Das Günter-Prinzip. Stefan Frädrich
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3. Verzetteln Sie sich in Kleinig-keiten!
Prioritäten braucht kein Mensch, sie wirken nur wie eine Zwangsjacke. Schließlich ist es viel spannender und ehrenhafter, sich den spontanen Eingebungen kritischer Gedanken hinzugeben, anstatt aufs große Ganze zu blicken und über Sinn und Richtung nachzudenken. Nein, Sie sind schließlich kein beschränkter Idealist, der sich nur aufs Wesentliche konzentriert! Sie spielen die komplette Klaviatur der Wenns und Abers, packen stets besonders Vieles und Unterschiedliches an, und wenn Sie der kleine Buchhalter im Kopf kitzelt, dann organisieren Sie sogar Kleinkram so perfekt durch, dass daneben jeder Bürokrat wie ein blasser Dilettant erscheint. Dass Ihre Affinität zum Kleinklein mitunter zu Stillstand und Misserfolgen führt, ist nur ein weiterer Hinweis darauf, dass die Welt Ihre eigentliche tiefere Genialität noch nicht verstanden hat. Warten Sie einfach ab und verzetteln Sie sich weiter: Ihre Zeit wird schon noch kommen!
4. Kneifen Sie bei der kleinsten Schwierigkeit!
Auch Sie würden ja heroisch voranschreiten – wenn nur nicht immer diese blöden Widrigkeiten wären: Menschen, die ganz andere Ziele haben. Regeln und Gewohnheiten, die sich Ihnen in den Weg stellen. Überraschungen, die Sie nicht auf dem Schirm hatten. Deshalb ist es Ihr gutes Recht, bei der kleinsten Schwierigkeit zu kneifen – sonst riskieren Sie womöglich lebensgefährliche Anstrengungen und Ihre Freunde halten Sie für einen fanatischen Workaholic! Nein, nein, das haben Sie nicht nötig. Ergreifen Sie deshalb auch weiterhin effektive Gegenmaßnahmen: Reden Sie lieber statt zu handeln! Wenn schon keine Ergebnisse kommen, haben Sie wenigstens Moral geheuchelt. Lenken Sie sich konsequent ab! Es gibt stets genügend gute Gründe, vom Weg abzuweichen und sich eine Auszeit zu gönnen. Sagen Sie immer »Ja, aber …«, wenn eine Idee erfolgversprechend klingt! Es wird schon gute Gründe dagegen geben, sodass Sie untätig bleiben können. Und überhaupt: Grämen Sie sich nicht! Erfolge sind ohnehin nur etwas für langweilige Spießer. Für Leute, die nichts Besseres mit ihrem Leben anzufangen wissen, als immer nur nach vorne zu blicken. Für dröge und schwächliche Typen, die weit weniger aushalten als Sie. Es gehört immerhin eine ordentliche Portion Stärke dazu, sich einzugestehen, dass die Dinge nicht so laufen wie geplant. Ein Glück, dass Ihnen das eigentlich egal sein kann, weil Sie ohnehin nie ernsthaft vorhatten, Ihre Pläne in die Tat umzusetzen.
5. Suchen Sie sich die falschen Vorbilder!
Von den Erfahrungen Erfolgreicher zu profitieren, kann jeder. Aber wäre das Leben nicht viel zu einfach, wenn wir uns alle gut beraten ließen? Machen Sie es lieber spannend: Lassen Sie sich von Menschen beraten, die garantiert keine praktischen Erfolge vorzuweisen haben, aber dafür umso ausschweifender darüber philosophieren! Lernen Sie von Spitzenpolitikern, wie Wirtschaft funktioniert, lassen Sie sich vom paranoiden Nachbarn in die Geheimnisse der aktuellsten Verschwörungstheorien einweihen oder erfahren Sie vom Psychiater, wie man psychisch gesund und glücklich wird! Denn Theorie schlägt Praxis, ist doch klar. Viel kreativen Input können Sie sich natürlich auch im »Freundes«- oder Kollegenkreis holen, indem Sie jede Ihrer Ideen brav zerpflücken lassen, bevor Sie in Gefahr geraten, sie in die Tat umzusetzen: Lassen Sie Ihr Geschäftsmodell vom arbeitslosen Sachbearbeiter prüfen, lassen Sie sich vom Kettenraucher erklären, wie man mit dem Rauchen aufhört oder vom Angsthasen, wie man mutig wird! Lassen Sie sich einreden, dass Sie auch nicht schaffen, woran bereits andere vor Ihnen gescheitert sind! Also: Strengen Sie sich bloß nicht an, Sie haben es sowieso nicht drauf! Und falls doch eine gewisse Erfolgsgefahr besteht, dann lassen Sie sich wenigstens vor den unkalkulierbaren Risiken warnen! Wie sollen Sie schon alleine absehen, was alles passieren kann? Besser, Sie vertrauen Ihren falschen Vorbilder. Loser leben immerhin verlässlich risikolos.
6. Geben Sie sich niemals selbst die Schuld!
Etwas ist nicht so gelaufen, wie beabsichtigt? Dann suchen Sie rasch nach einem Schuldigen! Sie selbst freilich haben mit Ihrem Misserfolg nichts zu tun. Nein, nein, daran sind immer nur die anderen schuld. Oder irgendwelche widrigen Umstände. Schließlich weiß man ja, wie das so läuft: Erfolg ist Glückssache, weil man nie wissen kann, ob einem die Umstände gewogen sind. Deshalb können Sie auch guten Gewissens neidisch sein auf diese verdammten Erfolgreichen! Die haben alle nur Glück gehabt – ihnen ist Fortuna gewissermaßen auf den Schoß gesprungen wie ein zutraulicher Pudel. Aber egal: Warten Sie einfach weiter ab und versuchen Sie nicht, Ihre Fehler zu analysieren oder sich sogar zu verbessern – eines Tages ist das Glück auch Ihnen hold!
7. Spielen Sie »Alles oder Nichts«!
Ihnen ist natürlich klar: Erfolg ist eine Alles-oder-nichts-Sache! Entweder hat man ihn, oder man hat ihn nicht. So wie bei einer Klippe: Es gibt oben. Und es gibt unten. Dass Erfolg eher einem Gefälle gleicht, also einer Summe mehrerer richtiger Faktoren, die unterm Strich in den nächsten Level führen, halten Sie für esoterischen Schwachsinn. Deshalb seien Sie ungeduldig und drängen Sie, was das Zeug hält! Dass sich gute Systeme entwickeln und in ihren Effekten erst kumulieren müssen, ist theoretischer Blödsinn. Auch dass es dabei oft auf die Zwischentöne ankommt, wie etwa Kommunikation oder menschliche Beziehungen, ist natürlich Quatsch – es zählen schließlich nur die Fakten und Ergebnisse! Seien Sie also jederzeit bereit, alles von einem Tag auf den anderen über den Haufen zu werfen! Seien Sie dabei absolut unflexibel und opfern Sie selbst lange gewachsene Beziehungen auf dem Altar Ihrer täglich wechselnden Impulse! Irgendwann wird die Konstellation schon stimmen.
8. Bringen Sie garantiert keinen Nutzen!
Konzentrieren Sie sich bei all Ihren Handlungen unbedingt nur auf sich und Ihre eigene Perspektive! Denken Sie dabei niemals daran, was andere Menschen von Ihnen und Ihren Ideen haben könnten – solche Sentimentalitäten gehören in psychologische Jammergruppen und platte Marketingkurse! Sie hingegen sind genial – auf Ihre ganz eigene Art. Anderen mit Ihrem Handeln einen Nutzen zu bringen, käme Ihnen nicht in den Sinn. Wozu auch? Jeder ist sich schließlich selbst der Nächste – leben wir nicht in einer völlig egozentrischen Welt? Und denken Sie natürlich auch niemals fächerübergreifend! Sie haben schließlich jahrelanges hartes Wahrnehmungstraining hinter sich gebracht, um Ihren Tunnelblick zu perfektionieren. Nein, nein, Perspektivenwechsel kann man von Ihnen nicht verlangen. Das wäre ja fast so, als sollte sich ein Handwerker auch mit Service und Verlässlichkeit oder ein Computerspezialist mit dem Vermitteln von Basiswissen auskennen! Lächerlich … Übersehen Sie einfach großzügig die Bedürfnisse anderer Menschen! Sie werden auf Ihrem Weg schon alleine zurechtkommen.
9. Nehmen Sie stets mehr als Sie geben!
Und wo wir schon mal bei der Ignoranz sind: Behandeln Sie unbedingt die Menschen schlecht, die gut zu Ihnen sind! Freunde? Loyale Kunden? Verlässliche Mitarbeiter? Stabile Beziehungen? Geliebte Familie? Braucht doch kein Mensch! Oder besser: Wenn die Beziehungen ohnehin schon stehen, müssen sie nicht extra gepflegt werden. Zeigen Sie Ihren Liebsten einfach, dass Sie für Höheres berufen sind: für all die Kunden, die Sie noch nicht gewonnen haben, oder all die tollen Freunde, die andere haben! Die Kirschen in Nachbars Garten sind schließlich immer besonders lecker. Es ist Ihr gutes Recht, immer mehr zu wollen und dabei von denen zu nehmen, die Ihnen etwas geben. Dankbarkeit? Etwas zurückgeben? Oder sogar ein Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen anstreben? Das ist doch nur etwas für hoffnungslose Romantiker!
10. Geben Sie stets mehr als Sie nehmen!
Andererseits: Manchmal müssen Sie im Leben einfach Dreck fressen! Vor allem, wenn Sie die Sympathien der Menschen gewinnen wollen, denen Sie total egal sind, oder die Sie sogar