Golf von Neapel Reiseführer Michael Müller Verlag. Andreas Haller

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Golf von Neapel Reiseführer Michael Müller Verlag - Andreas Haller MM-Reiseführer

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      Totenköpfe als Kultobjekt auf dem Fontanelle-Friedhof

      Antike Forumsreste im Untergrund

      Die frühesten Siedlungsspuren be­fin­den sich überraschenderweise nicht auf dem Bo­den der Altstadt, sondern auf dem Monte Ecchia (Pizzofalcone). Heu­te ist der Hügel hinter dem Castel dell’Ovo voll­ständig überbaut, weshalb man ihn gerne übersieht. In der Antike ragte er wie ein Sporn ins Meer, wäh­rend das Kastell auf einer vorgelagerten Insel stand. Der Name der ersten griechi­schen Sied­lung aus dem 7./6. Jh. v. Chr. lautete Parthenope − eine der drei Sirenen vor der italie­nischen Küs­te, an denen Odysseus im Verlauf sei­ner Irrfahrt vorbeisegelte. Der Sage nach sollen sich die sanges­freudigen Schön­heiten ins Meer ge­stürzt haben. Die sterblichen Reste der Parthenope wur­den auf der Insel Megaris (Mega­ride), Sitz der oben er­wähnten See­fes­tung, angeschwemmt. Noch heute gilt die Sire­ne − neben Vergil und San Gennaro − als Schutz­patronin der Stadt. Die ersten Be­woh­ner waren Grie­chen aus der nahe gelegenen Siedlung Cumae (→ Link); die­se gründeten um 500 v. Chr. östlich der „alten Stadt“ (Palaepolis) eine neue Sied­lung und nannten sie Neapolis. Die „Neustadt“ der Griechen lag exakt auf dem Boden der heutigen Altstadt; wer im Komplex San Lorenzo Maggiore die Trep­pen hi­nun­ter­steigt, kann noch die Ruinen aus grie­chischer und römischer Zeit be­sich­tigen. Wie die meisten anderen grie­chi­schen Kolonien in Unteritalien, blieb Nea­pel auch während der römischen Herr­schaft unabhängig. Als man sich aber in den römischen Bürger­kriegen im 1. Jh. v. Chr. auf die falsche Seite schlug, folgte die Stra­fe auf den Fuß: Nach dem Sieg Roms verleibte Sulla die Stadt am Golf dem wach­senden Im­perium ein.

      Im Mittelalter und in der Neuzeit ver­lief die Entwicklung Neapels im Rah­men der po­litischen Ereignis­ge­schichte Unteritaliens (→ Ge­schichte). Bis 1139 war Nea­pel Haupt­stadt eines unabhängigen, mit Byzanz ver­bündeten Herzogtums. Eine neue Epoche begann danach mit den Nor­man­nen, welche die Stadt am Golf in ihr Kö­nigreich Sizilien integrierten. War in der normannischen Epoche die Haupt­stadt noch Palermo, verschoben sich in der Folge die Gewichte nach Norden: Ei­ne Zäsur bedeutete die Grün­dung der Universität 1224 durch Kaiser Fried­rich II. − die erste nichtkirchliche Hoch­schu­le Europas! Nach der öffent­lich­keits­wirksamen Hin­richtung des blut­jun­gen Staufersprosses Konradin auf der Piazza del Mercato ver­legte Karl I. von Anjou seine Residenz von Palermo nach Nea­pel und läutete ein neu­es Zeitalter für die Stadt ein. In der an­gevinischen Epo­che wuchs die Ein­woh­ner­zahl der Stadt ra­sant, begleitet durch eine fie­ber­hafte Bau­tätigkeit: Am Ha­fen ent­stand der trut­zige Maschio An­gio­ino als neue Re­si­denz (Castel Nuo­vo); in der Alt­stadt wuchsen die rie­si­gen Klosterkomplexe San­ta Chiara und San Lorenzo Mag­gio­re in die Höhe; auf dem Hügel ent­stan­den die Certosa di San Martino und mit dem benach­bar­ten Castello Sant’El­mo die dritte gro­ße An­lage im Drei­ge­stirn der nea­po­li­ta­ni­schen Festungen. Mit der Macht­über­nah­me der Aragonier zu Be­ginn der Renais­san­ce entfaltete sich in Nea­pel eine höfische Pracht, wie sie auch in an­deren Re­si­den­zen üblich war: Aus­druck der städte­bau­li­chen Ver­än­de­run­gen in je­ner Zeit ist das neue Triumph­por­tal aus Marmor am Castello Nuovo. Die weit­rei­chen­d­sten Verände­run­gen im Stadtbild er­folg­ten jedoch im an­schlie­ßenden Ba­rock­zeit­alter. Gan­ze Stra­ßen- und Gas­sen­zü­ge wichen neuen Pracht­boule­vards, u. a. zer­schnitt die Via To­le­do die ge­wach­se­nen Wohn- und Ar­beits­struk­turen. Zwi­schen dieser neuen Ver­kehr­sachse und dem Vo­mero-Stadthügel ent­stand mit den Quar­tieri Spagnoli ein ganz neues Stadt­vier­tel, das vorwiegend von spanischen Sol­da­ten bewohnt wurde. Um der stän­dig wach­senden Be­völ­ke­rung Herr zu werden, wur­de verstärkt in die Höhe ge­baut. In der frühen Neu­zeit galt Neapel geradezu als Stadt der Hoch­häuser! Schließ­lich ver­än­derten die Ba­rock­kir­chen, die in fast aber­wit­ziger Anzahl neu ent­stan­den, das Aus­sehen der Stadt nach­hal­tig. In „der zwei­ten Hälfte des 17. Jahr­hun­derts“, schrieb der Kultur­hi­sto­riker Dieter Rich­ter, „zählt man 304 Ki­rchen und 144 Klö­ster mit fast 5000 Geist­lichen.“

      In der Neuzeit wurde die Stadt im­mer wieder von Kata­stro­phen heim­gesucht. Im Dezember 1631 brach, nach langer Ruhephase, der Ve­s­uv aus. Das Unglück kostete ca. 3000 Menschen das Leben. Bei der an­schlie­ßenden Cho­leraepi­de­mie breitete erst­mals der Stadtpatron, der hl. Gennaro, sei­ne schütz­ende Hand über die Nea­po­litaner aus (→ Kasten). 1647 setzte für kurze Zeit der Ma­sa­niello-Auf­stand die bestehende Ordnung au­ßer Kraft. Die Erhebung des Fischer­händ­lers namens Tom­maso Aniello wur­de blutig nie­der­ge­schla­gen. Beteiligt waren an der Re­vol­te auch zahl­rei­che Angehörige des nea­po­li­ta­nischen Pö­bels, die be­rühmt-be­rüch­ti­gten Laz­za­roni (→ Kas­ten). Wäh­rend der Herrschaft des Bour­bonen Fer­di­nand IV. wurde im 19. Jh. die Wirt­schafts­krise vi­ru­lent, un­ter­bro­chen le­dig­lich durch eine Re­formphase unter dem Franzosen Joa­chim Murat. Aber nach der Nie­der­la­ge Na­po­leons in der Schlacht von Wa­ter­loo 1815 kehrte der al­te Schlendrian wie­der in der Stadt am Golf ein, in der Orts­fremde sich nun zu­neh­mend un­wohl und un­si­cher zu füh­len be­gannen. Immer wie­der wü­te­ten Epi­de­mien, die prekäre soziale La­ge der Laz­za­roni spitz­te sich wei­ter zu. Nach der unità, dem Aufgehen des Kö­nig­reichs beider Si­zilien im neu ver­ei­nig­ten Kö­nigreich Ita­lien, begann die längst über­fällige Altstadtsa­nie­rung: Vie­le Häuser wur­den erst­mals ans Ka­na­li­sa­tions­netz an­ge­schlos­sen, neue Stra­ßen­ach­sen und Re­prä­sen­ta­tiv­bau­ten ver­edel­ten um die Wen­de vom 19. zum 20. Jh. das Stadt­zen­trum, u. a. der Cor­so Umberto I oder die Gal­le­ria Umberto I mit ihrer weit­hin sichtbaren Glas­kup­pel. Die urbane Ent­wicklung im 20. Jh. ist auch von Ver­su­chen ge­kenn­zeichnet, in der Peri­phe­rie In­du­strie anzusiedeln. Dabei führ­te die Errichtung neuer Wohn­viertel an den Rändern zu einem Land­schafts­fraß un­ge­kannten Aus­maßes. In der Mussolini-Epoche füllten im Stadt­zen­trum neue Häuser­blocks zwi­schen Via To­ledo und Corso Umberto I die be­stehen­den Bau­lücken. In den 1980er- und 1990er-Jah­ren entstand nach Plä­nen des renom­mierten japanischen Ar­chi­tekten Kenzō Tan­ge das Centro direzionale − urbane Hochhäuser mit Spiegelglasfassaden, die Reisenden be­reits bei der An­fahrt mit der Eisenbahn ins Auge sprin­gen.

      Die Lazzaroni − Pöbel unter dem Schlaraffenbaum

      Eine wichtige stadtsoziologische Besonderheit Neapels waren die Lazzaroni − das urbane Lumpenproletariat. Die meiste Zeit des Jahres ver­brachten die Bet­tler, Stadtstreicher, Tagediebe und He­rum­treiber draußen in den Gassen oder lungerten in Haus­ein­gängen herum. Nur im Winter zogen sie sich zum Schla­fen in die un­ter­irdisch gelegenen Katakomben zurück, in jenes Napoli Sotteranea, das heute zu den Touristenmagneten der Stadt zählt (→ Link). Zeit­weilig sollen bis zu 60.000 Nea­politaner dieser Schicht angehört haben, de­ren Name sich viel­leicht vom bibli­schen Lazarus oder aus dem spanischen la­cería (Lepra) ableitet. Fest steht, die lazzari, wie sie auch genannt wurden, tru­gen ihren Namen mit Stolz. Zur kol­lek­tiven Identität trug auch deren ro­te Mütze bei, jene Kopf­be­de­ckung, die durch die Fran­zö­si­sche Re­vo­lu­tion 1789 als Phry­gi­sche Mütze oder Jakobi­ner­müt­ze berühmt wurde. Die mei­ste Zeit über ging es in den nea­po­li­ta­nischen Elends­vierteln trotz gro­ßer Armut recht fried­lich zu. Den­noch war das Gewalt­po­ten­zial der Lazzaroni in ganz Eu­ropa ge­fürch­tet, seit sich die Armen­schicht im legendären Auf­stand unter Füh­rung von Ma­sa­niello (→ Geschichte) kollektiv ge­gen

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