Perry Rhodan 70: Die letzten Tage von Atlantis. K.H. Scheer

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Perry Rhodan 70: Die letzten Tage von Atlantis - K.H. Scheer Perry Rhodan-Erstauflage

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      Ich suchte nach den scharfen Falten, die sich während der letzten Jahre auf Bulls Stirn eingegraben hatten. Die ersten waren nach der Mondlandung entstanden, die er im Jahr 1971 zusammen mit dem Expeditionschef Perry Rhodan ausgeführt hatte. Bull würde am 14. Mai 2042 sein hundertviertes Lebensjahr vollenden. Zur Zeit schrieben wir den 5. Mai des gleichen Jahres. Es fehlten also nur noch wenige Tage bis zu seinem Geburtstag.

      Vor 62 Jahren hatte er gleichzeitig mit Rhodan die erste Dusche auf Wanderer erhalten. Vor fünf Tagen war er zum zweiten Male in das Physiotron gestiegen, um die unerlässliche Zellaktivierung über sich ergehen zu lassen.

      Ich riskierte noch einen Schritt, ehe ich stehenblieb. Dieser junge Mann mit den faltenlosen, nur wenig ausgeprägten Zügen – war das Reginald Bull, Rhodans Stellvertreter?

      »Reginald, sind Sie es wirklich?«, fragte ich stockend.

      Er bewegte kaum die vollen, weichen Lippen. Sein untersetzter, breitschultriger Körper zeigte nahe der Hüften weniger Speck, als ich es gewohnt war.

      »So habe ich ungefähr ausgesehen, als ich Mitte der sechziger Jahre von einem gewissen General Pounder auf die neue Raumakademie geschickt wurde«, entgegnete er tonlos. »Damals war ich siebenundzwanzig Jahre alt!«

      Ich fühlte Entsetzen in mir aufsteigen. Gleichzeitig meldete sich mein vor vielen tausend Jahren auf Arkon aktiviertes Extrahirn. Der Logiksektor machte es kurz:

       Vorsicht, Panne bei der zweiten Dusche. Regenerierung, Rückwärtsentwicklung. Er wird jünger!

      Die Erkenntnis war wie ein Schlag ins Gesicht. Ich rang um meine Selbstbeherrschung. Mein Lächeln musste etwas kläglich wirken. Bully, wie wir ihn allgemein nannten, reagierte nicht darauf. Ich ahnte, dass dieser tatkräftige Mann innerlich mit dem Leben abgeschlossen hatte.

      Ich sah mich aufmerksam um. Außer Rhodan waren nur die leitenden Wissenschaftler und Offiziere der DRUSUS erschienen. Dr. Arnulf Sköldson, Chefmediziner des Schiffes, stand dicht neben Dr. Ali el Jagat, dem Leiter der mathematischen Abteilung.

      Jagats schmales Gesicht blieb unbewegt, als er mir einen Diagrammstreifen aus Kunststoff überreichte.

      Er begann übergangslos mit seiner Erklärung. Ich ahnte, dass wir keine Zeit zu verlieren hatten. Es wäre sinnlos gewesen, des langen und breiten über Bulls Schicksal diskutieren zu wollen. Es entsprach auch Jagats Art, die Tatsachen beim Namen zu nennen.

      »Die erste Auswertung, Admiral. Bully befindet sich zur Zeit in einem Stadium, das dem seines zweiunddreißigsten Lebensjahres entspricht. Die Spitzzacken zeigen den Beginn des rückläufigen Prozesses an. Die Flachkurven beinhalten die abgelaufene Standardzeit nach der zweiten Aktivierung. Das Diagramm sagte aus, dass der Vorgang bei kontinuierlicher Weiterentwicklung nach dreimal vierundzwanzig Stunden ein akutes Stadium erreicht. Bieten wir der Sache keinen Einhalt, wird er in etwa drei Wochen ein plärrendes Baby sein.«

      Die Vorstellung, Bull als strampelndes Kleinkind zu erleben, wäre andernorts und bei weniger tragischer Situation äußerst spaßig gewesen. Hier jedoch gab es niemand, der auch nur eine Miene verzogen hätte.

      Das Diagramm war das Ergebnis eines kleinen Rechenexempels. Man benötigte keine höhere Mathematik, um ungefähr zu ermitteln, wann die Sache kritisch wurde.

      Ich blickte den Mediziner forschend an. Sköldson bewegte nur hilflos die Hände. Sein strohblondes Haar hing unordentlich in die gerunzelte Stirn hinab. »Sie haben keine Lösung, Doktor?«, fragte ich.

      »Keine! Was in diesem Gerät geschehen ist, entzieht sich meinem Begriffsvermögen. Die rein physikalischen Vorgänge verstehe ich ohnehin nicht. Was die biochemischen Veränderungen betrifft, sehen Sie mich ebenfalls ratlos. Für mich ist es unvorstellbar, einen ausgewachsenen Menschen jünger werden zu sehen. Das geht gegen alle Naturgesetze.«

      »Wie alles auf diesem künstlichen Planeten«, warf Bull tonlos ein. »Okay, reden wir nicht mehr lange. Ehe ich zum Säugling werde, sterbe ich lieber.«

      Sein pausbäckiges Gesicht war verkniffen. Ohne jede Hoffnung sah er uns der Reihe nach an. Schließlich richtete sich seine Aufmerksamkeit auf eine hochgewachsene, schlanke Gestalt ganz im Hintergrund der Eingangshalle. Ich spähte hinüber.

      Wir hatten den biopositronischen Roboter »Homunk« genannt. Er war das Erzeugnis einer als abgeschlossen anzusehenden Wissenschaft. Vollendeter konnte nicht mehr gebaut werden, ohne den Versuch zu machen, dem Weltenschöpfer selbst ins Handwerk zu pfuschen.

      Homunks biosynthetische Gesichtsfolie zeigte ein verbindliches Lächeln. Unter dem wirklich lebenden Kunstgewebe seiner äußeren Körperverkleidung bewegte sich ein Mechanismus, der nichts seinesgleichen in der bekannten Galaxis hatte.

      Das vollpositronische Mikrogehirn war derart leistungsfähig, wie ich es bei unseren besten Maschinen noch nicht erlebt hatte. In diesem komplizierten Rechengerät waren solche Schaltelemente in einem Raum von knapp einem Kubikzentimeter montiert, zu deren funktionstüchtiger Unterbringung wir wenigstens einen Kubikmeter benötigt hätten. Das mechanische Gehirn arbeitete mit einer Impulsgebung von etwa achtzig Millionen Reflexsteuerungen pro Sekunde. Wie groß die Speicherkapazität war, wussten wir nicht. Auf alle Fälle war Homunk das, was man als perfekt bezeichnen konnte.

      Er war von seinem Erbauer äußerlich einem Menschen oder Arkoniden nachgebildet worden. Sein Sprechmechanismus war eine biologische Schablonenarbeit mit einem positronischen Vibrationsgeber, der die elektromagnetischen Lenkimpulse mit Hilfe der halborganischen Stimmbänder in verständliche und einwandfrei modulierte Worte umwandelte. Homunk war ein Wunderwerk; aber nun schien es kläglich zu versagen.

      Rhodan winkte den Robot herbei. Er näherte sich mit ausholenden, elastischen Schritten. Sein stereotypes Lächeln reizte mich zu einer unfreundlichen Bemerkung.

      »Mir scheint, dein großer Meister ist ebenfalls am Ende seiner Kunst angelangt. Wo ist jenes Geschöpf, dessen brüllendes Gelächter sonst alle Augenblicke zu hören war?«

      Homunk blieb stehen. Seine nachgebildeten Augen richteten sich auf mich. Er nannte mich »Sir«, so wie er jedermann Sir nannte.

      »Er hat seit der Flucht aus dem Zwischenraum nichts mehr von sich hören lassen, Sir. Ich bin beunruhigt.«

      Ein kosmonautischer Offizier der DRUSUS lachte humorlos auf. Dann wurde es wieder still in der großen Halle.

      Ich dagegen wusste in diesem Augenblick, dass die zweite Katastrophe ebenfalls eingetreten war. Es war verschwunden! Das Lebewesen, in dem sich der Geist von Millionen entstofflichter Intelligenzen vereinigt hatte, um eine ungeheure, konzentrierte psychische Kraft zu bilden, schien das Chaos der Rückkehr aus dem Halbraum nicht gut überstanden zu haben. Praktisch waren wir augenblicklich die Beherrscher des Kunstplaneten Wanderer.

      Perry Rhodan sah mich nur an. Er schien seine entscheidenden Fragen bereits vor meiner Ankunft gestellt zu haben. Jetzt überließ er mir die Initiative.

      Ich begann innerlich zu verzweifeln. Männer meiner Rasse transpirieren selten. Dafür fühlte ich meine Augen feucht werden. Mein Logiksektor schwieg beharrlich. Anscheinend sah auch das Extrahirn keinen gangbaren Weg.

      Als ich beharrlich schwieg, warf Rhodan endlich ein: »Homunks Vorschlag geht dahin, das gesamte Experiment zu wiederholen. Wanderer geriet vor Wochen in eine Überlappungszone der Druuf-Ebene. Beim gewaltsamen Ausbruch landete der Planet in einer unstabilen Zwischendimension. Wenn wir nun bewusst in die Zeitmauer eindringen und die

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