Feenders. Jürgen Friedrich Schröder
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»Let goed op jezelf!«, hatte ihr Vater noch gesagt. Und Marijke fragte sich unwillkürlich, ob seine Sorge nun mehr dem Rad oder seiner Tochter galt. Sie war, wie man so schön sagte, een heel mooi meisje9, dem die Männer mittlerweile gerne nachschauten. Ihre Eltern erfüllte dies naturgemäß mit Freude und Sorge zugleich.
Marijke kümmerte das wenig. Sie hatte ein sonniges Gemüt und eine freundliche Art, und wenn ihr einer zu nahe kam, konnte sie ziemlich resolut werden. Bislang hatte das jeder respektiert und so machte sie sich keine allzu großen Gedanken. Für einen Freund, Verehrer, Kavalier oder wie auch immer man das nennen wollte, fühlte sie sich einfach noch zu jung.
Marijke rollte mit dem schönen neuen fiets die Straße entlang, die nach Bunde führte. Die Grenze zum Deutschen Reich beschrieb hier eine Ausbuchtung, einen spitzen Zipfel, der in das Nachbarland hineinragte. Früher hatte an dieser Stelle vielleicht einmal jemand vom Zoll oder ein Polizist gestanden, meistens jedoch überhaupt niemand. Nun befand sich am Ortsende der Posten van de »Koninklijke Landmacht«10, ein kleines Wachlokal, eine Holzbaracke und eine Barriere von Sandsäcken in der Form eines Hufeisens. Daraus lugte ein Maschinengewehr hervor. Die beiden wachhabenden Soldaten winkten ihr freundlich zu. Im November 1938, nach den fürchterlichen Anschlägen auf die Synagogen, als immer mehr Juden in die Niederlande geflohen waren, hatte man offiziell nur noch wenige Flüchtende aufgenommen und ansonsten die Grenze geschlossen, um den mächtigen Nachbarn nicht zu provozieren. Häufig schauten jedoch niederländische Grenzbeamte und Soldaten in die andere Richtung, wenn Flüchtlinge die Grenze passieren wollten. Herzloses Verhalten kam für die meisten nicht infrage. Auch dieser Militärposten war seit dem schrecklichen September, dem Kriegsausbruch im letzten Jahr, noch einmal verstärkt worden. Auf der anderen Seite der Grenze bei den Deutschen war es ähnlich. Es herrschte Krieg zwischen Deutschland und den Alliierten, England und Frankreich. Und keiner wusste, ob und wann der Wahnsinn im Westen richtig losgehen würde. Respektierten die verfeindeten Mächte die niederländische Neutralität, wie dies im »wereldoorlog«, dem großen Krieg, der Fall gewesen war?
Vom deutschen Posten wurde Marijke allerdings kontrolliert, ihr »persoonlijk document« sorgfältig studiert.
»Gute Fahrt, Fräulein Dijkstra!«, wünschte der Wachhabende und trat aus dem Weg. Höflich waren sie, die deutschen Wachposten. Meist trugen sie keine Helme, sondern nur diese komischen Mützen. Das ließ sie ein wenig menschlicher erscheinen.
Normalerweise hätte Marijke die Emsfähre bei Leerort genommen. Der Bau der neuen Brücke, vor drei Jahren begonnen, war noch nicht fertig. An der Dampffähre gab es oft längere Wartezeiten. So hatte sie beschlossen, über Bunde und Weener zu fahren und den Bohlenweg an der großen Eisenbahnbrücke über die Ems zu nehmen, obwohl es ein Umweg war.
Dort an der Emsbrücke stand zwar ein Posten, der sie sehr höflich bat, einen Blick in ihre Fahrradtaschen werfen zu dürfen, aber das war es auch schon.
»Obacht!«, hatte der Soldat noch gesagt. »Die Bohlen sind glitschig, schieben Sie Ihr Rad lieber!«
Nun ging es den alten Klosterweg entlang bis zur nächsten Eisenbahnbrücke. Die führte über die Leda. Aber was war das?
Mitten auf dem Weg zur Brücke mit ihrem seitlichen Übergang stand wiederum ein Posten. Groß, mit grimmigem Gesichtsausdruck, Stahlhelm auf dem Kopf und einem geradezu bösartig aussehenden Gegenstand in den Händen!
Een machinepistool, dachte Marijke.
»Kein Durchgang! Umdrehen!« Der grimmige Soldat unterstrich seine Worte durch eine unmissverständliche Bewegung mit seiner grässlichen Waffe.
Marijke machte kehrt und murmelte nur noch: »Als je me niet bijt, bijt ik jou ook niet!«11
»Werden Sie nicht frech, junge Frau!«
Ooch, jetzt verstand der widerliche Kerl auch noch ihre Sprache! Sie machte, dass sie fortkam. Sie wusste, ein wenig weiter führte die Brücke der Reichsstraße 70 über den Fluss.
Gleich darauf blieb sie wieder stehen, denn sie hatte etwas Merkwürdiges gesehen. Ein ganzes Stück hinter der Brücke, auf einem Seitengleis – da stand etwas, das dort irgendwie nicht hingehörte. Sie blickte noch einmal in die Richtung, aber das Ding war auf diese große Entfernung im Dunst des Tages nicht recht auszumachen. So richtig wie ein Zug sah das nicht aus. Schon wurde der Posten wieder auf sie aufmerksam.
»Weiterfahren!«, brüllte er. »Hier gibt’s nichts zu sehn!«
Marijke setzte sich sofort wieder in Bewegung. Wer konnte schon wissen, was diesem moffen als Nächstes einfiel. Aber warum machte der solch einen Aufstand? Die anderen deutschen Soldaten hatten sich dagegen ganz freundlich verhalten. Egal, weiter! Auf der Straßenbrücke über die Leda und noch ein ziemliches Stück zwischen Weideland dahin, dann hatte sie Leer erreicht. Auf der Bremer Straße fuhr sie über den großen Bahnübergang, um gleich darauf an den Gleisen entlang den Weg nach Norden einzuschlagen.
Bah, was für ein Mullsand. Das Vorderrad ihres schönen fiets grub sich ständig ein. Das fehlte noch, sich hier mit ihrem Prachtstück langzulegen. Auf einmal kam von hinten ein motorfiets herangerast. Der Kerl fuhr für einen Moment neben ihr her und sie erschrak fast zu Tode. Stahlhelm, Schutzbrille und ein hässlicher grauer Gummimantel. Er brüllte durch den Motorenlärm: »Mädel, runter von der Straße!« Mit der stulpenbewehrten Hand deutete er nach hinten.
Panzer!
Marijke flüchtete nach links hinter die Baumreihe. Und da fegten sie auch schon vorbei. Große Dinger mit acht Rädern und in einem Höllentempo. Der Kradfahrer war bereits ganz weit vorne, stand jetzt am Logaer Weg und sperrte die Straße. Die Panzer rasten, ohne die Fahrt zu vermindern, über die Kreuzung hinweg und verschwanden in der Ferne – auf demselben Weg, den Marijke nehmen wollte.
Sie wartete, bis der Staub sich gelegt hatte, dann fuhr sie gemächlich weiter. Rheidersum kam in Sicht.
Och nee, nicht auch noch hier. Militär, wohin sie blickte. Auf der Hauptstraße stand die Schützenpanzerkolonne, die eben noch an ihr vorbeigerast war. Dort lag der große Bauernhof, schon fast ein Gutshof mit seinem großen Gulfhaus und dem angebauten Scheunenteil. Hier wohnte ihre Freundin, die sie endlich wieder einmal besuchen wollte. Sie zog an dem Griff, der die mechanische Glocke in Gang setzte. Das laute Schellen konnte man bis in den Stallbereich hören, wie sie wusste.
Gleich darauf öffnete Georg Feenders mit seinem Hund im Schlepptau die Tür: »Moin, Marijke, kumm rin!« Das unvermeidliche Grinsen – von einem Ohr zum anderen, wie sie dachte – fehlte auch diesmal nicht.
»Halloo, hoe gaat het?«, begrüßte sie ihn und kraulte Antje hinter den Ohren.
»Oh ja, all heel mooi! Lilli is achtern in de Stal!« Er deutete mit dem Daumen der erhobenen Rechten hinter sich. »Jümmers doorlang!«
Ihre Unterhaltung wurde meist in dieser komischen Mischung aus niederländischer Sprache und ostfriesischem Platt geführt. Beides klang recht ähnlich. Verständigungsprobleme gab es nicht.
Im Stall traf Marijke auf eine bunte Gesellschaft. Lilli stand dort und unterhielt sich mit mehreren Soldaten. Einer führte gerade zwei Reitpferde in leer stehende Boxen. Trakehner, wie Marijke am Brandzeichen, der Elchschaufel, feststellte. Es waren wunderschöne Tiere.
Die beiden Freundinnen umarmten sich zur Begrüßung.
»Warum