Die Sieben Weltwunder. Johannes Thiele

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Die Sieben Weltwunder - Johannes Thiele marixwissen

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style="font-size:15px;">       Das Ende des Pharos

       BIBLIOGRAPHIE

      Das ist der Sinn von allem, was einst war,

      daß es nicht bleibt mit seiner ganzen Schwere,

      daß es in unserem Herzen wiederkehre,

      in uns verwoben, tief und wunderbar.

      RAINER MARIA RILKE

      ERSTE AUFZÄHLUNG DER SIEBEN WELTWUNDER

       Babylons ragende Stadt, ich sah sie mit Mauern, auf denen

       Wagen fahren. Ich hab Zeus’ am Alpheios gesehn, sah des Helios Riesenkoloß und die Hängenden Gärten, auch den gewaltigen Bau der Pyramiden am Nil und des Mausolos prächtiges Mal. Doch als ich dann endlich

       Artemis’ Tempel erblickt, der in die Wolken sich hebt, blaßte das andre dahin. Ich sagte: »Hat Helios’ Auge außer dem hohen Olymp je etwas Gleiches gesehn?«

      ANTIPATROS VON SIDON

      (2. Jahrhundert v. Chr.)

      EINLEITUNG

      Aus Zeit und Bewegung entsteht Vergänglichkeit. Aus der Vergänglichkeit der Wunsch nach Beständigkeit. Aus dem Wunsch nach Beständigkeit der Wille zur Erinnerung, zur Mahnung, zum Monument. Erinnerung aber ist das fragilste, das kostbarste Gut des menschlichen Geistes. Angefochten, verhasst, geliebt. Sie soll unauslöschlich sein, und doch gehen über sie die Stürme der Zeit und der Geschichte hinweg und verwehen alle ihre Spuren. Überlieferung ist daher die einzig wirksame Waffe gegen das Verlöschen der Erinnerung, das Versinken dessen, was Menschen gedacht, geliebt und hervorgebracht haben, in den Nebeln des Vergessens.

      In diesem Buch geht es um eine spezifische Form der Tradition: um die Rekonstruktion dessen, was seit der Antike »Weltwunder« genannt wird. Ein Weltwunder ist mehr als eine Sehenswürdigkeit der Vergangenheit, die uns heute nichts mehr angeht. Es ist selbst dort noch, wo wir es mühsam der Vergessenheit entreißen, indem wir alte Schriften studieren, fremde Zeichen entziffern, Schicht um Schicht Erde, Staub und Sand durchsieben, eine einzigartige Einladung zu einer der schönsten menschlichen Fähigkeiten: zum Staunen.

      EIN KANON DER SEHENSWÜRDIGKEITEN

      Die als Weltwunder »bestaunenswerten Sehenswürdigkeiten« wurden schon in der Antike in einem Kanon festgelegt, dem auch dieses Buch folgt. Um das Jahr 250 v. Chr. entstand die erste Liste der Ta hepta theamata, die nicht im Original erhalten geblieben ist. Insgesamt fünfundzwanzig Listen sind uns allein aus der Antike überliefert, sie gehen jedoch immer wieder auf die erste zurück.

      In alten Nachschlagewerken findet man Listen mit einer anderen Zahl oder Zusammensetzung. In der ältesten Weltwunderliste zu Beginn des 3. vorchristlichen Jahrtausends fehlt zum Beispiel der Leuchtturm auf der Insel Pharos vor Alexandria, weil es ihn damals noch gar nicht gegeben hat. Sie enthielt noch ein anderes Weltwunder, nämlich die Mauern von Babylon. Doch schon in der zweitältesten Liste taucht der Leuchtturm vor Alexandria auf. Dafür sind die mit dem Niedergang Babylons verfallenden Festungsmauern aus der Liste gestrichen.

      Auch wurden immer wieder neue, noch vorhandene als Ersatz für die versunkenen Weltwunder vorgeschlagen: der Porzellanturm von Nanking, die Große Chinesische Mauer, die Hagia Sophia in Konstantinopel, der Schiefe Turm von Pisa, die Steine in Stonehenge in England – sie alle finden sich auf diversen Listen der Neuzeit.

      Die umfangreichste Aufzählung enthält die um 1300 entstandene Liste der »schönsten Werke und Schaustücke der Welt«, die ein Codex in der Bibliothek des Vatikan bewahrt. Hier wurden gleich dreißig Weltwunder hervorgehoben, neben den bekannten Werken, diversen Götterstatuen und Tempeln verschiedener Gottheiten unter anderem das Kolosseum und der Obelisk des Circus Maximus in Rom, das Labyrinth des Minos von Kreta, die Theater in Sidon und Herakleia am Schwarzen Meer, der Säulengang in Sardes.

      Doch alle diese kursierenden Listen überstrahlt noch immer die Eine, die Große Liste der Sieben Weltwunder. Die Sieben ist einfach unschlagbar.

      DIE FASZINATION DER SIEBEN

      Dass es ursprünglich sieben Weltwunder sein mussten, nicht mehr und nicht weniger, hängt mit der zauberischen und symbolischen Bedeutung dieser Zahl zusammen. Ein Zauber, der sich erhalten hat. Er wirkt bis in unsere Zeit fort.

      Der griechische Philosoph Aristoteles (um 350 v. Chr.) stellte sich das Gewölbe der Welt aus sieben durchsichtigen Schalen erbaut vor: Sie drehen sich um unsere Erde, eine jede für sich und verschieden schnell. Die Sonne, der Mond, die Planeten wandern mit den gläsernen Sphären. Noch heute lebt dieses Weltbild in der Redensart vom »siebten Himmel« weiter.

      Sieben Planeten, von sieben Fürsten regiert, umkreisen in festen Bahnen die Sonne.

      Die siebenfache Netzhaut des Auges ist der Ausdruck für die Spieglung der Siebenzahl in der geistigen und kreatürlichen Welt.

      Auf sieben Hügeln standen unter anderem die Reichsund Tempelstädte Babylon, Jerusalem und Rom.

      Vor zweieinhalbtausend Jahren schon zählten die Griechen sieben Philosophen zu den »sieben Weisen«, zu denen Solon, der große Gesetzgeber Athens, aber auch Thales von Milet gehörte, der Mond- und Sonnenfinsternisse vorausberechnete und – zum großen Staunen der Ägypter – die Höhe der Pyramiden aus der Entfernung mathematisch bestimmen konnte.

      Sieben Helden Griechenlands zogen unter Theseus’ Führung gegen das siebentorige Theben.

      Sieben junge Männer und sieben junge Frauen hatte Athen siebenmal sieben Jahre nach Kreta, in das Labyrinth des Minos, zu schicken.

      Am siebten Tag sollst du ruhen, verlangt das hebräische Gesetz in der Bibel.

      Jedes siebente Jahre ließ man die Felder brach liegen.

      Als Gleichnis des ewigen Lebens, gespiegelt in den sieben Planeten, stand der siebenarmige Leuchter im jüdischen Tempel.

      Und es gab Sieben Weltwunder.

      EINE MAGISCHE ZAHL

      Wie kam es, dass ausgerechnet die Zahl Sieben einen solch außerordentlichen Rang erhielt? Ein Zufall? Oder eine Laune des Menschen?

      Pythagoras, um 570 v. Chr. auf Samos geboren, »weise wie der Sterblichen keiner«, lehrte, dass alle Dinge im Himmel und auf Erden nach Zahlenverhältnissen geordnet sind. Ausgangspunkt war die Entdeckung, dass die Tonhöhe einer gespannten Saite genau im umgekehrten Verhältnis zu ihrer jeweiligen Länge steht.

      Forschungen und Messungen ergaben, dass die akustisch-harmonischen Grundverhältnisse sich eingebaut finden in den heiligen Gebäuden der Griechen, ja dass sie letztlich in allen heiligen

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