Preußen bewegt die Welt. Klaus-Jürgen Bremm
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Winston Churchill hat in seiner Darstellung nicht weiter erläutert, weshalb er den Siebenjährigen Krieg als den ersten aller Weltkriege betrachtete. Seine überschwängliche Charakterisierung Williams Pitts unterstreicht jedoch diese Einschätzung.6 Wie Churchill selbst als Kriegspremier hatte beinahe zwei Jahrhunderte zuvor der ältere Pitt und 1. Lord von Chatham an einer globalen Front gekämpft und war die Seele des Widerstandes und der Garant des britischen Sieges gewesen. Frankreich in Indien und Amerika zu schlagen, bedeutete für die englische Oligarchie, diesen gefährlichsten aller Konkurrenten auch in Europa entscheidend zu schwächen. Dasselbe Schicksal hatte zuvor schon die niederländischen Generalstaaten getroffen, die im 18. Jahrhundert nur noch eine Nebenrolle im europäischen Mächtesystem spielten.
Sosehr auch die Schlachten Friedrichs des Großen Militärs wie Historikern als Höhepunkt der barocken Kriegskunst erschienen waren, im Kontext dieses ersten globalen Krieges spielten sie sich auf einem Nebenkriegsschauplatz ab. Die Armeen Preußens, Österreichs und Russlands fochten in einem regionalen Krieg, und allein die globalstrategischen Erwägungen der Versailler Minister retteten das preußische Königtum vor dem fast sicheren Untergang. Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass der europäische Krieg zugunsten der antipreußischen Koalition ausgegangen wäre, hätte Frankreich im Sommer 1757 seine Hauptarmee von fast 100 000 Mann nur wenige Wochen nach Friedrichs Niederlage bei Kolin nach Sachsen marschieren lassen. Zum großen Verdruss der Österreicher hatte sich Frankreich jedoch anders entschieden und sich über Rhein und Weser nach Norddeutschland gewandt, wo es das Kurfürstentum Hannover als Faustpfand besetzen wollte. Selbst nach seiner Demütigung bei Rossbach versuchte Versailles noch sechs weitere Jahre, sein wichtigstes Kriegsziel in Europa zu erreichen.
Ob es seinen 1759/60 verlorenen Besitz in Kanada und Louisiana im Tausch gegen das Kurfürstentum Hannover tatsächlich von den Briten zurückerhalten hätte, ist eine spannende Frage. Der geschickte Widerstand einer vereinten deutsch-britischen Armee unter dem Oberbefehl des erst 36-jährigen Ferdinands von Braunschweig-Lüneburg verhinderte, dass London sie sich tatsächlich stellen musste.
Nicht an Elbe und Oder fiel die Entscheidung des siebenjährigen Ringens, sondern an der Weser und am Rhein. Die Schlachten von Minden und Vellinghausen waren für den Ausgang des Siebenjährigen Krieges weitaus bedeutsamer als die von Rossbach, Leuthen oder Kunersdorf. Allein durch sie verfehlte Frankreich sein zentrales Kriegsziel in Europa und musste, ohne ein strategisches Tauschobjekt in der Hand, ganz Kanada abtreten. Mit dem Nimbus seiner Unbesiegbarkeit waren auch der Glanz und die Legitimität der absoluten Monarchie in Frankreich für immer dahin. Die Niederlagen in diesem Krieg, so Louis Philippe, Graf von Ségur, verletzten und erweckten zugleich den Nationalstolz der Franzosen. Von einem Ende des Landes bis zum anderen wurde die Opposition gegen den Hof zur Ehrensache.7 Vom Pariser Verzichtsfrieden von 1763 führte ein direkter Weg zum Sturm auf die Bastille.
Die 13 Staaten Neuenglands, bis dahin untereinander eher isoliert, fanden im sogenannten French and Indian-War zu einem neuen Selbstbewusstsein. Die sich nach dem Frieden von Boston bis Charles Town entzündende Debatte über ihre zukünftige Rolle im britischen Weltreich eskalierte nur ein Jahrzehnt später zum Unabhängigkeitskrieg, an dessen Ende die Loslösung vom Mutterland stand. Der Wegfall der französischen Barriere zwischen den Großen Seen und dem Mississippi war zugleich das Startsignal zum großen Zug nach Westen. Die heutige 300 Mio. Nation zwischen Pazifik und Atlantik würde ohne den Sieg Großbritanniens im Siebenjährigen Krieg vermutlich nicht existieren. Bis heute sind die Revolutionen in Amerika und Frankreich die entscheidenden Umbrüche des transatlantischen Raums, ohne welche die moderne westliche Welt in ihrer heutigen Gestalt gar nicht vorstellbar wäre.
Dagegen ist der Staat Friedrichs des Großen ebenso wie das Habsburgische Vielvölkerreich längst Geschichte. Preußens Untergang vollzog sich seit 1871 in langen Etappen, während das Haus Österreich am 3. November 1918 mit einem Tedeum im Stephansdom aus der Geschichte schied. Das für ein Vierteljahrhundert umkämpfte Schlesien, zentraler Zankapfel zwischen Friedrich und seiner ärgsten Rivalin Maria Theresia, ist bereits seit 70 Jahren Teil des nach Westen verschobenen polnischen Staates. Nichts in der modernen europäischen Staatenwelt erinnert heute noch an ihre alten Kämpfe.
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