnlich beantworten. Die Test-Retest-Reliabilität des Instruments liegt im Durchschnitt bei 0,83, die durchschnittliche interne Konsistenz bei 0,83. Mit diesen hohen Reliabilitäts- und Validitätswerten hebt sich das Reiss Profile positiv von anderen gängigen Instrumenten ab.
Soziale Erwünschtheit
Zudem zeichnet sich das Instrument durch eine geringe soziale Erwünschtheit aus. Diese bezeichnet die Tendenz von Probanden, falsche Antworten zu geben, um einen positiven Eindruck zu vermitteln. Dieses nonkonforme Verhalten tritt beim Reiss Profile nur in etwa 3 % aller Fälle und damit äußerst selten auf.
Das Zwiebelschalen-Modell
Aber was sind Motive eigentlich und wieso beeinflussen sie uns so stark? Um dies zu verstehen, möchten wir Ihnen eine Metapher an die Hand geben: Stellen Sie sich Ihre Identität als Zwiebel mit mehreren Schichten vor.
Abb. 8: Das Zwiebelschalen-Modell
Identität als Zwiebel
Die äußerste Schicht stellt Ihr Verhalten dar. Darunter folgt die Schicht Ihrer Fähigkeiten, anschließend diejenige Ihrer Wahrnehmung (Ihrer Sicht auf die Welt) und Ihr daraus resultierendes Verhalten. Noch tiefer in Ihrer Persönlichkeit verwurzelt sind Ihre Glaubenssätze und Einstellungen. Die innerste Schicht, der »Kern der Zwiebel«, beinhaltet Ihre wahren Bedürfnisse, Ihre Lebensmotive.
Die Schichten beeinflussen sich jeweils von innen nach außen: Unsere Lebensmotive bestimmen unsere Glaubenssätze und Einstellungen, diese wiederum beeinflussen, wie wir die Welt sehen und uns verhalten. Ein hoch ausgeprägtes Beziehungsmotiv kann beispielsweise zum Glaubenssatz »Besser gemeinsam statt einsam« führen. Das kann auf der Verhaltensebene dazu führen, dass dieser Mensch sich bevorzugt in Gruppen aufhält und eher extravertiert ist. Gleichzeitig wird er Menschen, die auch Kraft aus dem Alleinsein schöpfen, schnell als introvertierte Einzelgänger wahrnehmen. Auf der Methoden- und Fähigkeiten-Ebene kann das häufige Zusammensein mit anderen Menschen zu hoch ausgeprägten »Social Skills«, also beispielsweise zu einer sehr guten Kommunikationsfähigkeit, führen.
Motive als Lebenssinn
Unsere Motive werden außerdem als Endzwecke des Handelns erfahren – also als Sinn unseres Handelns und Tuns. Der Mensch tut demnach bestimmte Dinge, um ein oder mehrere Motive zu befriedigen. Auch wenn vordergründig andere Ziele verfolgt werden, wie beispielsweise Geld zu verdienen, dienen diese letztlich der Befriedigung unserer Motive. So nutzen manche Gelder zur Befriedigung des Statusmotivs, andere für ihr Streben nach Unabhängigkeit, wieder andere zur Erreichung von emotionaler Ruhe etc. Geld ist also kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck. Und somit kein Lebensmotiv. Auch Essen kann für manche Menschen nur Selbstzweck, also ein Endmotiv sein. Für andere wiederum ist es ein Mittel zum Zweck: Sie essen vornehmlich in Gesellschaft und befriedigen so ihr Beziehungsmotiv, verkehren in teuren Restaurants und »füttern« damit ihr Statusmotiv oder probieren unterschiedliche Landesküchen, was wiederum ihr Neugiermotiv befriedigt.
Motivation entsteht so wie beschrieben aus dem Zusammenspiel der Situation und des Motivs: Nimmt man (meist unbewusst) in einer Situation wahr, dass diese eines unserer Motive befriedigen könnte, entsteht die Motivation, etwas Bestimmtes zu tun. Für Bernd Beispiel kann das heißen, dass er Einladungen zu Geburtstagspartys gern annimmt, denn so hat er die Möglichkeit, mit anderen Menschen zusammen zu sein, was sein hoch ausgeprägtes Beziehungsmotiv befriedigt. Michael Muster, der ein hoch ausgeprägtes Essensmotiv hat, wird die Party möglicherweise besuchen, weil er weiß, dass das Geburtstagskind sehr gut kochen kann. Das heißt, dass ein und dieselbe Situation unterschiedlichste Motive befriedigen kann. Insofern ist es auch schwer, von Verhalten auf Motive zu schließen. Leichter ist es, von Motiven auf erwartetes Verhalten zu schließen.
Werte- und Wohlfühlglück
Den Zustand der Befriedigung der eigenen Lebensmotive nennen wir »Werteglück«. Es kann tiefliegende Emotionen hervorrufen, zum Beispiel das Gefühl, »eins mit sich selbst zu sein«. Davon zu unterscheiden ist das Wohlfühlglück, das eher die »kleinen Glücksmomente« im Leben bestimmt – also das Glück, nichts tuend in der Sonne zu liegen oder dabei zu sein, wenn Fußball-Deutschland beinahe den Weltmeistertitel holt. Situationen, in denen Motive nicht ausgelebt werden können, führen jedoch oft zu Demotivation und Frustration: Würde Bernd Beispiel für ein Forschungsprojekt eingesetzt, bei dem er mehrere Monate allein im Labor verbringen muss, würde ihn dies viel Kraft kosten und eher demotivieren. Denn dabei könnte er sein hoch ausgeprägtes Beziehungsmotiv nicht befriedigen.
Motive genetisch bedingt
Wie aber entstehen unsere Lebensmotive? Prof. Steven Reiss geht davon aus, dass sie vor allem genetisch bedingt sind. Wie wir sie erfüllen, wird dagegen von der Kultur, in der wir aufwachsen, und unseren individuellen Erfahrungen geprägt. So befriedigen viele Menschen mit hoher Neugier, also einem großen Wissensdurst, dieses Bedürfnis durch das Lesen von Büchern. Wer jedoch durch sein Elternhaus nie Zugang zu Büchern gefunden hat, wird das Motiv beispielsweise durch anregende Gespräche oder anspruchsvolle Fernsehsendungen befriedigen / ausleben.
Neben unseren genetischen Anlagen haben aber auch emotionale Lernerfahrungen einen großen Einfluss auf unsere Motive. Während man motorisch