Fettnäpfchenführer Brasilien. Nina Büttner

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Fettnäpfchenführer Brasilien - Nina Büttner Fettnäpfchenführer

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      Durch diese Verkomplizierung ist es verständlich, dass Festpreise beliebt sind. Wenn Ihnen der Taxifahrer am Anfang einen Preis anbietet, der sich vernünftig anhört, akzeptieren Sie ihn ruhig – allerdings am besten erst, nachdem sie mehrere Angebote eingeholt haben, was durchaus üblich ist. An Plätzen, wo mehrere Taxis stehen, haben Sie dadurch eine gute Chance, einen angemessenen Festpreis angeboten zu bekommen. Erst dann sollten Sie in das Taxi Ihrer Wahl einsteigen.

      Trinkgeld zu geben, ist bei Festpreisen nicht üblich; beim Taxameter können Sie den Preis aufrunden, müssen dies aber nicht tun.

      Wenn Sie billiger davon kommen möchten, nutzen Sie Uber (siehe Infokasten in Kapitel 22).

      Linda hat nicht darauf geachtet, ob ihr Fahrer sein Taxameter einschaltet, weil sie es für selbstverständlich hielt. Auf was muss man auch alles achten, wenn man übermüdet nach einem Interkontinentalflug ankommt!

      Der Flughafen Galeão liegt weit entfernt von der touristischen Südzone der Stadt auf der Insel Ilha do Governador. Die durch starke militärische Präsenz sehr sichere Insel ist durch Brücken mit dem Festland verbunden und gehört zu den Arbeitervierteln im nördlichen Teil der Bucht Guanabara, an der Rio liegt. Bei einer Stunde Fahrtzeit sind die umgerechnet knapp 25 Euro (R$ 100) nicht so unverschämt viel, wie Linda es erschien.

      Nun erwartete Linda bei der Ankunft am Haus ihrer Gastfamilie gleich das nächste Hindernis: die Klingel. Auch wenn (wenige) Häuser Klingeln haben, werden sie kaum genutzt. Manche Klingeln sind sicherlich defekt, doch selbst bei intakten Exemplaren sind die Bewohnerinnen es selten gewöhnt, auf diesem Wege von Besuch zu erfahren. In der Freude, dass Linda schließlich doch geöffnet wird, fällt ihr die kussreiche Begrüßung von Fremden, die ihrem deutschen Naturell sonst widerspricht, schon leichter. Ein ungutes Gefühl, etwas Seltsames gemacht zu haben, bekommt sie dann jedoch, als sie Patrícia kichern hört. Angestellte, wie die, die Linda das Tor geöffnet hat, werden eher nicht mit Wangenküsschen begrüßt. Und auch bei Patrícia hat Linda etwas übertrieben, indem sie sie am Rumpf angefasst hat, was doch auch Brasilianern etwas zu intim ist. Und die Wangenküsschen ... na ja, eigentlich sind es Luftküsse, bei denen sich die Köpfe gerade so seitlich berühren. Bis man den Dreh heraushat, kann es schon etwas dauern.

      Aber warum Linda nun nicht gleich duschen wollte? Patrícia, die ein- bis dreimal täglich duscht, kann das nur als die gefürchtete mangelnde Hygiene der Europäerinnen interpretieren ...

       Was können Sie besser machen?

      Immer rein in die Dusche! Schweißflecken oder unfrischer Geruch sind absolute Tabus bei diesen Tropengraden. Und dass man nach einem dreizehnstündigen Flug nicht gerade die Frische in Person ist, davon gehen Brasilianerinnen aus. Das tägliche Bad haben sich die portugiesischen Kolonialherren von den Indigenen abgeschaut, und heutzutage sparen selbst die Ärmsten der Armen als Allerletztes am Deo.

      Die Haushälterin, die Linda die Tür öffnete, mit Küsschen zu begrüßen, löste bei Patrícia Befremdung aus; ein Oi, tudo bem? Me chamo Linda (Hallo, wie geht’s? Ich heiße Linda) wäre angemessener gewesen. Und bei neuen Bekanntschaften reicht eine leichte Berührung an den Armen samt Küsschen in die Luft neben dem Kopf. Übrigens können es in einigen Regionen auch drei oder vier Küsse werden, da ist schon so manchem schwindelig geworden. Am sichersten ist es, Sie bleiben erst einmal passiv und warten ab, zu wie vielen Küssen ihr Gegenüber ansetzt. Marcelo hätte Linda wahrscheinlich auch mit diesen zwei Luftküssen begrüßt – da werden keine geschlechtsspezifischen Unterschiede gemacht. Nur wenn zwei Männer sich begrüßen, werden die Küsschen weggelassen zugunsten eines deftigen Handschlags nahe am Körper samt Schulterklopfen mit der freien Hand.

      Wer klare Verhältnisse mag, kann auch einfach nachfragen: Wie ist es hier üblich? Gerne erklären sich Brasilianer dann zur größten Küssernation Lateinamerikas, schimpfen auf die paulistas, die Bewohner São Paulos, die sich mit nur einem Kuss begrüßen, oder umgekehrt schimpfen die paulistas über die Hinterwäldler, die nichts anderes zu tun haben, als sich den ganzen Tag – viermal pro Begrüßung – zu küssen.

      Und bei den Taxis? Kaum ein Tourist schafft es, so günstige Preise auszuhandeln wie Einheimische. Daran kann man nicht viel ändern – und im Vergleich zu anderen Ländern Lateinamerikas passieren in Brasilien ernsthafte Abzocken beim Taxifahren äußerst selten.

      Wenn Sie schließlich vor einem Haus stehen, klatschen Sie kräftig in die Hände und rufen den Namen einer der Bewohner – anders als bei einer anonymen Klingel wissen die Bewohner dann gleich, dass dort jemand ist, den sie kennen.

      3

       LINDA SPRICHTEINE FASTVERGESSENESPRACHE

       WIE LEICHT MAN SICH IN SCHMIERGELDZAHLUNGEN VERWICKELT

      Trotz ihrer Müdigkeit will Linda ihren Gastgebern weiter Gesellschaft leisten, auch um sich an die Zeitverschiebung anzupassen. Also bleibt sie in ihrem Sessel vor dem Fernseher hocken, Marcelo und Patrícia sitzen Arm in Arm auf dem Sofa und wirken ganz entspannt. Die Abendnachrichten laufen, und Linda versucht etwas zu verstehen. Doch dieses Portugiesisch klingt schon beim ersten Eindruck so völlig anders als das Portugiesisch, das Lindas Lehrerin in der Volkshochschule sprach. Als sie vor einigen Monaten zum ersten Mal den Unterricht besuchte, war sie erstaunt über den gedrungenen und nasalen Klang dieser Sprache, die sich so grundlegend vom ratternden Spanisch unterscheidet und ihr fast asiatisch vorkam. Die Moderatorin der Nachrichten dagegen spricht ein offenes, wenn auch ähnlich wie Lindas Lehrerin leicht nasales Portugiesisch. Es plätschert so dahin in einer angenehmen Melodie und erinnert Linda an einen Fluss in den Tropen, während sie beim Spanischen immer einen Reiter in der Wüste vor Augen hat, beim Portugiesisch ihrer Volkshochschullehrerin eine mittelalterliche chinesische Spelunke. Die kam aus Portugal. So sehr Linda sich über den schönen Klang des brasilianischen Portugiesisch freut, so verunsichert ist sie doch, weil sie kaum etwas versteht. Na ja, eigentlich versteht sie gar nichts.

      Die Nachrichten dauern ganz schön lange, Linda hat schon drei Werbeunterbrechungen gezählt. Von den Werbeclips wird ihr fast schwindelig, so bunt, schnell und laut sind sie. In den meisten tanzen leicht bekleidete Frauen, und Männer trinken Bier. Jetzt redet wieder die Moderatorin, die nervös von einer Seite zur anderen geht, mal fährt die Kamera ganz nah an ihr Gesicht, mal sieht man ihren ganzen Körper und ihr etwas schräges Kostümchen. Sie deutet auf den riesigen Bildschirm im Studio, und eine Reportage beginnt, die wiederum eine junge Frau zeigt, der die Kamera in eine Schule folgt. Diese wird offensichtlich von den Schülerinnen bestreikt, das Wort greve fällt häufig. Als dann Schüler interviewt werden und Linda wieder nichts versteht, versucht sie ein erstes Gespräch auf Portugiesisch zu beginnen. Sie will sich erkundigen, ob man hier Schulgeld bezahlt, und fragt: »Vocês pagam propina na escola?«

      Patrícia und Marcelo schauen sie einen Moment irritiert an, dann verneinen sie ihre Frage entschieden und wirken ein bisschen eingeschnappt. Patrícia sagt etwas, von dem Linda nur das Wort proibído – verboten versteht. Natürlich kann man Schulgeld kontrovers diskutieren, aber dass man gleich so entsetzt reagieren muss!

      Linda schaut verunsichert wieder auf den Bildschirm. Es werden gerade Bilder von einem Fußballspiel gezeigt. Sie nimmt einen erneuten Anlauf im Konversationstraining: »O guarda-redes é muito bom«, will sie den Torwart als sehr gut bewerten.

      Wieder schauen sich ihre Gastgeber perplex an. Diesmal müssen sie aber lachen. Marcelo

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