Innovationsmanagement im Sport. Regina Roschmann
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1.1 Einleitung und Aufbau des Buches
Der Sport hat über die letzten Jahrzehnte einen enormen Bedeutungsanstieg erlebt. Der Dachverband der Sportvereine in Deutschland, der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), berichtet von 27,57 Millionen Mitgliedschaften im Jahr 2019 und damit einem Anstieg um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (vgl. DOSB (2020), S. 1). Hinzu kommen Sporttreibende, die in kommerziellen Organisationen ihrem Bewegungsdrang nachgehen. Allein in deutschen Fitnessstudios waren 2019 11,66 Millionen Mitgliedschaften registriert, 2015 waren es noch 9,46 (vgl. DSSV (2020b)). Weltweit sind es sogar 183 Millionen Mitgliedschaften (vgl. IHRSA (2019), zit. nach DSSV (2020a)). Und auch die informellen, also selbstorganisierten Aktivitäten, tragen dazu bei, dass insgesamt ca. 80 Prozent der Deutschen angeben, Sport zu betreiben, 61 Prozent sogar regelmäßig (vgl. Repenning/Meyrahn/an der Heiden et al. (2019), S. 6).
Die Bedeutung des Sports ergibt sich auch aus vielfältigen Funktionen und Aufgaben, die ihm zugeschrieben werden. Demnach ist er in der Lage u. a. Menschen unterschiedlicher Herkunft oder unterschiedlichen Alters zusammenzubringen, kann als geselliges Erlebnis und als Plattform für Werte wie Fair Play und Respekt dienen, Toleranz und Weltoffenheit fördern und eine wichtige Rolle für die Gesundheit spielen (vgl. Deutscher Bundestag (2014), S. 13). Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO hat mit ihren globalen Empfehlungen für körperliche Aktivität – zu welcher auch der Sport explizit gehört – die Bedeutung von Bewegung für die Gesundheit hervorgehoben (vgl. WHO (2010)). An der Entwicklung der Nationalen Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung in Deutschland waren Sportwissenschaftlicher und Sportmediziner entscheidend beteiligt und an ihrem Transfer in die Praxis wirkten innerhalb der Arbeitsgruppe »Bewegungsförderung im Alltag« etliche sportbezogene Verbände und Institutionen in zentraler Rolle mit (vgl. Rütten/Pfeiffer (2016)). Entsprechende Untersuchungen zeigen auch, dass Sport beim Erreichen der Bewegungsempfehlungen für viele Menschen eine wichtige Rolle spielt. So erreichen 34 Prozent der Bevölkerung (ab 16 Jahren) in Deutschland die Empfehlungen der WHO schon alleine durch ihre sportlichen Aktivitäten (vgl. Repenning/Meyrahn/an der Heiden/Ahlert/Preuß (2020), S. 11).
Auch die Europäische Union hat mit der Herausgabe des sogenannten Weißbuchs Sport im Jahr 2007 den Sport endgültig auf die Agenda der europäischen Politik gehoben. Eine Vielzahl an Maßnahmen mit Fokus auf den Sport wurde dadurch auf den Weg gebracht. Betont wird von der EU dabei sowohl die wirtschaftliche als auch die gesellschaftliche Bedeutung des Sports (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2007)).
Betrachtet man den Sport aus einer ökonomischen Perspektive, so zeigt sich, dass dieser zu einem beträchtlichen Wirtschaftsfaktor geworden ist. Der sportbezogene Anteil am Bruttoinlandsprodukt Deutschlands lag im Jahr 2016 bei 71,6 Milliarden Euro. Das entspricht 2,3 % des BIP (vgl. Ahlert/Repenning/an der Heiden (2019), S. 8;
Zwar ist die Sportwirtschaft in den Jahren 2010 bis 2016 nicht so stark gewachsen wie die gesamte Volkswirtschaft, was unter anderem damit erklärt wird, dass die EU-Schuldenkrise die dienstleistungsorientierte Sportwirtschaft deutlich stärker beeinträchtigt hat als die exportorientierte Industriewirtschaft in Deutschland. Vor allem das Wachstum der Konsumausgaben privater Haushalte und des Staates kann jedoch im Sportsektor mit der gesamten Volkswirtschaft mithalten. Die angesichts dessen geringe Wachstumsrate des BIP erklärt sich vor allem durch die Globalisierung der Gütermärkte, die in Deutschland zu einem Überschuss an Importen im Wert von 24,4 Mrd. Euro im Vergleich zu Exporten im Wert von 3,8 Mrd. Euro geführt hat. Die enormen Konsumausgaben für Sport führen in Deutschland also nur teilweise zu einer Steigerung des BIP (vgl. Ahlert/Repenning/an der Heiden (2019), S. 6 ff.).
Tab. 1: Entwicklung ausgewählter Kennzahlen der Verwendungsseite des Sportsatellitenkontos in Deutschland für die Berichtsjahre 2010 und 2016 (Quelle: Ahlert/ Repenning/an der Heiden (2019), S. 8)
20102016*Veränderung in % 2016 gegenüber 2010
*Ergebnis einer Fortschreibung
Als eine Antwort auf die Globalisierung und andere Herausforderungen wie den verschärften Wettbewerbsdruck oder kürzere Produktlebenszyklen, denen Unternehmen sich zunehmend gegenübersehen und die ihren langfristigen Erfolg erschweren, ist seit geraumer Zeit der Innovationsbegriff in aller Munde und wird in allen Bereichen der Gesellschaft, Politik und Wirtschaft umfassend diskutiert (vgl. Vahs/Brem (2015), S. 1, S. 4, S. 8). Auch ein Abfließen von Technologie-Know-how und ein damit verbundener Anstieg von Imitationen, der die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Ländern oder Unternehmen bedroht, führt dazu, dass Innovationen eine hohe Relevanz zugeschrieben wird (vgl. Meffert et al. (2019), S. 405 f.). Innovationen gelten – neben der Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer und verschiedenen Rationalisierungsmaßnahmen – als die dritte und mit Blick auf einen Wettbewerbsvorsprung vielversprechendste Möglichkeit, auf zunehmenden Konkurrenzdruck zu reagieren (vgl. Boutellier (1997), S. 15, zit. nach Hochmeier (2012), S. 11). Daraus entsteht in vielen Bereichen eine gewisse Innovationsnotwendigkeit zur Sicherung von Wettbewerbsvorteilen (vgl. Meffert et al. (2019), S. 405 f.). Selbst im gemeinnützigen Sport lässt sich ein höherer Wettbewerbsdruck um Zuschüsse, Spenden, Freiwillige und Teilnehmer feststellen (Svensson/Cohen (2020), S. 139). Cropley und Cropley ((2018), S. 1) formulieren gar: »Moderne Organisationen müssen innovieren oder sterben.«
Dem Sport werden nicht selten Eigenschaften zugeschrieben, die wenig innovationsorientiert sind. Sportvereine reagieren z. B. vergleichsweise langsam auf qualitative und quantitative Nachfrageänderungen – und müssen dies unter Umständen auch gar nicht (vgl. Heinemann (1995); Breuer (2003)). Aktuelle Vorwürfe aus Politik, Medien und Wirtschaft unterstellen dem organisierten Sport derzeit beispielsweise, verkrustet, altmodisch oder traditionalistisch zu sein, weil er sich im Umgang mit Trends wie dem E-Sport schwertut (vgl. Borggrefe (2019), S. 90)? Und doch hat der Innovationsbegriff ebenso wie innovatives Verhalten mittlerweile, ja vielleicht schon immer, einen festen Platz auch im Sport eingenommen. So gilt gerade der Sport an anderer Stelle als besonders innovativ, da er in der Lage ist, sich sozialen, politischen und technologischen Veränderungen anzupassen (vgl. Ratten/Ferreira, 2016). Vor allem im Spitzensport stellt das Streben nach Siegen und Rekorden sogar einen natürlichen Treiber der Innovation dar (vgl. Balmer/Pleasence/Nevill (2012), zit. nach Tjønndal (2017), S. 291).