Dem Kunden verpflichtet. Ingrid Gerstbach
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Sowohl Manager als auch Mitarbeiter haben bei solchen Abläufen zumeist Zugriff auf die notwendigen Informationen. Diese braucht es, um mit der Situation gut umzugehen und die Bewältigung des Problems zu überwachen. Die Richtlinien sind einfach, Entscheidungen können leicht delegiert werden und gewisse Ausführungen sind im Regelfall bereits automatisiert. Die Einhaltung von Best Practices ist in dieser Domäne am sinnvollsten. Es bedarf nicht viel Kommunikation zwischen Managern und Mitarbeitern, da Meinungsverschiedenheiten darüber, was zu tun ist, nur ganz selten sind.
Eine Gefahr bei einfachen Kontexten: Führungskräfte, die unabhängig von der Komplexität der Situation ständig nach Informationen fragen, laufen Gefahr, einen falschen Eindruck von der Problematik zu bekommen. Außerdem kann es passieren, dass eine gewisse Selbstgefälligkeit auftritt, wenn die Dinge scheinbar wie von selbst laufen. Ändert sich nun der Kontext zu einem Zeitpunkt, reagiert der Manager meist zu spät.
Aus diesem Grund verwundert es nicht, dass Snowden deswegen die Kategorie der einfachen Domäne direkt neben der des Chaos platziert. Sein Gedanke dabei ist, dass die häufigsten Einbrüche ins Chaos dann stattfinden, wenn der Erfolg Selbstzufriedenheit erzeugt hat. Diese Verschiebung kann zu einem katastrophalen Scheitern führen, wie es zum Beispiel zu beobachten ist, wenn einst dominante Technologien scheinbar aus dem Nichts durch dynamischere Alternativen ersetzt werden.
Die Lösung liegt darin, dass die Führungskräfte das große Ganze im Blick behalten und so eine Veränderung im Kontext erkennen können. Die meisten Probleme, die in der einfachen Domäne auftreten, können von Mitarbeitern eigenständig gelöst werden. Sie haben dank langjähriger Erfahrung einen tiefen Einblick in die Art und Weise, wie die Arbeit ausgeführt werden sollte. Die Aufgabe der Führungskräfte liegt darin, einen Kommunikationskanal zu schaffen, der frühzeitig warnt und auffällige Entwicklungen anzeigt.
Eine Sache, die es dabei vor allem zu bedenken gilt, ist, dass Best Practice definitionsgemäß bereits in der Vergangenheit praktiziert wurde. Die Verwendung von Best Practices ist in einfachen Kontexten zwar oft die beste Lösung, weil so auch am schnellsten und effektivsten Probleme gelöst werden. Aber dennoch ergeben sich Schwierigkeiten, zum Beispiel wenn die Mitarbeiter keine Möglichkeit haben, den Prozess zu hinterfragen, zu kommunizieren und vor Lösungen zu warnen, die nicht mehr funktionieren. Rückschau in einer komplizierten Welt führt nicht zur Vorschau, deswegen ist eine entsprechende Veränderung des Führungsstils erforderlich.
Komplizierte Kontexte: Die Domäne der Experten
Bei komplizierten Kontexten kann es im Gegensatz zu einfachen Kontexten mehrere richtige Antworten geben. Die Krux liegt darin, dass nicht jeder die klare Beziehung zwischen Ursache und Wirkung sehen kann. Snowden definiert diesen Bereich als den der »bekannten Unbekannten«.
Während Manager in einem einfachen Kontext eine Situation wahrnehmen, kategorisieren und darauf reagieren sollten, müssen sie in einem komplizierten Kontext wahrnehmen, analysieren und reagieren. Dieser Ansatz ist nicht einfach und erfordert oft einiges an Fachwissen: Ein Autofahrer weiß vielleicht, dass mit seinem Auto etwas nicht stimmt, weil die Anzeige das so sagt oder er ein Klopfen wahrnimmt, aber er muss es zu einem Mechaniker bringen, um das tatsächliche Problem analysieren und beheben zu lassen.
Da der komplizierte Kontext die Analyse mehrerer Optionen erfordert, ist es besser, wenn zunächst auch mögliche Ursachen aufgedeckt und besprochen werden, bevor ein bewährtes Verfahren angewandt wird. Zum Beispiel könnte der übliche Ansatz zum Entwickeln eines neuen Produkts die Eigenschaft A über die Eigenschaft B hervorheben und erklären, aber dennoch ist es sinnvoll, eine alternative Eigenschaft C zu entwickeln und zu besprechen, um gezielt zu planen.
Ein anderes Beispiel, das Snowden anführt, ist die Suche nach Öl- oder Mineralvorkommen. Der Aufwand erfordert in der Regel ein Team von Experten. Es ist wichtig, dass mehrere potenzielle Bohrstellen identifiziert werden, da mehr als ein Ort möglicherweise mehr und auch bessere Ergebnisse produzieren wird. Das bedarf allerdings einer genauen und zumeist komplizierten Analyse. Diese Analyse wiederum braucht ein Verständnis der Folgen auf mehreren Ebenen.
Wenn in komplizierten Kontexten die Experten das Feld übernehmen, neigen sie dazu, andere und durchaus innovative Vorschläge von Nicht-Experten zu übersehen oder abzulehnen. Schließlich haben die Experten immens viel Zeit und Energie in den Aufbau ihres Wissens investiert. Doch diese Sturheit kann mitunter zu verpassten Chancen führen.
Verlagert sich allerdings der Kontext, ist ein Zugang zu neuen und anderen Ideen durchaus hilfreich. Ein Manager, der dieses Problem hat, kann also den Experten um Rat fragen, sollte aber gleichzeitig neue Gedanken und Lösungen von anderen begrüßen. In meinem Beratungsalltag habe ich schon erlebt, dass der Portier gewonnen hat, als der Vorstand eines großen Konzerns unternehmensintern zu einem Brainstorming-Prozess für ein neues Produkt aufgerufen hatte. Er wurde sogar für einen internationalen Preis vorgeschlagen.
Ein weiteres potenzielles Hindernis ist die Paralyse durch zu viel Analyse. Dabei wird eine Situation so intensiv analysiert, dass eine Entscheidung hinausgezögert oder gar ganz verhindert wird. Auf der Suche nach der perfekten Lösung wird eine mögliche Entscheidung durch den Betroffenen als zu kompliziert bzw. zu umfangreich angesehen.
Das Arbeiten in unbekannten Domänen kann Managern und Experten die Augen öffnen und zu kreativeren Entscheidungen führen. Zum Beispiel habe ich für ein Projekt eine Woche lang Marketingspezialisten in mehreren medizinischen Forschungsumgebungen eingesetzt. Die Umgebungen waren ungewohnt und herausfordernd, hatten aber trotzdem Ähnlichkeit mit dem gewöhnlichen Einsatzgebiet: In beiden Fällen ging es darum, mit einer großen Menge an Daten zu hantieren. Sowohl in der Medizin als auch im Marketing wird viel mit Langzeitwerten gearbeitet. Es werden etliche Befragungen, Untersuchungen, Beobachtungen etc. vorgenommen, um möglichst genaue Aussagen treffen zu können. Die Marketingspezialisten sollten verschiedene Trends und Signale am Markt identifizieren. Je länger die Experten in diesem Bereich arbeiteten, desto mehr Parallelen fanden sie. So war zum Beispiel der Umgang mit Endkunden ein ähnlicher, ebenso der Prozess der Erforschung von neuen Trends. Diese Übung half der Marketinggruppe zu lernen, wie sie einen möglichen Verlust von Loyalität rasch erkennen und gezielt Maßnahmen ergreifen kann, bevor ein wichtiger Kunde zu einem Konkurrenten wechselt. Durch die Verbesserung ihrer Strategie dank des neuen Wissens konnten die Marketingleute weitaus erfolgreicher agieren und die Kundenzufriedenheit steigern.
Aber nicht nur neue Bereiche fördern neues Denken. Ein weiterer Ansatz, den wir im Design Thinking nutzen, sind Spiele. Spaß durch Spiele fördert neues Denken enorm. So habe ich ein Spiel entwickelt, das auf einem fiktiven Planeten angesiedelt ist. Bei diesem Spiel basiert die Kultur allerdings auf einer echten Kundenorganisation. Als die Führungskräfte auf dem fremden Planeten »landeten«, wurden sie gebeten, die Probleme und Chancen der Bewohner anzusprechen. Die Probleme, auf die sie stießen, waren verschleiert, aber so gestaltet, dass sie reale Situationen widerspiegelten, von denen viele kontrovers oder sensibel waren. Da die Umgebung jedoch so fremd und abgelegen zu sein schien, fanden die Spieler es viel einfacher, neue Ideen zu entwickeln, als es sonst der Fall gewesen wäre. Ein metaphorisches Spiel zu spielen, steigert die Experimentierfreudigkeit von Managern, ermöglicht es ihnen, Probleme einfacher und kreativer zu lösen, und erweitert die Auswahlmöglichkeiten innerhalb der eigenen Entscheidungsprozesse. Das Ziel von Spielen liegt generell darin, so viele Perspektiven wie möglich zu bekommen, um eine uneingeschränkte Analyse zu fördern.
Entscheidungen in der komplizierten Domäne zu treffen, kann viel Zeit in Anspruch nehmen.