Führen ohne Psychotricks. Frank Hagenow
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Allerdings beinhalten Konflikte auch immer die Gefahr des gemeinsamen Scheiterns. Der Konfliktforscher Friedrich Glasl hat sich sehr intensiv mit der Struktur und Entstehung von Konflikten beschäftigt und beschreibt unterschiedliche Stufen von Konfliktentwicklungen. Dabei gibt es fast immer einen »Point of no return«, von dem an eine konstruktive Konfliktbewältigung unwahrscheinlich, wenn nicht sogar unmöglich wird. Tatsächlich findet sich am Ende der Eskalationsspirale oftmals die Tendenz der Konfliktparteien, unabhängig von eigenen Verlusten nur noch die Vernichtung des Gegners anzustreben. Vielleicht ist es eben diese destruktive Energie, die wir alle irgendwie als verstecken Sprengsatz in unseren Konflikten erahnen und vor der wir uns fürchten. Deshalb ist es durchaus erstrebenswert, sich Konflikten möglichst früh zuzuwenden, um noch rechtzeitig zu einer Winwin-Lösung zu gelangen. Und damit wären wir bei einem wichtigen Thema, denn: Konflikte sind Chefsache.
Chefsache Konfliktklärung
Mitarbeiter tragen immer wieder Konflikte, die sie miteinander haben, an ihre Chefs heran. Hier ist es für Sie in der Rolle des Vorgesetzten wichtig zu verstehen, um welche Art von Konflikt es vermutlich geht und welcher Weg für eine konstruktive Konfliktklärung sinnvoll wäre. Manchmal wählen Mitarbeiter einfach auch nur den bequemeren Weg, indem sie sich an die nächsthöhere Instanz wenden, um die Verantwortung für die Klärung des Konfliktes abgeben zu können. Aus diesem Grund stehen viele Führungskräfte solchen Aufforderungen eher zurückhaltend gegenüber und bringen diese Skepsis mehr oder minder explizit zum Ausdruck: »Das sollen die Mitarbeiter untereinander klären. Da will ich mich gar nicht einmischen. Schließlich sind es ja erwachsene Menschen und sollten das auf zivilisierte, konstruktive Weise selbst hinbekommen. Alles andere wäre unangemessen.«
Das mag in vielen Situationen der richtige Ansatz sein. Auf der anderen Seite kann es womöglich um einen Konflikt gehen, aus dem die Mitarbeiter aus eigener Kraft nicht herausfinden. Dann ist die Intervention der Führungskraft notwendig. Es wäre fatal, in einer solchen Konfliktsituation auf die Kompetenz der Mitarbeiter zu vertrauen, aus eigener Kraft eine schnelle Konfliktlösung herbeiführen zu können. Ja, es wäre sogar fahrlässig, die eigene Führungsverantwortung jetzt nicht wahrzunehmen. Denn die Mitarbeiter haben durch ihr Verhalten doch schon hinreichend demonstriert, dass sie selbst zu einer Lösung nicht imstande sind. Jetzt braucht es das beherzte Eingreifen der Führungskraft, weil sonst noch größerer Schaden zu erwarten ist.
Oftmals scheuen Führungskräfte aber davor zurück, sich in einem Konflikt persönlich zu engagieren, weil sie sich hierfür nicht kompetent genug fühlen. Sie glauben, nicht über die erforderliche Qualifikation und Erfahrung zu verfügen, die für ein effektives Konfliktmanagement erforderlich sind. Das ist verständlich, weil sie zurecht befürchten, aus der Unsicherheit heraus die Situation eher noch zu verschlimmern. In der Praxis wird der Konflikt dann oft ignoriert oder bagatellisiert. Oder es kommt zu halbherzigen Aktionen, mit denen nicht wirklich etwas geklärt wird. Und das ist fatal. Denn so entsteht ein Gefühl der Hilflosigkeit (»Es ist fast schon gleichgültig, was wir tun. Wir haben schon alles versucht, aber wir bekommen das Problem einfach nicht in den Griff«).
Bedenken Sie: Es ist gar nicht unbedingt erforderlich, dass Sie bei der Konfliktlösung selbst eingreifen. Die Angelegenheit kann auch an einen kompetenten Kollegen oder Mitarbeiter delegiert werden – solange nur die Zuständigkeit bzw. Verantwortung beim Chef bleibt. Auch die Einbindung eines erfahrenen externen Konfliktmoderators kann helfen, wenn Sie als Führungskraft zum Beispiel mit anderen Aufgaben ausgelastet oder überlastet sind.
Wenn Sie aber selbst eingreifen, sollten Sie jede Möglichkeit nutzen, dann auch ein Feedback zu Ihrem Verhalten zu erhalten. Ein Konflikt bietet Ihnen die Chance, als Führungskraft zu wachsen. Deshalb sollten Sie sich nicht nur für die Klärung des Konfliktes zuständig fühlen, sondern auch unbedingt mit offenen Ohren und echtem Interesse den Verlauf bzw. die Ergebnisse verfolgen. So erhalten Sie wertvolle Hinweise zu Ihrem Führungsstil – und zwar in Bezug auf dessen konkrete Auswirkungen. Denn der Umstand, dass es zu einem gravierenden Konflikt gekommen ist, ist auch immer das Ergebnis des vorausgegangenen Umgangs miteinander. Sofern es nicht um unvermeidbare und zu erwartende Sachkonflikte geht (»Wer bekommt das höhere Budget? Wer erhält die Gehaltserhöhung oder die Prämie? Wie werden Zeit- oder Personalressourcen verteilt?«), bieten Konfliktsituationen oft Hinweise darauf, ob und in welchen Bereichen Sie Ihr Führungsverhalten eventuell verändern sollten.
Keinen Stress, bitte!
Vor einiger Zeit hatte ich eine Anfrage des Geschäftsführers eines mittelständischen Dienstleistungsunternehmens: »Können Sie für meine Regional- und Abteilungsleiter ein Kommunikationstraining machen? Die müssen lernen, wie man miteinander redet.« Auf meine Nachfrage, wie denn die aktuelle Situation sei und was ihn dazu veranlasst habe, gerade jetzt aktiv zu werden, sagte er: »Meine Führungskräfte kommunizieren nicht vernünftig miteinander, sodass Projekte nicht vorankommen oder sogar mit hohen Kosten scheitern. Gerade jetzt steht ein neues größeres Projekt an, das mit dieser Truppe so nicht zu machen ist.« Danach gefragt, ob er denn an einem solchen Kommunikationstraining auch selbst teilnehmen würde, erhielt ich die interessante und typische Antwort: »Nein, da will ich mich gar nicht einmischen. Wenn der Chef dabei ist, werden ja bestimmte Dinge doch nicht so zur Sprache gebracht. Außerdem geht es ja darum, dass die Manager miteinander besser kommunizieren sollen. Da will ich nicht im Weg stehen.« Ich konnte ihn dann aber doch davon überzeugen, zumindest an einer Feedbackrunde teilzunehmen, und fragte ihn, ob er denn gegebenenfalls bereit sei, sich von seinen Führungskräften ein Feedback geben zu lassen. Seine schnelle, ja beinahe reflexartige – und darum »verdächtige« – Antwort: »Selbstverständlich. Wir sind hier ja alle offen für Rückmeldungen.«
Es kam dann tatsächlich zu einem sehr offenen Austausch. Allerdings: Schnell wurde klar, dass das eigentliche Problem nicht die mangelnde Kommunikationsfähigkeit der Manager war. Vielmehr waren nach ihren bisherigen Erfahrungen neue Projekte in der Vergangenheit immer wieder von oben »verordnet« worden, ohne dass sie in die Entscheidungen eingebunden gewesen waren. Kritische Rückmeldungen zu Schwierigkeiten in der Umsetzung waren immer wieder im Sande verlaufen, sodass nur noch die nötigsten Informationen weitergegeben wurden; aber auch das häufig nur nach expliziter Nachfrage.
Ich habe dann statt eines Kommunikationstrainings einen Klärungsprozess-Workshop mit Geschäftsführerbeteiligung vorgeschlagen und dem Geschäftsführer bereits vorher mitgeteilt, dass er sich voraussichtlich auch auf ein kritisches Führungsfeedback einstellen müsse. Nach anfänglichen Bedenken war er dazu bereit. Ich habe ihm aber auch zugesichert, ihn zu unterstützen, falls die große Kritiktirade über ihn hereinbrechen sollte. Nach mehreren vertrauensvollen Vorbereitungstelefonaten war unser Kontakt schließlich so stabil, dass er sich auf dieses Wagnis einlassen konnte. Und das wurde es schließlich auch für ihn: ein Wagnis.
Als im Workshop deutlich wurde, dass heute wirklich offene Meinungen gefragt seien, legten die Teilnehmer schnell ihre anfängliche Skepsis ab und nahmen kein Blatt vor den Mund. Ein Regionalleiter sagte ganz unverblümt und mit ungebremst-aggressivem Unterton: »Sie laden uns zwar offiziell zu einer offenen Kritik ein. Wenn allerdings jemand tatsächlich den Mut aufbringt, Ihnen zu widersprechen und Ihre Entscheidungen in Frage zu stellen, dann wollen Sie das gar nicht so genau wissen und stellen den Kollegen vor den anderen als inkompetent dar. Auf diese Bloßstellungen hat natürlich niemand Lust. Da dürfen Sie sich nicht wundern, wenn irgendwann keiner mehr den Mund aufmacht.«
Mein Job war es, diesen Angriff in ein konstruktives und wertschätzendes Feedback umzuformulieren, das zwar die Kritikpunkte klar benennt, aber den Stachel der anklagenden Du-Botschaft herausnimmt, sodass der Geschäftsführer das Feedback trotz der deutlichen Kritik annehmen konnte. Wer sich angegriffen fühlt, reagiert in den