Gestern Kollege – heute Vorgesetzter. Dagmar Kohlmann-Scheerer

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Gestern Kollege – heute Vorgesetzter - Dagmar Kohlmann-Scheerer Whitebooks

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sie, damit sie bei der Umräumaktion kräftig mit anpacken.

      Die ersten Telefone klingeln, noch sind nicht alle da, und Dirk jagt von Apparat zu Apparat. Allmählich trudeln auch die Letzten ein, nehmen sich erst einmal eine Tasse Kaffee und erzählen, was gestern „so abging“. Im Grunde ein Arbeitsbeginn wie jeden Tag. Dirk kann es nicht fassen. Wenn einer unpünktlich kommt, müssen die anderen das ausbaden – so hat er das bis gestern noch gar nicht gesehen.

      Er nimmt sich den letzten „Zuspätkommer“ gründlich zur Brust. Er hat jetzt hier die Verantwortung und kann diesen Schlendrian nicht gutheißen. Und wo er gerade dabei ist, erklärt er allen ohne Umschweife, dass Zuspätkommen nicht mehr toleriert werde, und falls diese Warnung nicht genüge, würde er auch vor einer Abmahnung nicht zurückschrecken.

      „So, nun lasst uns aber in die Hände spucken und meinen Schreibtisch dort in die Ecke stellen. Fasst mal mit an. Nein Boris, dein Schreibtisch bleibt da stehen, ich stell meinen dazu, mehr Verantwortung – mehr Platz, ha, ha, ha. Ja Boris, du teilst dir den Platz mit Biggi, der war für eine so zarte Person sowieso zu groß, ha, ha, ha.“

      Außer bei Dirk Schneider ist nirgends Heiterkeit zu spüren. Unverdrossen räumt er ein, aus und um. Nach Vollendung seines Werkes betrachtet er seine Arbeitsstätte voller Bewunderung, ist sie doch jetzt viel größer – so hat auch mal ein Besucher Platz, hier kann er in Ruhe Mitarbeitergespräche führen, die wahrlich nicht für alle Ohren bestimmt sind.

      So, jetzt gleich die andere Neuerung bekannt geben, der frische Schwung muss ausgenutzt werden. „Hört mal alle her – was haltet ihr davon, wenn wir uns am Telefon in Zukunft mit dem Satz „Was kann ich für Sie tun?“ melden? Klingt flotter, freundlicher und aufmerksamer. Außerdem habe ich mir überlegt, dass wir die Gleitzeit ändern, die Kernzeiten sind jetzt ... “ Lähmende Stille, null Reaktion!

      Jetzt merkt auch der übermotivierte Dirk Schneider, dass etwas nicht stimmt. Sein Schwung und Elan sind auf blanke Ablehnung gestoßen. Selbst bei seinem besten Freund entdeckt er nur Widerstand in der Mimik. Er kann sich das befremdliche Verhalten seiner Mitarbeiter nicht erklären. Als er noch „einer von ihnen“ war, hatte sich die Gruppe vorgenommen, im kommenden Jahr das „Spitzenteam“ zu werden. Wo ist jetzt die Motivation? Er war sich sicher, die Gruppe auf seiner Seite zu haben – und jetzt das!

      Wichtig: Den Rollentausch realisieren

      Halten wir hier die Szene an. Was ist passiert?

      Nichts Greifbares und doch etwas ganz Wesentliches! Die Distanz zu seinen früheren Kollegen hat sich verändert. Ob Dirk Schneider es wahrhaben will oder nicht, er ist nicht mehr „einer von ihnen“.

      Obwohl seitens seiner Kollegen hohe Erwartungen in Richtung Interessenvertretung an ihn gerichtet werden, entsteht gleichzeitig ein gesundes Misstrauen. Denn naturgemäß vertritt er zukünftig auch die Interessen der Geschäftsleitung und wird somit zum „Geheimnisträger“. Er kann deshalb gar nicht mehr (wie früher) zur Gruppe gehören.

      Lösungsansatz

      Lösung: Neuerungen nicht übers Knie brechen

      Im Grunde kann Dirk Scheider schon auf die Loyalität seiner Mitarbeiter zählen, nur darf er das „Rad nicht sofort anhalten“. Er muss sich und der Gruppe erst die Möglichkeit geben, sich an den Rollentausch zu gewöhnen. Das heißt im Klartext: zunächst das „Wesentliche“ ein Weilchen beim Alten lassen, das Vertrauen der Gruppe unter den veränderten Vorzeichen gewinnen und erst dann gemeinsam an der Erreichung neuer Ziele arbeiten. Zum Beispiel den neuen Telefonspruch „Was kann ich für Sie tun?“ nicht als rhetorische Frage in den Raum stellen, sondern auch die Vorschläge aus der Gruppe berücksichtigen.

      Wenn Dirk Schneider dann spürt (auch hier ist Einfühlungsvermögen gefragt), dass sich das Klima normalisiert und eventuell aufgewirbelter Staub sich wieder gesetzt hat, dann kann er gemeinsam mit der Gruppe Neuerungen einführen.

      Jeder Mensch führt grundsätzlich lieber seine eigenen Ideen aus als solche, die ihm „aufs Auge gedrückt“ werden!

      Fallstrick 4: Du oder Sie?

      Beispiel: Falsche Kumpanei

      Julia Müller übernimmt eine neue Abteilung. Auch ihr ehemaliger Kollege Martin Degen wechselt mit ihr in den neuen Bereich – jetzt als ihr Mitarbeiter. Die beiden kennen sich schon lange und duzen sich selbstverständlich. Julia Müller stört sich in letzter Zeit immer mehr an Martins etwas zu legerem Ton ihr gegenüber. Er versteht das Du als besonderes Privileg und glaubt dadurch ein anderes Verhältnis zur Chefin zu haben als die Kollegen. Julia Müller geht diese missverstandene Vertraulichkeit gewaltig auf die Nerven und sie erwägt, das Du wieder in ein Sie zu verwandeln, zumal in der Abteilung durch Neueinstellungen die Sie-Anrede dominiert.

      Lösungsansatz

      Lösung: Nur begründet und generell zum Sie zurückkehren

      Empfehlung: Frau Müller sollte es tun. So blöd es klingt, manche Menschen brauchen das Sie, um Distanz wahren zu können. Allerdings wird das Spießrutenlaufen für den armen Mitarbeiter zunächst schlimm sein und die Gefahr seiner Demotivation ist groß. Frau Müller könnte ihr Vorgehen damit begründen, dass sie generell wünsche, dass sich in der Abteilung gesiezt wird. Somit würde Martin Degen nicht degradiert.

      Gesetzt den Fall, Julia Müller würde sich gerne mit einigen anderen aus der Abteilung duzen, dann halte ich es für frevelhaft, vom Du zum Sie zurückzukehren, weil der ehedem Geduzte dieses als persönliche Zurückweisung empfindet und somit seine Motivation (und sein Gesicht) verliert.

      In einem meiner Seminare erzählte ein frisch gekürter Gruppenleiter, der seine Mitarbeiter und früheren Kollegen schon seit dem Kindergarten kannte und duzte, er habe Probleme, seine Exkollegen in einem Kritikgespräch unter vier Augen zu duzen. Er griff dann zu folgendem Trick: In dem Kritikgespräch siezte er die Mitarbeiter, und unter den gewohnten Arbeitsbedingen duzte er sie wieder. Die Mitarbeiter nahmen die Unterscheidung sehr positiv auf, weil sie begriffen, dass der Chef damit dokumentieren wollte, dass er mit der Kritik keinesfalls den Karl persönlich meinte, sondern lediglich die Situation.

      Wichtig: Von Fall zu Fall entscheiden

      Auf die Frage, ob das Du oder das Sie besser ist, gibt es keine richtige oder falsche Antwort. Sie hängt zum Beispiel auch davon ab, ob der Betrieb, in dem Sie arbeiten, eine amerikanische „Mutter“ hat, dann schreibt die Firmenkultur quasi ein Du vor. Die Amerikaner kennen den feinen Unterschied zwischen Du und Sie nicht, der bei uns Nähe und Distanz ausdrückt. Sie haben auch beim Duzen das feine Gespür fürs Abstandhalten.

      Der Befehl von oben, sich vor externen Geschäftspartnern grundsätzlich zu siezen, hat schon manchem Bauchschmerzen bereitet. Wahrscheinlich aber eher deshalb, weil die eigene Entscheidungsbefugnis außer Kraft gesetzt wurde, weniger wegen des Siezens selbst.

      Vor Geschäftspartnern macht abteilungsinternes Siezen sicherlich einen guten Eindruck. Denn die Gefahr eines zu kumpelhaften Umgangs ist damit gebannt.

      Fallstrick 5: Intrigenspiele

      Beispiel: Beschwerden über Kollegen

      Der frisch gebackene Verkaufsleiter Klaus Gerdes sitzt in seinem neuen Büro – die Tür ist offen, das bedeutet: Er ist ansprechbar. Frau Burg, eine Sachbearbeiterin aus der Bestellannahme, wünscht den neuen Chef unter vier Augen zu sprechen. Grund: Sie möchte sich über eine Kollegin beschweren, die oft später

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