Innovationsmanagement im Sport. Regina Roschmann
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Trotzdem geht es in diesem Buch vielmehr darum, den Lesern deutlich zu machen, wie unterschiedlich Sport definiert werden kann und welche verschiedenartigen Ausprägungen des Sports existieren. Die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Sports und seine verschwimmenden Grenzen bringen es mit sich, dass es letztlich unmöglich ist, ein Innovationsmanagement für den Bereich des Sports zu beschreiben, welches alle Besonderheiten reflektiert und jeweils spezifisch aufgreift und verarbeitet. Beispielsweise wird der Innovationsmanagementprozess eines großen Sportartikelherstellers in vielen Punkten dem Prozess anderer produzierender Unternehmen außerhalb des Sports viel ähnlicher sein als dem Innovationsmanagement eines Sportvereins – wenngleich beide auf zentrale Art und Weise mit Sport in Verbindung stehen. Andererseits sind Produkte und damit auch Produktinnovationen bei Sportartikeln durchaus durch Besonderheiten gekennzeichnet, die sich bei anderen Produkten nicht oder nicht in gleichem Ausmaß finden. Hinsichtlich anderer Kriterien ist ein Sportartikelhersteller dann wiederum einem Sportverein ähnlicher als einem Automobilhersteller. Ein wichtiges Ziel des vorliegenden Buches ist es deshalb, mit Blick auf Innovationen die Breite des Sports darzustellen und die Leser in die Lage zu versetzen, selbst für spezifische Beispiele spezifische Lösungen zu finden.
1.4 Innovationsarten
Um sich dem Innovationsbegriff weiter zu nähern, aber auch, um spezifische Innovationen umfassend analysieren und steuern zu können, ist es hilfreich, sie in einem ersten Schritt mit Hilfe übergreifender Merkmale zu beschreiben. Dies kann unter Zuhilfenahme verschiedener Differenzierungskriterien durch die Einteilung in Innovationsarten erfolgen (
Tab. 4: Differenzierungskriterien von Innovationen (Quelle: In Anlehung an Vahs/Brem (2015), S. 52; Verhältnis Innovator-Nutzer ergänzt durch Verf.)
DifferenzierungskriteriumKernfrage
In diesem Sinne folgt das Differenzierungskriterium des Gegenstandsbereichs der Innovation der Frage, was verändert wird. So lassen sich beispielsweise Produkt- von Prozessinnovationen unterscheiden (vgl. Vahs/Brem (2015) S. 52). Als eine der vielleicht legendärsten Produktinnovationen im Sport ist sicherlich die Entwicklung des Schraubstollenschuhs zu deuten, die – folgt man der Legende – den ersten deutschen Fußballweltmeistertitel 1954 ermöglicht, wenn nicht sogar herbeigeführt hat (vgl. Kulke (2014)). Das Beispiel zeigt auch, dass Sportprodukte häufig als Leistungsbündel vorliegen (vgl. Horch et al. (2014), S. 286). Für die Zuschauer ist der Produktnutzen nur in der Gesamtschau des Spiels zu bewerten. Er generiert sich aus dem Zusammenspiel von Atmosphäre, Spannung, Bedeutung des Spiels (Finale um die Weltmeisterschaft) und – was sich sogar erst mit Abschluss des Spiels manifestierte – dem Spielergebnis, welches Deutschland erst zum Fußballweltmeister machte. Das einzelne, innovative Produkt des Schraubstollenschuhs mag der Legende nach eine zentrale Rolle innerhalb des betreffenden Fußballspiels eingenommen haben und wie man weiß, hat sich das Produkt für viele Jahrzehnte im Fußballsport durchgesetzt. Der Erfolg liegt jedoch nicht am Schuh allein, sondern beispielsweise auch am enormen Erfolg des Fußballs selbst mit mehr als 7,1 Millionen DFB-Mitgliedern im Jahr 2019 nur in Deutschland (vgl. DOSB (2020), S. 9). Auch die Entwicklung des Fosbury-Flops durch den Hochspringer Dick Fosbury – ein Innovationsbeispiel, das an späterer Stelle noch einmal umfassender aufgegriffen wird – ging einher mit der Weiterentwicklung der Landefläche, die damals noch aus Holzschnitzeln bestand, wodurch sich das Ziel einer sicheren Landung stark auf den Sprung selbst auswirkte. Entwicklungen bei den Sprungschuhen förderten darüber hinaus die Verfeinerung der neuen Sprungtechnik (vgl. Goldenberg/Lowengart/Oreg/Bar-Eli (2010), S. 41). Für das gezielte Management von Innovationen birgt dies die Herausforderung, dass Innovationen gerade im Sport oft nicht isoliert entwickelt werden können, sondern vor dem Hintergrund von Leistungsbündeln gedacht und umgesetzt werden müssen.
Ein Beispiel für eine Prozessinnovation im Sport ist die Einführung von NikeiD durch den Sportartikelhersteller Nike. Dieses Konzept bezieht die Kunden direkt in den Produktionsprozess ein, indem sie verschiedene Komponenten oder Farben eines Schuhs individuell zusammenstellen können und so ihre eigenen Schuhe selbst designen, bevor diese nach ihren Wünschen hergestellt werden (vgl. Schallmo/Brecht (2017), S. 3). Während die durch das Beispiel dargestellte Einbeziehung der Konsumenten in die Herstellung eines Sachgutes in den letzten Jahren insbesondere durch technische Entwicklungen einen Aufschwung erfahren hat, ist die Beteiligung von Kunden an der Produkterstellung seit jeher ein typisches Merkmal vieler Sportgüter – ein im Englischen als Co-Creation bezeichneter Sachverhalt (vgl. Hedlund 2014; Woratschek/Horbel/Popp (2014)). Ein Bundesliga-Fußballspiel ohne Zuschauer stellt ein ganz anderes Produkt dar, als ein Spiel vor vollen Rängen. Ein Zumba-Kurs im Fitnessstudio kommt ohne Teilnehmende noch nicht einmal zustande. Und der Berlin-Marathon würde mit zehn Marathonis augenscheinlich ein vollkommen anderes Produkt darstellen als mit vielen tausend beteiligten Sportlern.
Die Beispiele verdeutlichen nicht nur erneut, dass das »Produkt« Sport oft schwer greifbar ist, sie zeigen auch, dass im Sport in vielen Fällen Kunden bzw. Konsumenten in die Erstellung des Produktes eingebunden sind. Die Entwicklung von Innovationen ist dadurch unter Umständen besonders schwer planbar bzw. umsetzbar.
Weitere Unterscheidungsformen nach dem Gegenstandsbereich der Innovation sind Differenzierungen in soziale Innovationen, welche sich auf soziale Ziele beziehen oder organisatorische Innovationen (auch Strukturinnovationen genannt), die Veränderungen in der Aufbau- oder Ablauforganisation beinhalten. Auch die Kategorie der Marketinginnovationen, die sich auf neue Marketing- oder Verkaufsmethoden beziehen, ist relativ verbreitet, ebenso wie die Kategorie der Geschäftsmodellinnovationen, welche eine neuartige Konfiguration der Wertschöpfungsaktivitäten eines Unternehmens fokussieren (vgl. Vahs/Brem (2015) S. 52). Es zeigt sich, dass die Frage nach dem Gegenstandsbereich der Innovation eine Vielzahl möglicher Kategorien hervorbringt. Auch die an späterer Stelle dargestellten Typen von Innovationen im Sport ließen sich hier einordnen.
Der Auslöser einer Innovation kann hingegen grundsätzlich aus zwei Richtungen kommen. Einerseits kann die Innovation durch den Markt entstehen, d. h. die Bedürfnisse bzw. die Nachfrage der Kunden führen zu einer Innovation, weshalb diese als zweckinduzierte oder auch Pull-Innovation bezeichnet wird. Dieser Innovationsart wird eine relativ hohe Erfolgswahrscheinlichkeit nachgesagt (vgl. Vahs/Brem (2015) S. 63), was unmittelbar nachvollziehbar erscheint, da durch die vorhandene Nachfrage oder die zumindest vorhandenen Bedürfnisse ein großer Schritt in Richtung Durchsetzung der entwickelten Neuheit bereits getan ist. Demgegenüber steht die mittelinduzierte oder auch Push-Innovation, bei welcher der Auslöser