Das pure Leben spüren. Barbara Messer
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Mit diesen Fragen im Gepäck können wir besser annehmen und akzeptieren.
Denn in allem, was ist und war, liegen Botschaften, die wir immer wieder ganz unterschiedlich interpretieren und beurteilen können.
Es gibt Menschen, die denken, dass nichts, was ihnen widerfährt, umsonst war, dass alles eine Bedeutung hat und einen Sinn ergibt. Auch wenn sie diesen vielleicht erst Jahre später erkennen.
Ein Nein blockiert in diesem Fall – ein Ja öffnet die eigenen Türen. Solange wir uns, unsere geschaffene Wirklichkeit und unseren bisherigen Lebensweg ablehnen, verstärken wir weiterhin das Unangenehme darin und verbrauchen dafür sogar jede Menge kostbare Energie. Wir nutzen die Energie, um zu blockieren, statt in den Fluss zu kommen. Das ist sinnlos. Das Beobachten des eigenen Verhaltens, der eigenen Bewertungen, der Gefühle und Gedanken, die entstehen und hochkommen, aus einer inneren Distanz heraus, verschafft Abstand, Klarheit und Weite beim Betrachten. Schrittweise können wir dann häufiger Ja zu uns sagen. Seien Sie neugierig auf Ihre Reaktionen und was Sie entdecken: »Oh, interessant, schau einmal an, wie ich das bisher gemacht habe.«
Es gibt eine Menge Menschen, denen gelingt es leicht, Situationen im Leben hinzunehmen. Sie verfügen über eine ausgeprägte Resilienz. Eine ihrer besonderen Haltungen und Einstellungen ist die Akzeptanz und das Annehmenkönnen.
Menschen mit Resilienz nehmen vieles hin: Unglück, Enttäuschung und Widrigkeiten sehen sie als unvermeidliche Teile des Lebens. Sie gehören dazu wie das Salz in der Suppe. Ohne dieses Salz schmeckt die Suppe eben nicht. In der Gabe der Akzeptanz steckt das Annehmen dessen, was jetzt da ist. Menschen, die Akzeptanz als Gabe haben, sehen sogar einen Nutzen in der Mehrdeutigkeit und Vielschichtigkeit von Situationen oder Ereignissen, selbst scheinbare Widersprüche werden von ihnen akzeptiert. Es gelingt ihnen, obwohl sie nicht sofort eine Erklärung oder Bewertung parat haben, warum das nun gut oder falsch sei.
Menschen mit einer ausgeprägten Resilienz lassen sich nicht so leicht von Schicksalsschlägen berühren.
Sie erkennen an, dass Krisen und Schwierigkeiten zum Leben gehören; dass es normal ist, dass etwas ihr Denken und Fühlen durcheinanderbringt, es tiefer als gewöhnlich erschüttert. Sie haben erfahren, dass es nicht gut ist, diese Erschütterung nicht zuzulassen, denn sonst fehlt ihnen die anschließend notwendige Neusortierung und Neuordnung ihrer eigenen Welt, ihrer Gefühle, Werte, Glaubenssätze und Gedanken.
Es kann sein, dass Menschen diese Erschütterung von sich fernhalten, doch dann verhindern sie womöglich das Annehmen der Situation, eine Realisierung und Verarbeitung des Geschehenen, sowie ihre individuelle Anpassung an die veränderte Situation. Das kann eine anschließende Integration dieser Erfahrung ins eigene Leben erschweren. Im Umgang mit anderen Menschen zeigt sich die Akzeptanz auch darin, dass wir sie gewähren lassen. Die Gefühle, Gedanken und Reaktionen anderer sind deren Sache.
Und natürlich wissen auch Sie, dass wir andere Menschen nicht ändern können, aber wir können lernen, sie in ihrem jeweiligen Verhalten zu akzeptieren, und uns an der Vielfalt der Menschen und ihrer Modelle der Welt erfreuen. Sie sehen, zu welcher reifen Sicht und Gelassenheit Menschen gelangen können, die es geschafft haben, eigene Projektionen wegzulassen, um klarer zu sehen.
Annehmen und Akzeptieren ist eine der allergrößten Kraftquellen für ein intensives, pures Leben. Es macht unseren Lebensweg zu unserem.
DER WUNSCH NACH LEICHTIGKEIT
Ich werde nachdenklich.
Früher gingen die Menschen zu Fuß, dann nutzten sie Pferde, später Kutschen. Dann kam das Auto, und auch hier wird es demnächst so sein, dass wir uns einfach hineinsetzen und es von alleine fährt. Apps ermöglichen neuerdings das Regulieren von Licht und Heizung, während wir nicht zu Hause sind. Die Kleidung der Zukunft wird womöglich Diagnosen erstellen, so wie eine Apple Watch die entsprechenden Vitalzeichen eines Infarktrisikos erkennen kann. Der Mensch strebt nach Vereinfachung.
Neben der Erleichterung des Lebens durch die Technik suchen die Menschen auch nach einer Verbesserung ihrer psychischen Situation. Konzepte wie die positive Psychologie (als wenn die andere Psychologie negativ wäre) und andere Selbstcoaching-Konzepte sind vielerorts präsent. Es gibt Apps für Yogaeinheiten und Meditationsmusik vor dem Einschlafen und dazu Parolen wie »Nimm das Leben leicht«, »Verwirkliche Deinen Traum« etc. Den Gedanken, einen proaktiven Lebensstil zu pflegen, kann ich sehr gut nachvollziehen und halte ihn auch für sinnvoll.
Doch sehe ich immer wieder die Gefahr, es sich schönzureden. Und wenn sie es sich nicht schönreden, dann reden sie es sich leicht. Leicht muss es sein. Positiv sein ist angesagt – bloß kein Pessimist sein. »Zähl die Bohnen des Tages – die glücklichen Momente«, heißt es bei der positiven Haltung. Ja, das ist auch in meinen Augen sinnvoll: innezuhalten, ganz besonders in den guten, feinen, besonderen Momenten, sie auch als solche zu würdigen und sich z. B. den warmen Kieselstein, der in der Sonne lag, in die Hand zu legen und seine Wärme zu spüren. Aber das heißt nicht, sich alles schönzureden. Das nämlich macht schlapp, dabei erschlafft ein Teil der eigenen Muskulatur.
Dann wird der »Dranbleibe-Muskel« nicht mehr trainiert.
Nehmen wir die schweren Momente, Phasen und Zeiten im Leben nicht an, verlernen wir, sie auszuhalten und zu durchlaufen. Unser Leben stellt uns immer wieder auf die Probe und es gilt, auf dem Lebensweg auch Prüfungen zu bestehen und über Hürden zu gehen. Wir müssen Probleme nicht mit der Angel herbeifischen, doch sie nicht anzugehen, ist auch keine Lösung.
»Aus einer nicht beachteten Katze wird ein Tiger«, sagt C. G. Jung. Aufschieben, verdrängen ist keine Lösung, denn das Thema darunter taucht wieder auf. Ganz verständlich, denn es will beachtet werden.
Wir erfahren unsere innere und äußere Kraft viel mehr, wenn es uns auch gelingt, Schweres nicht zu vermeiden, sondern es anzunehmen. Es gilt, sich darin zu üben, es anzunehmen, zu akzeptieren und darin oder damit zu wachsen.
Erleben wir eine Prüfung oder eine schwere Zeit, einen Schicksalsschlag, dann fragen sich viele Menschen: »Warum gerade ich?« Sie fühlen sich als Opfer. Das macht sie hilflos, eine Veränderung scheint außerhalb ihrer eigenen Person zu liegen, womöglich denken sie, andere Menschen seien dafür zuständig.
Die Fragen »Was habe ich davon?« oder »Was kann ich dadurch lernen, erfahren?« beziehen sich auf die eigene Verantwortung, auf die eigenen Möglichkeiten, aus z. B. einem Schicksalsschlag etwas zu lernen. So können wir ihn eher annehmen und akzeptieren. Es sich allzu leichtzumachen, kann verhindern, dass diese innere Kraft trainiert wird. Ähnlich wie im körperlichen Training braucht das mentale Training auch Übung. Und ja, tatsächlich kommen mir frühere Jahre leichter vor – auch wenn ich in diesen Jahren weitaus anders gearbeitet habe. Da gab es zwei Wochen am Stück, zwölf Tage hintereinander, inklusive Wochenende mit jeweils zehn Stunden am Tag.
Aber die Tage damals zogen sich wie Perlen an einer Kette dahin – ganz im Gegenteil zu diesem Jahr. Denn hier ist fast jede Stunde anders – einzigartig, unique. Die Zeit hat eine andere Bedeutung bekommen. Kairos vs. Chronos.
Schwere Momente anzunehmen, wie habe ich das getan?
Was waren die schweren Momente, in denen es dann gelang, einen Moment von Freude oder Glück zu spüren?
Eine lange Nachtfahrt, die Müdigkeit nimmt überhand. Die Lösung: Gespräche führen, die sonst keinen Platz hatten. Singen. Als Beifahrerin dösen. Dankbar sein, zusammen Zeit zu haben. Über Deutschland nachdenken, während ich an den Autobahnabfahrten