Der Dreißigjährige Krieg. Helmut Neuhold

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Der Dreißigjährige Krieg - Helmut Neuhold marixwissen

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religiöse oder auch als soziale Auseinandersetzung interpretiert. Es war aber wohl der Einfluss all dieser Faktoren, der zu einer so lange andauernden europäischen Misere führte. Zumindest zu Beginn des Krieges dominierte jedoch der religiöse Aspekt. Ohne den Erfolg Martin Luthers und der im Zuge seiner Lehren einsetzenden Gegenreformation hätte es auch den Dreißigjährigen Krieg nicht in dieser Form gegeben. Vieles von dem, was in jener Auseinandersetzung passiert ist, resultiert allein aus dem unerbittlichen Hass, mit dem sich die Konfessionen begegneten. So folgte auf die Verheißungen von Renaissance und Humanismus die Barbarei eines bisher nicht gekannten totalen Krieges. Dieser Begriff scheint für die Dimension des Dreißigjährigen Krieges angemessen, auch wenn er im heutigen Sprachgebrauch in erster Linie für die beiden Weltkriege verwendet wird.

      Einige der Akteure des Dreißigjährigen Krieges sind noch heute präsent. Die Erinnerung an Persönlichkeiten wie Wallenstein, Gustav Adolf oder Tilly gehörte bis vor kurzem noch zum allgemeinen Bildungsgut. Die Ursachen, der Verlauf und die Folgen dieses Krieges hingegen sind den Meisten weniger bekannt, wenn man von der Vorstellung blutiger Schlachten, plündernder Landsknechte und drangsalierter Bauern und Städter absieht. Die großen Persönlichkeiten waren es auch, die den Verlauf dieses Krieges weitgehend, teils als Treibende, teils als Getriebene, bestimmten, bis er in seiner Endphase allen entglitt und eine Eigendynamik entwickelte. Aus diesem Grund geht die vorliegende Arbeit neben der Ereignisgeschichte auch besonders auf herausragende Gestalten dieser Epoche, ihre Persönlichkeit, Motive und ihr Schicksal ein.

      Bewusst wurde in der Gliederung der Darstellung auf die »klassische« Unterteilung dieses großen europäischen Konflikts, der auch »Teutscher Krieg« genannt wurde, in vier »Kriege« verzichtet. Der »Böhmisch-pfälzische Krieg« (1618 – 1623), der »Dänisch-niedersächsische Krieg« (1623 – 1629), der »Schwedische Krieg« (1630 – 1635) und der »Schwedisch-Französische Krieg« (1635 – 1648) bedingten einander und gingen ineinander über. Manche Autoren sprechen sogar von bis zu 13 Kriegen und 10 Friedensschlüssen, weshalb man zuweilen auch die Bezeichnung »Dreißigjähriger Krieg« in Frage stellte. Mit dem gleichen Argument könnte man auch den Zweiten Weltkrieg in verschiedene kriegerische Konflikte, wie z. B. den »Deutsch-Polnischen Krieg«, den »Deutsch-Französischen Krieg« bis hin zum »Deutsch-Sowjetischen Krieg« unterteilen. Der Dreißigjährige Krieg wurde jedoch bereits von Zeitgenossen als »Einheit« wahrgenommen, da er eine in sich geschlossene Abfolge von Kriegshandlungen darstellte, bei denen zwar neue Konfliktparteien hinzukamen, sich aber an der Grundsituation zweier verfeindeter Lager innerhalb des Heiligen Römischen Reiches nichts änderte. Das ist auch der Grund, weshalb der Westfälische Friede schließlich als Beendigung dieses drei Jahrzehnte währenden Ringens betrachtet wurde.

      Als der Dreißigjährige Krieg zu Ende war, hatte sich zwar die konfessionelle Landkarte Mitteleuropas kaum verändert, die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse waren indessen einem radikalen Wandel unterzogen worden. Einige Nationen, darunter Frankreich und Schweden, hatten einen massiven Machtzuwachs erfahren, während anderen erst eine eigenständige Entwicklung ermöglicht wurde, so etwa der Schweiz und den Niederlanden. All dies ging zu Ungunsten der Deutschen, die neben massiven Bevölkerungsverlusten die nun festgeschriebene Einbuße der Zentralgewalt und einen wirtschaftlichen Niedergang hinnehmen mussten. Das Heilige Römische Reich als übergeordnete politische Einheit wurde zur Fassade und die Macht des Kaisers auf seine Erblande beschränkt. Ohne diese »Urkatastrophe« Deutschlands und Mitteleuropas wären die weiteren historischen Entwicklungen in großem Maße anders verlaufen.

      Es wurde versucht, für die vorliegende Arbeit eine möglichst große Anzahl von Quellen heranzuziehen, wobei der Fokus besonders auf persönlichen Berichten, Briefen und Tagebuchaufzeichnungen von Zeitzeugen lag. Die eingefügten Zitate, Berichte, Gedichte und Liedtexte sollen das geschilderte Zeitbild und die beschriebenen Ereignisse dieses in seiner Art einmaligen Krieges dokumentieren und abrunden.

      Das Präludium einer europäischen Tragödie

      Wenn es um die Vorgeschichte des Dreißigjährigen Krieges geht, so wird zumeist auf den »Augsburger Religionsfrieden« von 1555 Bezug genommen. Er schien die Basis für eine friedliche Koexistenz für Protestanten und Katholiken im Heiligen Römischen Reich zu gewährleisten. Während in Frankreich Bürgerkriege zwischen den beiden verfeindeten Konfessionen das Land innerlich zerrissen, hatte es den Anschein, als herrsche im Reichsterritorium weitgehend religiöser Friede. Die Landesherren bestimmten in jenen Tagen die Konfession ihrer Untertanen (»cuius regio eius religio«!) und wer nicht gehorchen wollte, musste auswandern. Alles machte einen geregelten Eindruck, doch dieser Friede erwies sich als trügerisch.

      Vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges bestand das Reich aus etwa 300 Fürstentümern, Grafschaften und Reichsstädten; hinzu kamen die Niederlande, die Schweizer Eidgenossenschaft und das Königreich Böhmen. Betrachtet man eine Karte von damals, so ist es nicht möglich, in dem wirren Fleckenteppich großer und kleiner Herrschaftsgebiete den tiefen Graben zu erkennen, der Katholiken und Protestanten voneinander trennte. Dennoch war er vorhanden und wurde im Laufe der langen Jahre relativen Friedens vor 1618 immer tiefer.

      Ein venezianischer Reisender schätzte 1570, dass etwa 80 Prozent der Reichsbevölkerung protestantisch waren. (Milger 1998, S. 14) Trotz aller Bekämpfungsmaßnahmen und der aufkommenden Gegenreformation übte die Lehre Luthers auch in den Territorien der katholischen Landesherren eine große Anziehungskraft aus. Selbst in den Erblanden des erzkatholischen habsburgischen Kaiserhauses waren die Protestanten in vielen Gebieten in der Überzahl. Dadurch konnten sie in vielen Bereichen gewisse Freiheiten durchsetzen, die ihnen nach dem Verdikt des Augsburger Religionsfriedens gar nicht zugekommen wären. Die habsburgischen Herrscher des Heiligen Römischen Reiches begegneten der protestantischen Unterwanderung ihrer Territorien entweder mit einer gewissen Toleranz – wie etwa Kaiser Maximilian II. – oder aber mit brutalen gegenreformatorischen Durchsetzungsversuchen wie sie sich zeitweise in dem desorganisierten Herrschaftsgebaren von Rudolf II. zeigten.

      Da sich die Reformation trotz allem gegen Ende des 16. Jahrhunderts weiter ausbreitete und der Katholizismus im Zuge der Gegenreformation gleichzeitig wieder erstarkte, schwand die Kompromissbereitschaft zunehmend. Eine neue Generation von katholischen und evangelischen Fürsten war bereit, mit Gewalt die eigene Position auf Kosten der Gegenseite zu verbessern und verloren gegangene Gebiete zurückzuerobern. Zudem trachteten auch die bisher völlig an den Rand gedrängten Calvinisten danach, ihre Konfession im Reichsrecht zu verankern. Hinzu kamen noch wirtschaftliche Krisen und dynastische Konflikte, die neben konfessionellen Gegensätzen für zusätzlichen Sprengstoff sorgten.

      Die andere Hälfte der Familie Habsburg, die in Spanien regierte, duldete in ihrem Kernland keinerlei Ketzertum und ließ »Irrgläubige« den Feuertod sterben. Doch in den Nordprovinzen der Spanischen Niederlande – etwa dem heutigen Holland – konnten sie ihre religiösen Vorstellungen gegenüber den starken Ständen der calvinistischen Adeligen und wohlhabenden Bürger nicht durchsetzen. Infolge der spanischen Unterdrückungsversuche kam es zu einem Befreiungskampf der Niederländer, der letztlich 80 Jahre dauern und in seiner Spätphase in einer intensiven Wechselwirkung mit dem Dreißigjährigen Krieg stehen sollte.

      Der den Großteil seiner Regierungszeit in Prag residierende Kaiser Rudolf II. agierte wie die Karikatur eines habsburgischen Herrschers. Von schrullig-abergläubischer Gesinnung, mangelte es ihm entschieden an Entschlossenheit und Tatkraft. Da er außer Stande war, sich gegen die Grillen seiner obskuren Ratgeber und die Machtansprüche seiner Kammerdiener zur Wehr zu setzen, fehlte es dem Reich unter seiner Regentschaft an einer klaren Linie. Anstatt sich um die Gefahren zu kümmern, die von Innen durch die Feindschaft der beiden Konfessionen und von Außen durch die Osmanen drohten, galt das einzige Interesse des Kaisers seinen depressiven Verstimmungen, der Astrologie und der Mystik. Solchermaßen mit seinem Innenleben und erdentrückten Dingen beschäftigt, gingen die heraufziehenden Konflikte in seinem Reich gänzlich an ihm vorbei. Das Ende der »Herrschaft« dieses seltsam melancholischen und weltfremden Kaisers war letztlich von Chaos und Gewalt bestimmt.

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