Ronaldo. Luca Caioli

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Ronaldo - Luca Caioli

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weil ich mir während eines Spiels keine Gedanken über die Verantwortung mache, die auf meinen Schultern liegt. Für mich war das eine Tätlichkeit und damit eine klare Rote Karte.“

      Auch Ricardo Carvalhos Kommentar gegenüber den Medien hilft nicht viel: „Wenn einer verliert, muss es immer einen Sündenbock geben. Ich glaube nicht, dass Ronaldo den Schiri beeinflusst hat.“ Ebenso wenig nützt Rooneys eigene Bewertung: „Ich bin nicht sauer auf Cristiano, sondern nur enttäuscht. Er hätte sich da nun mal nicht einzumischen brauchen.“

      Die britische Revolverpresse dagegen diskutiert die Sache bis ins kleinste Detail, und jedes Blatt hat seine ganz eigene Version. Die Sun etwa schreibt, dass Rooney damit gedroht habe, seinen Mannschaftskollegen „in zwei Teile zu brechen“, wenn er ihn das nächste Mal sehe. Sie behauptet außerdem, dass United ihn nach seinem „beschämenden“ Verhalten bei der WM loswerden wolle. Die Nachricht entbehrt zwar jeglicher Grundlage, aber Cristiano hat offensichtlich seine Schwierigkeiten damit. Es heißt, dass Sir Alex ihn anzurufen versucht habe, aber nur seine alte Telefonnummer besitze.

      Jeder meint, zu der Debatte beitragen zu müssen. Englands ehemaliger Angreifer Alan Shearer erklärt im Fernsehen, Rooney werde Cristiano bestimmt eine verpassen, sobald dieser beim Training von Man United auftaucht. Liverpools Kapitän Steven Gerrard fragt: „Wie konnte er einem Mannschaftskameraden so etwas antun? Das ist kaum zu fassen. Hätte einer von meinen Mitspielern das gemacht, würde ich kein Wort mehr mit ihm reden.“ Unterdessen sagt Tottenhams Trainer Martin Jol, dass „Cristiano Ronaldo bei allem das größte Unheil angerichtet hat, weil er Einfluss auf den Schiedsrichter nehmen wollte. Wo bleibt da der Sportsgeist?“ Die Reaktion der englischen Fans ist heftig: Sie haben nicht die Absicht, ihm irgendetwas nachzusehen. „Ich will Ronaldo nie wieder bei United sehen“, „Er ist eine Schande für den Sport“ und „Man verrät doch einen Freund nicht auf solche Weise“ sind nur eine Auswahl der im Internet kursierenden Kommentare.

      Ronaldo startet unverzüglich eine Gegenoffensive und erklärt, dass es zwischen ihm und Rooney keine Probleme gäbe. „Letztendlich haben wir SMS ausgetauscht und die Sache unter uns geklärt. Er hat mir noch alles Gute für die WM gewünscht und gemeint, dass wir eine super Mannschaft hätten und weit kommen würden, wenn wir so weiterspielen. Er war mir nicht böse und hat mir außerdem gesagt, dass ich ignorieren sollte, was die englische Presse dazu sagt, die wollten nur Chaos erzeugen, aber das kennen wir ja schon.“ Und dann fügt er noch hinzu: „Was man über mich und meinen Mannschaftskameraden und Freund Rooney gesagt hat, ist unglaublich.“

      Das ist aber noch keineswegs das Ende der Geschichte, obwohl Ronaldo verspricht, seinen Mannschaftskollegen anzurufen und die Sache auszuräumen. Bei den Fans, den Medien und allen Beobachtern hat sich das Bild festgebrannt, wie Ronaldo, als Rooney vom Platz fliegt, in Richtung der portugiesischen Bank zwinkert, als wolle er sagen, „Ziel erreicht, er ist raus.“ Da nützt es auch nichts, dass er sein Zwinkern in Richtung Scolari damit erklärt, dass er die Anweisung für einen Positionswechsel verstanden hatte.

      Die Medien fühlen sich vielmehr persönlich beleidigt und starten eine Kampagne gegen Ronaldo. Am 3. Juni zeigt die Titelseite der Sun ein Bild von Ronaldos Kopf auf einer Dartscheibe. Sein zwinkerndes Auge befindet sich genau über dem Bullseye. „Give Ron on the eye“, „Gebt Ron ein paar aufs Auge“, heißt es in der Schlagzeile. Im Artikel steht dazu: „Nun hat jeder England-Fan die Chance, es dem größten Zwinkerer der Welt heimzuzahlen. Auf unserer menschlichen Dartscheibe sehen Sie Cristiano Ronaldo, die portugiesische Schwuchtel. Manchester Uniteds Mittelfeldspieler wurde erwischt, wie er seinen Mitspielern zuzwinkerte, nachdem er aktiv mitgeholfen hatte, Englands und Uniteds Star Wayne Rooney vom Platz zu befördern. Wir haben aus Ronaldos Zwinkern das Bullseye gemacht. Hängen Sie es im Büro auf und geben Sie dem oberschlauen Señor ein paar aufs Auge.“ Das braucht man nicht weiter zu kommentieren.

      Das Theater will einfach nicht aufhören und zieht sich bis in den August. Alex Ferguson und Uniteds Vorstandschef David Gill fliegen an die Algarve zum Golfhotel Vale do Lobo, um mit Cristiano zu reden. Dieser gibt zu verstehen, dass er nicht zurück nach England will, sondern nach Spanien, entweder zu Barça oder zu Real. Er hat nicht das Gefühl, dass der Verein ihn während der ganzen Tortur rückhaltlos unterstützt hat, und erläutert Sir Alex seine Bedenken: Er fürchtet sich vor der Presse und den möglichen Reaktionen gegnerischer Fans, sollte er wieder auf englischem Boden spielen.

      Sir Alex macht ihm klar, dass Man United mit derartigen Situationen umzugehen weiß. Man hatte es ja auch schon mit Leuten zu tun, die Fotos von Beckham vor Londoner Pubs verbrannt haben, nachdem der englische Kapitän wegen seines Nachtretens gegen Argentiniens Mittelfeldspieler Diego „El Cholo“ Simeone bei der WM 1998 vom Platz geflogen war. Und er verdeutlicht Cristiano, dass die englischen Fans heftiger bellen als beißen. Man würde ihn zwar im Stadion ausbuhen, aber das wäre es dann auch schon. Außerdem erzählen Ferguson und Gill, dass sie bereits ein neues Haus auf dem Vereinsgelände für ihn besorgt haben, wo sein Privatleben vollständig vor der Außenwelt geschützt sei. Am Ende überzeugen sie ihn dann doch noch, nach Manchester zurückzukommen und sich der Situation zu stellen.

      In Macclesfield, wo United die Saisonvorbereitung absolviert, schließen Cristiano und Wayne Rooney dann Frieden. Der Boss hat von ihnen gefordert, sich eine Dreiviertelstunde unter vier Augen auszusprechen. Portugals Stürmer meidet sämtliche Medien, indem er durch einen Nebeneingang kommt und auch wieder verschwindet. Später wird er sein Schweigen in einem Interview mit dem Magazin FourFourTwo doch noch brechen. „Wir haben bei der Weltmeisterschaft in gegnerischen Mannschaften gespielt“, sagt er. „Es gibt kein Problem. Wir haben keine persönlichen Differenzen. Bei der WM waren wir Rivalen, aber das ist nun Vergangenheit. Das Leben geht weiter.“ Aber tut es das wirklich?

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