Die großen Reden der Weltgeschichte. Martin Kaufhold

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Die großen Reden der Weltgeschichte - Martin Kaufhold marixwissen

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wohl etwas Gutes widerfahren, und wir irren uns sicher, wenn wir den Tod für ein Übel halten. Für mich ist das ein Beweis. Denn sonst hätte mich das vertraute Zeichen abgehalten, wenn ich etwas hätte tun wollen, das nicht gut war. Lasst uns aber nachdenken, ob wir zu Recht hoffen, der Tod sei etwas Gutes. Denn er kann nur eins von beiden sein. Entweder er ist ein Nicht-Sein, und der Gestorbene hat keine Empfindung mehr von irgend etwas, oder er ist eine Verwandlung und eine Versetzung der Seele von hier an einen anderen Ort. Und ist es nun gar keine Empfindung, sondern eher ein Schlaf, in dem der Schlafende nicht einmal träumt, so wäre der Tod ein großer Gewinn. Denn, ich glaube, wenn jemand eine solche Nacht, in der er fest geschlafen hat, mit allen anderen Tagen und Nächten seines Lebens vergleicht, und wenn er überlegt, wie viele Tage und Nächte er besser gelebt habe, als in dieser Nacht, dann würde nach meiner Einschätzung nicht nur ein normaler Mensch, sondern auch ein großer König, diese Tage und Nächte leicht zählen können.

      Wenn der Tod also dieser Art ist, dann nenne ich ihn einen Gewinn, denn alle verbleibende Zeit wäre ja dann wie eine Nacht. Ist aber der Tod wie ein Auswandern an einen anderen Ort, und ist es wahr, dass dort die anderen Verstorbenen sich aufhalten, was für ein Glück könnte größer sein, Ihr Richter? Denn wenn einer in der Unterwelt statt der hiesigen Richter, die sich nur so nennen, die wahren Richter trifft, von denen man sagt, dass sie dort Recht sprechen, den Minos und Radamanth und Aiakus und Triptolemus, und die anderen Halbgötter, die in ihrem Leben gerecht gewesen sind, wäre das ein schlechter Tausch? Oder auch mit Orpheus umherzuwandeln und Musaius und Hesiod und Homer, was würdet Ihr nicht dafür geben? Ich wenigstens will gern oftmals sterben, wenn dies wahr ist. Ja mir zumal wäre es ein herrliches Leben, wenn ich dort den Palamedes und Aias des Telemons Sohn anträfe, und wer sonst noch unter den Alten eines ungerechten Urteils wegen gestorben ist, mit meinem Schicksal zu vergleichen. Das müsste lohnend sein. Ja, was das größte ist, dort zu leben und die dortigen auszufragen und zu erforschen, wer unter ihnen weise ist und wer glaubt es zu sein, aber nicht ist. Für wie viel, Ihr Richter, möchte das einer wohl annehmen, denjenigen, der das große Heer nach Troja führte, auszufragen, oder den Odysseus oder Sisyphus, und viele andere könnte man nennen, Männer und Frauen, mit welchen dort zu sprechen und umherzugehen und sie zu befragen das größte Glück wäre. Gewiss werden sie einen dort deswegen nicht hinrichten. Denn dort ist man nicht nur überhaupt glücklicher als hier, sondern auch für alle Zeit unsterblich, wenn es stimmt, was gesagt wird. Also müsst auch Ihr, Richter, gute Hoffnung haben, im Angesicht des Todes, und dies eine haltet fest im Herzen, dass es für den guten Mann kein Übel gibt, weder im Leben noch im Tode, noch dass die Götter ihr Interesse für ihn je verlieren.

      Auch meine Angelegenheiten haben sich nicht durch Zufall so entwickelt; vielmehr ist mir deutlich geworden, dass es besser für mich ist, zu sterben und aller Mühe ledig zu sein. Daher hat mich das Zeichen auch an keiner Stelle gewarnt, noch bin ich meinen Anklägern und Verurteilern böse. Obgleich sie mich nicht in dieser Absicht angeklagt und verurteilt haben, sondern um mir zu schaden. Dafür verdienen sie in der Tat getadelt zu werden. Um eines bitte ich noch: Wenn meine Söhne heranwachsen, und Ihr den Eindruck habt, dass sie sich mehr um Reichtum, als um Tugend bemühen, dann ruft sie zur Ordnung und weist sie zurecht wie ich Euch zurecht gewiesen habe, und wenn sie denken, etwas zu sein, was sie nicht sind, so tadelt sie, wie ich Euch getadelt habe, weil sie sich nicht um das Sorgen machen, worum man sich Sorgen machen muss, und weil sie sich einbilden, etwas zu sein, was sie nicht wert sind. Wenn Ihr das tut, so tut Ihr mir und meinen Söhnen recht. Jetzt ist es Zeit zu gehen, für mich, um zu sterben und für Euch, um zu leben. Wer aber von uns das Bessere vor sich hat, das weiß niemand außer Gott allein.

      MARKUS ANTONIUS

       Grabrede auf Julius Caesar

      EINFÜHRUNG

      Die Rede von Markus Antonius bei der Leichenfeier für Julius Caesar ist in dieser Form nicht gehalten worden. Der Text, der hier folgt, stammt aus der Feder des großen William Shakespeare. Shakespeares Version der Leichenrede gehört zu den bedeutendsten politischen Reden der europäischen Geschichte. Sie hat über Jahrhunderte den verschiedensten Rednern als Vorbild gedient. Aufgrund ihrer Bedeutung ist sie hier aufgenommen. Sie ist ein Paradestück agitatorischer Rhetorik und an Dramatik kaum zu überbieten.

      Shakespeare führt vor, wie der Redner Markus Antonius das römische Volk, das gerade erst dem Caesarmörder Brutus zugejubelt hat, wieder in Verehrung für den toten Diktator entzündet, so dass es schließlich so aufgewühlt ist, dass die wütenden Menschen den Dichter Cinna töten und schlimm zurichten – allein wegen seiner Namensgleichheit mit einem der Verschwörer. Es ist also kein unschuldiger Text, sondern Agitation im Kampf um die Macht in Rom am Ende der Republik. Aus diesem Kampf ging schließlich der sogenannte Prinzipat des Augustus hervor, eine praktische Monarchie, die jedoch die Formen der Verfassung wahrte. Shakespeare hat dieses Geschehen nicht erfunden, sondern er hat aus historischer Überlieferung (besonders Plutarch) geschöpft, und er hat die historischen Ereignisse dramatisch ausgestaltet. Manche Formulierung aus der Rede ist in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen, die zunächst subtile, dann massive Anklage gegen die Verschwörer hat den „ehrenwerten“ Männern einen langanhaltenden Schaden zugefügt – zumindest solange Zitate aus den Klassikern einen gewissen Bekanntheitsgrad hatten.

      Das Geschehen und seine dramatische Gestaltung liegen schon lange zurück, aber die Rede vermag den heutigen Leser noch immer zu fesseln. Shakespeare hat das Geschehen für die Bühne zeitlich etwas gerafft. Tatsächlich lagen zwischen der Ermordung Caesars im Senat und der Leichenfeier für den getöteten Dikator fünf Tage (15.-20. März 44 v. Chr.). Die Stimmung in Rom war nicht klar. Das Attentat auf Caesar hatte die Menschen verunsichert (Markus Antonius hatte sich zunächst Hals über Kopf in sein Haus geflüchtet und Sicherheitsvorkehrungen getroffen). Die Kräfte formierten sich allmählich und die Verschwörer und die Anhänger Caesars versuchten, Unterstützung zu mobilisieren. Die ganzen Ereignisse waren der Ausdruck einer schweren Krise, in die die römische Republik nach einem langen Aufstieg zur Weltmacht geraten war.

      Die Römer hatten in ihrer langen Geschichte zunächst Italien unter ihrer Führung geeint, dann im Kampf mit Karthargo die Herrschaft im Mittelmeer erkämpft und ihr Imperium schließlich auch weit nach Norden ausgedehnt. Caesars Gallischer Krieg ist berühmt und seine Erfolge in Gallien haben zu seiner besonderen Machtstellung wesentlich beigetragen. Caesar hatte als Statthalter in Spanien erste größere politische Verantwortung erhalten und mit harter Hand regiert. Als er danach für insgesamt zehn Jahre Prokonsul in Gallien wurde (58–49 v. Chr.), trieb er die Eroberung der Provinz rücksichtlos voran. Sein Amt erlaubte ihm, eigene Truppen auszuheben, die Beute aus seinen Kämpfen erhöhte seine Mittel beträchtlich und sie stärkte auch die Loyalität seiner Truppen. So konnte er in der Krise der späten Republik eine eigene politische Rolle spielen. Er hatte frühzeitig Bündnisse geschlossen und sich 59 v. Chr. mit Crassus, dem reichsten Mann Roms, und mit Pompeius, dem mächtigen Feldherrn, zum sogenannten ersten Triumvirat verbunden. Die beiden einflußreichen Verbündeten stützen seine Ernennung zum Prokonsul in Gallien. Doch Casar wurde durch seine Erfolge stärker und unabhängiger. Der Triumvirat zerfiel mit dem Tod des Crassus und Caesar und Pompeius gerieten in Konkurrenz. Dabei zeigte sich, dass Caesar sich auch von den römischen Institutionen keine Einschränkungen mehr auferlegen ließ. Zwar verbot ihm der Senat die Rückkehr nach Italien, aber Caesar überschritt mit dem Rubikon die Grenze. Hier soll der berühmte Satz „Der Würfel ist gefallen“ gesprochen worden sein. Nun stand Caesar im Bürgerkrieg mit Pompeius, der nach Osten ausgewichen war.

      Doch Caesar war erfolgreich. Es gelang ihm, den Widersacher zu besiegen. Pompeius wurde darauf ermordet, und Caesar war der mächtigste Mann Roms geworden. Der Erfolg machte ihn unduldsam. Er reagierte empfindlich und harsch auf Widerstände, ließ erkennen, wie wenig er die noch bestehenden Institutionen der Republik respektierte („Er wollte sich keinerlei Zwang mehr antun“, Christian Meier). Sein Zug gegen Pompeius hatte ihn im Osten mit Kleopatra, der Königin

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