Atlan 778: Schatzkammer des Todes. Harvey Patton
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Er bedachte nicht, dass weder dem Modulmann noch der Vigpanderin die Position von Tessal und die Flugstrecke dorthin vorher bekannt gewesen waren. Sie hatten gar nicht wissen können, wohin sie diese Reise bringen würde, und deshalb auch keine Entführung planen und durchführen können. Sie waren jetzt in Bezug auf ihn und die YOI I nicht weniger ratlos als er selbst.
»Wir werden es herausfinden«, knurrte er und richtete sich auf. Dabei fiel sein Blick auf einen Gegenstand an der rechten Hüfte des Hauptmanns, und die gelben Pupillen seiner Augen weiteten sich.
»Man hat dir sogar deine Waffe gelassen, Derlag!«, stellte er überrascht fest. »Das ist zwar reichlich merkwürdig, es macht unsere Lage aber nicht ganz so aussichtslos, wie es bisher schien. Komm, wir sehen einmal nach, wie es damit bei den anderen steht.«
Es stellte sich heraus, dass auch der Pilot und der Navigator ihre Kombistrahler noch besaßen. Als Soldaten im Dienst war das Vorschrift für sie, und so hatte auch die jeweilige Mannschaft in der Zentrale sie angelegt.
Infolge der Nachtperiode waren das aber nur diese drei Männer gewesen; alle übrigen hatte man hier hereingebracht, wie sie in ihren Betten gelegen hatten, also kaum bekleidet und waffenlos. Doch drei Strahler waren erheblich besser als gar nichts, und so hellte sich das schmale Gesicht des Obmanns um einiges auf.
»Wir warten jetzt noch ab, bis sich alle wieder erholt haben«, bestimmte er. »Wenn sich bis dahin hier keiner unserer Entführer gezeigt hat, brechen wir aus! Wer sich uns entgegenstellt, wird niedergeschossen ... nein, nur paralysiert«, korrigierte er sich. »Ein tessalischer Soldat bringt niemand um, wenn es sich vermeiden lässt, und nur von Lebenden können wir erfahren, was mit unserem Schiff geschehen ist und wo wir es finden können.«
2.
An Bord der STERNENSEGLER
»Ich weiß, dass du nicht dumm bist, mein Modulmann«, pfiff die Vigpanderin. »Andererseits bist du aber auch nicht so intelligent wie ich als Sternenprinzessin, die alle Dinge stets viel klarer sieht als du. Glaubst du wirklich ernsthaft, dass es eine gute Idee ist, jetzt noch einmal auf die Suche nach den Tessalern zu gehen?«
Goman-Largo beherrschte sich meisterhaft, nur um die Mundwinkel seines asketisch wirkenden Gesichtes flog ein leichtes Zucken.
»Wenn du Recht hast, dann bist du immer im Recht«, erklärte er mit unbewegter Stimme. »Ab und zu gilt das jedoch auch für andere, und in diesem Fall für mich, Neithadl-Off. Sicher, uns hat der Schwarze Ritter auf der Kristallwelt Llokyr eine Menge von Ungelegenheiten bereitet, aber das liegt nun schon weit hinter uns. Anima ist zu ihrem Atlan zurückgekehrt, Nussel und die beiden angeblichen Meisterdiebe sind mit dem fremden Schiff in unbekannte Fernen verschwunden. Was hält uns jetzt noch auf?«
»Ich fürchte mich noch immer vor dem Ritter!«, kam es kläglich zurück. »Er hat uns aufgetragen, dass wir uns um diesen ominösen Sternenmarschall kümmern sollen, der eine neue Invasion plant, vergiss das nicht.«
»Ich denke pausenlos daran«, versicherte der Tigganoi scheinbar vollkommen ernsthaft. »Andererseits wusste aber auch dieser ach so furchtbare Ritter nicht zu sagen, wann Dulugshur wieder aktiv wird, vergiss das nicht. Die Zeit ist ein Medium voller Unwägbarkeiten und durchaus keine Konstante. Einflüsse aus höheren Dimensionen wirken pausenlos auf sie ein!«
»Und was kann das bedeuten?«, erkundigte sich Neithadl-Off.
»Dass das Heute schon gestern gewesen sein kann, das Gestern aber erst morgen stattfindet«, sagte der Modulmann. »Dass ein bestimmtes Ereignis gerade dann eintritt, wenn man es erwartet, ist mehr als unwahrscheinlich, und deshalb mache ich mir auch keine großen Sorgen. Ein paar Wochen spielen in den großen kosmischen Zusammenhängen so gut wie keine Rolle. Wenn ich aber gerade in diesen Wochen auf dem Planeten Tessal eine Gruft der Zeitingenieure entdecke, kann das von größter Bedeutung sein! Nur eine ganz kleine Manipulation, und schon wird die Invasion Dulugshurs niemals stattfinden – verstehst du das?«
Die Vigpanderin seufzte leise.
»Nicht ganz, meine Stärken liegen auf anderen Gebieten«, gab sie widerstrebend zu, und Goman-Largo lächelte verhalten.
»Du bist eine Meisterin darin, die Wahrheit zu verbiegen, ich weiß«, bemerkte er süffisant. »Das mag manchmal vielleicht ganz nützlich sein, doch in diesem Fall hilft es uns wirklich nicht weiter. Kommen wir also wieder zur Hauptsache zurück: Wir machen uns umgehend auf den Weg, um nach den Tessalern und der YOI I zu suchen, keine Widerrede mehr.«
»Behandelt man so eine Partnerin?«, pfiff Neithadl-Off gekränkt. »Anstatt mich durch logische Argumente zu überzeugen oder sanft zu überreden, verbietest du mir den Gebrauch meiner Sprechwerkzeuge. Das ist infam – gut, von jetzt ab sage ich überhaupt nichts mehr!«
»Zu schön, um wahr zu sein«, murmelte der Tigganoi, aber das hörte die Parazeit-Historikerin schon nicht mehr. Sie hatte ihre roten Sensorstäbchen eingezogen und schmollte vor sich hin.
Lange würde dieser Zustand nicht anhalten, das wusste Goman-Largo aus Erfahrung. Seine Partnerin war viel zu neugierig. Für den Moment hatte er jedenfalls Ruhe vor ihr, und so wandte er sich an die Bordpositronik.
»Du hast mitgehört, POSIMOL?«, erkundigte er sich.
»Selbstverständlich«, bestätigte das Gehirn. »Das muss ich doch, denn nur so kann ich neue Daten erlangen, um meinen Wissensstand zu erweitern. Was aber die Vigpanderin angeht ...«
»Die geht dich im Augenblick gar nichts an«, stoppte der Modulmann seinen Redefluss. »Du brauchst jetzt auch keine neuen Daten, die alten genügen vollauf. Oder haben dir die Meisterdiebe etwas geklaut?«
»Welch unvornehme Ausdrucksweise!«, beklagte sich POSIMOL. »Der Umgang mit Atlan und seinen Leuten hat deine guten Sitten restlos verdorben. Nein, mir kann man so leicht nichts entwenden, meine Speicher sind nach wie vor in bestem Zustand.«
»Das freut mich aber«, meinte Goman-Largo lächelnd. »Gut, dann klaube aus ihnen die Kursdaten heraus, die du während des Fluges in Richtung Tessal aufgezeichnet hast. Und dann nichts wie ab zu jenem Punkt, an dem Sorays Aufklärer verschwunden ist, klar?«
Nun schien auch die Positronik gekränkt zu sein, denn sie gab als Antwort nur ein kurzes »Verstanden« zurück.
Das war dem Tigganoi jedoch nur recht, denn im Moment legte er in erster Linie Wert auf seine Ruhe. Er war durchaus nicht so sorglos, wie er sich nach außen hin gab, und er wollte über einige Dinge ungestört und intensiv nachdenken.
Natürlich war es ihm keinesfalls egal, dass er nun im Begriff war, den Forderungen des seltsamen »Ritters« zuwiderzuhandeln. Er wusste nur zu gut, welche Machtmittel dieser besaß, dafür war die Sternenfalle von Askyschon-Nurgh ein zu eindrucksvolles Beispiel gewesen.
Irgendwann würde er notgedrungen doch daran gehen müssen, sich um die Gefahr zu kümmern, die der wiedererwachte Dulugshur aus ferner Vorzeit darstellte. Andererseits beherrschte ihn nach wie vor der unstillbare Drang, nach Angehörigen des ominösen Ordens der Zeitchirurgen zu suchen, um ihnen das Handwerk zu legen.
Daran, dass es das Volk der Tigganoi und die Zeitschule jetzt noch gab, glaubte er nicht mehr ernsthaft. Er ahnte nicht einmal entfernt, wie viel Zeit während seiner langen Stasis innerhalb der Zeitgruft auf Xissas vergangen war, aber es musste bestimmt eine extrem lange Spanne gewesen sein.