im Schlaraffenland. Heinrich Mann

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im Schlaraffenland - Heinrich Mann

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Na, natürlich, Sie haben doch seinen Konkurrenten Ratibohr bei seiner Frau ausgestochen!“

      Ein demokratischer Adel

      „Warten Sie mal, ich glaube, es wird gegessen,“ sagte Diederich Klempner.

      Der alte feine Herr, dem Andreas bald nach seinem ersten Erscheinen in diesen Räumen gegen die Schulter gestoßen hatte, schritt würdevoll mitten durch die gefüllten Salons. Mau machte Platz, und er näherte sich der Hausfrau. Gleich darauf begann die Menge der Gäste ihren Durchzug durch das getäfelte Zimmer mit den Gobelins, wo das Büffet stand. Andreas, der mit Klempner neben der Tür stehen blieb, um dem Vorbeimarsch zuzusehen, ging nicht mehr unbeachtet im Strome unter. Er hatte im Verlauf der letzten Viertelstunde Namen und Geltung erlangt. Mit Stolz hielt er die prüfenden Frauenblicke aus, und jedes Mal, wenn einer der Herren auf ihn zutrat, sich verbeugte und einen Namen nannte, schlug ihm das Herz höher. Es war ein Triumph, und Andreas fand, dass er ihn verdient habe. Die Laune einer mächtigen Herrin zog eine allen sichtbare Glorie um sein Haupt. War es nur eine Laune? Er musste sich wohl so betragen haben, dass sie ihn treffen konnte!

      Einer der ersten die vorüberkamen, war ein ungewöhnlich starker Herr, mit schwarzer Perücke und einem glattrasierten Gesicht, das aussah wie das eines abgeschminkten Schauspielers. Er führte Lizzi Laffé am Arm. Klempner merkte, wie Andreas in Erregung geriet.

      „Gefällt sie Ihnen?“ fragte er mit merklicher Genugtuung. Andreas hatte Lizzi gar nicht beachtet. Er erkundigte sich:

      „Ist das nicht Herr Jekuser?“

      „Wer denn sonst?“ sagte Klempner. „Sie kennen wohl Ihren Verleger noch nicht.“

      Beinahe überwältigt sah Andreas dem Besitzer des „Nachtkurier“ nach, einem der Despoten der Literatur, einem der Beherrscher der öffentlichen Meinung, einem Mächtigen, gegen den der große Chefredakteur Doktor Bediener nur ein Sklave war, und der nun gleich der Masse der anderen Sterblichen über die Galerie des Treppenhauses den Weg in den Speisesaat wanderte.

      Türkheimer kam mit der jungen Frau Blosch, Herr Liebling führte die russische Weltreisende Fürstin Bouboukoff, auf die Klempner Andreas aufmerksam machte. Die Dame hatte Schlitzaugen, die wie zwei Kohlenstriche aussahen, und sie hielt eine Zigarette im Munde, auf die Liebling mit leicht missbilligender Nachsicht herabblickte. Hinterher schlürfte der wie immer entzückt lächelnde Wennichen, mit Frau Adelheid am Arm.

      Die Paare folgten endlos einander, untermischt mit jungen Leuten, Börsenbesuchern, Journalisten oder Herren von unbekannter Beschäftigung, die sich ohne Dame zu Tische zu setzen dachten.

      „Da sind unsere Leute,“ sagte Diederich Klempner.

      „Wir sind natürlich übrig gebliebene Herren. Türkheimers sorgen dafür, dass man seine Bequemlichkeit hat. Aber Süß hat vielleicht — Sie bleiben doch an unserem Tisch?“ fragte er.

      „Mit Vergnügen!“ erklärte Andreas.

      „Seh’n Sie mal, Süß hat die kleine Bieratz. Das gibt ’nen Hauptspaß.“

      Süß näherte sich mit einem wunderbar schlanken und zarten jungen Mädchen, das in seinem lichtblauen, schmucklosen und durchsichtigen Kleidchen aussah wie eine Sylphe. Das schmale, feine Gesicht wurde von schwerem aschblonden Haar madonnenhaft eingerahmt, und die großen blauen Augen blickten voll Unschuld geradeaus. Aber da kam Natibohr, glatzköpfig und nervös, an ihr vorüber. Er wandte sich um und lächelte der kleinen Fee auffordernd zu. Und sogleich, mit einer Bewegung, die Andreas entzückend harmlos und kindlich fand, ließ sie den Arm ihres Begleiters los und ergriff den Ratibohrs.

      „Nanu, das war doch früher nicht!“ rief Klempner halblaut.

      Einen Augenblick stand Süß mit merkwürdig blödem Gesicht da, dann schien er den beiden nachstürzen zu wollen. Aber Duschnitzki, der herbeieilte, legte ihm eine Hand auf die Schulter.

      „Keine Dummheiten, Süß!“ sagte er.

      Er trat mit seinem noch ziemlich verstörten Freunde auf Klempner und Andreas zu, und die vier Herren begaben sich ihrerseits über die Galerie, inmitten einer Doppelreihe von Lakaien, in den Speisesaal.

      Andreas blickte erstaunt durch den ungeheuren kahlen Raum, den Dutzende von Tischen füllten und den er mit den übergroßen Räumen eines Monstre-Restaurants verglich. Die Wände waren glatt weiß, nur hier und da mit Goldrosetten verziert. Die Decke, mit dunkelrotem Stoff ausgeschlagen, trug einen sehr hoch angebrachten Kronleuchter. Im Übrigen war das elektrische Licht verpönt, es standen Kerzen mit roten Schirmen versehen, auf allen Tischen.

      Teller und Gabeln klapperten bereits, auf allen Seiten wurde laut gesprochen, aber Andreas’ Tischgenossen schwiegen noch. Es lag etwas in der Luft. Plötzlich brach Süß los:

      „So ’ne Kanaille!“ rief er laut, Andreas sah sich um, aber im wachsenden Lärm hatte niemand es gehört.

      „So ’ne Kanaille! So ’ne —“ Süß gebrauchte ein noch härteres Wort, so dass Andreas vor Schreck auf seinen Sitz auf hüpfte. Klempner lachte.

      „Wen meinen Sie denn?“ fragte er.

      „Frage!“ schrie Süß. „Die Bieratz doch!“

      Andreas fand im stillen, dass die Ungezogenheit, die Süß so sehr aufbrachte, weniger der Kleinen als Ratibohr zuzuschreiben sei.

      „Fräulein Bieratz hatte sich wohl Herrn Ratibohr schon früher verpflichtet?“ vermutete er bescheiden.

      Süß kicherte giftig, Duschnitzki schlug sein weiches melodisches Lachen an, bei dem seine mandelförmigen Samtaugen mitlachten. Klempner belehrte freundlich den jungen Mann.

      „Ratibohr hat acht Millionen.“

      Andreas zuckte zusammen.

      „Hier liegen wohl mehr Millionen auf dem Fußboden umher, als ich Markstücke in der Tasche habe?“ fragte er, und er glaubte zu scherzen.

      „Hier sind wir Millionäre oder Schubiacks,“ erklärte Duschnitzki, und Klempner setzte hinzu:

      „So ist es. Der Mittelstand stirbt aus.“

      Andreas fand die von Duschnitzki beliebte Unterscheidung nicht sehr schmeichelhaft, denn er traute seinen Tischgenossen gerade so viele Millionen zu wie sich selbst. Da der gute Ton es aber zu erfordern schien, lachte er herzlich. Klempner suchte Süß zu trösten.

      „Die Bieratz ist doch schließlich nur ein schlechter Abklatsch der Pariser falschen Engel mit den falschen Haar-Bandeaus,“ bemerkte er.

      „Wem sagen Sie das?“ erwiderte Süß, der sich aufheiterte.

      „Ist egal,“ wandte Duschnitzki ein. „Für ’ne junge Schauspielerin ist doch Tugend das Modernste.“

      „Gegen die gepumpte Tugend will ich nichts sagen,“ versetzte Klempner. „Das Widerliche ist für mich die falsche Anspruchslosigkeit. Haben Sie wohl bemerkt, dass Werda Bieratz auf ihrem billigen Kleidchen kein einziges Schmuckstück tragt? Nicht mal in den Ohren hat sie Brillanten nötig, sie ist so schlau, die Ohren unterm Haar zu verstecken.“

      „Sagen

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