Ganesha macht die Türe zu. Andreas Brendt

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Ganesha macht die Türe zu - Andreas Brendt

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kom back in a no taim«, und wandert in die Küche zurück.

      Ich lasse den Blick über das Wasser gleiten, als Riskis Worte wieder auftauchen: ›I come back in no time.‹ Klar, in Indien spricht sogar der Kellner weise Worte und erwähnt die Illusion der Zeit, bevor er davonspaziert, um die Spiegeleier zu wenden.

      Ole studiert die Speisekarte und strahlt mehr Glück aus als zwei Lausbuben, die einen Sommer sturmfrei haben. Alles ist richtig, alles ist gut, der Lauf der Dinge auf unserer Seite.

      Ein paar Schleierwolken schleppen sich über den Horizont. Mein Kopf wiegt eine Tonne.

      Riski kehrt zurück, platziert Servietten, Besteck und eine kleine lila Blume auf unserem Tisch. Ich bestelle Brot, eine Banane und Tee. Riski schaukelt mit dem Kopf. Unfassbar, dass sich nach der demütigenden Dünnschisskotzerei vor ein paar Stunden so etwas wie Appetit einstellt. Bedenkt man allerdings die Intensität, mit der die Körperentleerung vonstattenging, ist es höchste Zeit etwas zu essen, bevor ich mich in Luft auflöse.

      Wir reden über die letzte Nacht, die Partys am Strand, die nicht richtig in Schwung kommen wollten, und wie uns das Schicksal dann den Jackpot zugespielt hat. Zunächst nicht mehr als ein Gerücht. Eine grobe Richtung, eine Ungewissheit – aber ist es nicht da, wo meist das Glück zu finden ist?

      Ein kleiner Weg schlängelte sich durch dunkle Bäume, irgendwo Lichter, dann Musik und plötzlich tätowierte Wilde, halbnackte Elfen, die Tanzwütigen voll im Flow. Ein Spektakel aus überschäumender Kraft und zarten Gefühlen, und wir auf einmal mittendrin. Umgeben von verliebten Schatten und durchdrungen von Raketen-Beats, die durch die klare Luft direkt in unsere Eingeweide wummsten. Schwarze Haare flogen durch die Nacht, Arme zum Himmel, Hüften taumelten in ausgefransten Jeanshotpants hin und her. Geschlossene Augen, die in ferne Sphären blickten, mit Mandalas bemalte Haut, schwebende Hände mit grünen, roten, blauen, gelben Fingernägeln, nackte Füße auf gesundem Waldboden. Der Rhythmus rauschte wie unsichtbare Energie in unsere Körper. Pochen, hüpfen, springen, springen, springen. Um uns zuckten Gestalten in ewiger Ekstase, alle in Trance, der Tanz frei und losgelöst. Meine ersten Stunden im gelobten Land.

      Wie gut die Menschen waren. Das Zusammensein, die Lebendigkeit, die Musik, die Lichtblitze, die Fackeln und die Feuerstellen. Alkohol, Frieden, Joints, die ganze Suppe aus euphorischen Empfindungen und glücklichen Individuen, die sich an der richtigen Stelle versammelt haben, um gemeinsam zu diesem hemmungslosen Ereignis zu werden. Um das neue Jahr zu feiern. Und die Existenz.

      »Ein schönes Fest.«

      »Ja, so schön, so besonders. Bis um drei Uhr …«

      »Ich habe noch nach dir geschaut.«

      »Als hätte mir jemand den Stecker gezogen.«

      »Als du dich auf den Boden gelegt hast, sahst du noch passabel aus. Ich dachte: Jetlag, das wird gleich wieder.«

      Tee und Kaffee werden auf einem silbernen Tablett serviert. Riski ist total konzentriert, quasi ›Zen und die Kunst des Tee-Servierens‹, und guckt dabei so süß.

      »Ja, fast.« Ich trinke einen Schluck Tee.

      »Als ich heute Morgen den Blutfleck in der Toilette entdeckt habe, kamen Fragen auf.«

      Ole schmunzelt, hält inne, schaut mich an und ist begeistert:

      »Alter, noch keine zwei Tage in Indien, und schon das dritte Auge geöffnet.« Er gießt sich einen Schluck Milch aus dem silbernen Kännchen in den Kaffee.

      Das dritte Auge ist das Tor zur Weisheit. Die Blutkruste auf meiner Stirn sitzt haargenau dort, wo der gemeine Inder seinen roten Farbklecks platziert, das Bindi. Damit wird dem Universum Hingabe signalisiert: bereit für die Erleuchtung. Rote Farbe? Lächerlich! Es muss Blut sein. Mindestens.

       »Lasd night gud ixstatik party?«

      Der Rest der Bestellung wird von Shorti geliefert. Er trägt wie Riski ein rotes Hemd und lange Stoffhosen. Sein Oberlippenbart ist stolz, der glänzende Scheitel auf seinem Haupt versprüht ordentliche Gelassenheit. Das Beste an ihm ist dieser nach innen gerichtete Blick. Jedes Mal huscht, eine Sekunde bevor er etwas sagt, ein Schmunzeln über sein Gesicht. Eine freudige Erwartung dessen, was als nächstes geschieht, welche Wirkung seine Worte haben, welche Wendung sich das Leben ausdenkt. Jetzt gerade ist es die Neugierde auf die Ereignisse der letzten Nacht.

      »Ooohh.« Seine großen Kulleraugen blicken auf mein drittes Auge.

      Ole lacht und nickt mit vollem Mund.

      Ich winke ab: »I got sick.«

      Shorti versteht.

      Wir fühlen uns gut aufgehoben bei diesen beiden jungen Indern. Shorti und Riski haben ihre Bestimmung gefunden. Es ist mehr, als hungrige Mäuler zu stopfen und den Lebensunterhalt zu erwirtschaften. In ihrem Schuppen treffen sie die Menschen aus der Welt. Sie hören Geschichten, begleiten den Besuch in ihrem Land, schließen Freundschaften. Sie wissen, wie sehr wir sie vergöttern, auch wenn sie nicht verstehen, weshalb, und wir das nicht erklären können. Ist aber auch nicht nötig. Es ist, wie sie ihren Laden schmeißen, und das Vergnügen in den freundlichen Gesichtern, diese Zufriedenheit. Es ist das Einverstandensein mit dem, was ist. Vielleicht sind die beiden Heilige. Oder wir sind endlich offen, sind so neugierig, wie man meistens nur auf Reisen ist, dass wir das Besondere erkennen und das Gute sehen – egal mit welchem Auge.

      Ole erzählt von der Party im Wald, Shorti freut sich, weil sein Land die Menschen begeistert. Dann schlendert er wieder in die Küche. Mein Schädel brummt, der Magen rumort.

      »Das wird ein g.u.t.e.s Jahr!«

      Ole ist so was von in seiner Mitte, stopft Ei und Schinken in seinen Rachen.

      »Es kann nur besser werden.« Für mehr Optimismus fehlt mir die Kraft.

      »Es passiert immer so viel. Und das geht jetzt alles erst richtig los. Alter, wir sind in Indien!«

      »Stimmt, vorgestern bin ich noch durch den Schnee in Köln gestapft, gestern Wahnsinnsparty, Spirit total, um im Gegenzug dann Shiva kennenzulernen.«

      »Der Gott der Zerstörung, der Bereiter eines jeden Neuanfangs.« Oles Freude über meinen Zusammenbruch tanzt in jeder Zelle.

      »Den Jahreswechsel hätte ich auch ohne Magen-Darm-Erlösung hingekriegt.«

      »Vielleicht ist so eine Darmreinigung ja gesund.« Ole grinst. »Da brauchst du keinen Einlauf mehr.«

      Stimmt, aber noch bin ich nicht überzeugt von meinem Riesenglück.

      »Die ganzen Gifte und der alte Dreck sind raus, der abgelagerte Morast ist entfernt, das System bereit für neue Taten.«

      Gesundheitsfördernde Maßnahmen fühlen sich normalerweise anders an. Und: Man wird gefragt. Eine kleine Gemeinheit in meinem Hirn erinnert mich daran, Ole an seine Weisheiten zu erinnern, sollte es ihn erwischen.

      »Und vergiss nicht deine magische Trance in der ewigen Dunkelheit.« Ole ist entzückt, der Kreislaufkollaps ein wichtiger Schritt hin zur Erleuchtung.

      »Du meinst die Ohnmacht? Das war toll, nach offiziellen Schätzungen aber nur zwei oder drei Sekunden lang. Quasi im Sturzflug.«

      »Zeit spielt keine

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