Der Dreißigjährige Krieg. Helmut Neuhold
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Der am 17. April 1573 geborene Herzog Maximilian I. von Bayern wurde zu einer der wichtigsten Figuren des Dreißigjährigen Krieges. Der Herzog, der 1598 an die Regierung Bayerns gelangte und diese Herrschaft mehr als 50 Jahre lang ausübte, war in vielerlei Hinsicht ein absoluter Fürst, der sein Land nach damals modernen Lehren umgestaltete. Aber er war auch ein katholischer Eiferer und ein unerbittlicher Gegner des Protestantismus. Von Jesuiten erzogen, wurde er ein führender Vertreter der Gegenreformation. Als Reaktion auf sein brutales Vorgehen gegen die protestantische Stadt Donauwörth im Jahr 1607 formierte sich die Protestantische Union als ein Bündnis protestantischer Fürsten, dem sich 1609 die Katholische Liga gegenüber stellte. Maximilian I. übernahm die Führung dieser Vereinigung katholischer Fürsten, zu der sich 1610 auch der spätere Kaiser Erzherzog Ferdinand gesellte. Damit waren die Fronten für künftige Konflikte klar gezogen und Maximilian scheute auch nicht davor zurück, Öl ins Feuer zu gießen. Er unterstützte seinen Freund und Studienkollegen Ferdinand bei dessen Wahl zum Kaiser und wurde sein wichtigster Bundesgenosse. Aus den engen Freuden wurden allerdings erbitterte Feinde, als Ferdinand II. sich einige Zeit später als absoluter Kaiser einsetzte und aus diesem Grund führte Maximilian I. einen heftigen Kampf gegen den überragenden kaiserlichen Feldherrn Wallenstein.
So war denn auch Ferdinand II. in hohem Grad verantwortlich für den Ausbruch und die Fortführung des Dreißigjährigen Krieges und ohne ihn hätte dieser Konflikt wohl niemals ein derartiges Ausmaß erreicht. Ferdinand war der zweite Sohn von Erzherzog Karl II. von Innerösterreich und Maria von Bayern. Er wurde am 9. September 1578 in Graz geboren und von frühester Kindheit an streng katholisch erzogen. Ab 1590 nahmen sich die Jesuiten der Universität Ingolstadt seiner an und er wurde einer ihrer eifrigsten Schüler. Ferdinand vertrat für den Rest seines Lebens deren Standpunkt und wurde in gewisser Weise ein »päpstlicher Krieger«. Niemand sollte später größeren Einfluss auf ihn haben als seine jesuitischen Beichtväter. Nach dem frühen Tod seines Vaters war der junge Ferdinand zunächst durch eine eingesetzte Vormundschaftsregierung gebunden und konnte erst nach seiner Erbhuldigung im Jahr 1596 eigenmächtig handeln. Er weigerte sich aber, bei seinem Huldigungseid die religiösen Zugeständnisse seiner Vorgänger an die Protestanten zu bestätigen. Gelenkt von seinen jesuitischen Ratgebern verkündete er, dass diese Zugeständnisse lediglich ein persönliches Entgegenkommen dargestellt hätten und mit dem Tod seines Vaters erloschen seien.
Nach einer Italienreise trat er schließlich den Kampf gegen die Protestanten an. Ferdinand, den seine Anhänger später einen »zweiten König David und Cattolichissimo« und seine Gegner einen »mordkatholischen Fürsten« (Kronen-Zeitung, Wien, 19. 12. 2010) nannten, zeigte nun, wozu er fähig war. Der Erzherzog hatte unter anderem auch deshalb leichtes Spiel, weil sich die Protestanten zu jener Zeit durch politische und religiöse Flügelkämpfe selbst in großem Maß schwächten. Vom Erzherzog ins Leben gerufene »Reformationskommissionen« setzten alle Nichtkatholiken unter Druck und ließen ihnen nur zwei Möglichkeiten: Bekehrung zum »rechten Glauben« oder Auswanderung, was zu einem ausgeprägtem Bevölkerungsschwund führen sollte. Schon bald waren die Steiermark, Kärnten und Krain wieder fest in katholischer Hand. Hier hatte Ferdinand gesiegt, während er im Kampf gegen die Türken keine sehr gute Figur machte, da er wie die meisten Habsburger über wenig militärisches Talent verfügte.
Gegenüber dem »Bruderzwist im Hause Habsburg« zwischen Kaiser Rudolf II. und dem ihm geistig unterlegenen Bruder Erzherzog Matthias nahm Ferdinand eine eher vermittelnde Rolle ein, wobei er allerdings die tolerante Haltung von Matthias gegenüber den Protestanten sehr missbilligte. Der Tod des Kaisers in Prag und die Kinderlosigkeit seines Nachfolgers Matthias werteten die Stellung Ferdinands als wahrscheinlichem Nachfolger erheblich auf. Er sicherte sich diesbezüglich durch einen Vertrag mit der spanischen Verwandtschaft ab, die gegen kleinere Gebietsabtretungen auf ihre potentiellen Erbansprüche verzichtete. Ferdinand konnte 1617 seine Wahl zum König von Böhmen überraschend leicht durchsetzen und ein Jahr später nach zähen Verhandlungen auch die ungarische Königswürde erlangen. Die Stände dürften ihn und seine Konfliktbereitschaft weit unterschätzt haben.
Ferdinand hatte bei seiner Designierung durch die böhmischen Stände zugesagt, sich an den Majestätsbrief zu halten. Einige Angehörige der Stände glaubten allen Ernstes, dass Ferdinand dieses Dokument respektieren würde. Die Urkunde war von Kaiser Rudolf II. am 9. Juli 1609 unterschrieben worden, als er sich in die Enge getrieben sah. Sie garantierte eine fast ständische Verfassung, das Recht der Stände auf die Königswahl und vor allem die Freiheit der Konfession. Auch Rudolfs Nachfolger Matthias hatte seinerzeit dem Majestätsbrief zugestimmt. Es ist zu vermuten, dass führende Vertreter der böhmischen Stände ohnehin damit rechneten, dass Ferdinand sich nicht an seine Verpflichtung halten würde und somit ein Grund gegeben war, ihn abzusetzen und durch einen gewählten tschechischen Adeligen zu ersetzen.
Ferdinand tat auch bald das, was man von ihm erwartet hatte, und die »Braunauer Händel« zeigten dem Beobachter sehr schnell, in welche Richtung die Entwicklung ging. Den Hintergrund dafür bildete der Beschluss, eine protestantische Kirche abzureißen, die angeblich auf einem Klostergrundstück errichtet worden war. In der im Nordosten Böhmens gelegenen Stadt verhärteten sich nun die Fronten und die Stände setzten so genannte »Defensoren« ein, die ihre Rechte vertreten sollten. Diese beriefen einen Landtag ein, der Beschwerde beim Kaiser einreichte. Die Antwort von Matthias war äußerst undiplomatisch. Der Abriss der Kirche verletze den Majestätsbrief nicht und außerdem seien weitere Sitzungen des Landtags verboten; bei Zuwiderhandlung drohe Strafe. Durch das Versammlungsverbot wurde der Majestätsbrief nun erst recht außer Kraft gesetzt. Der Landtag fand jetzt dennoch statt und die Erbitterung der Ständevertreter war groß. Man war der Auffassung, dass die Aufhebung des Majestätsbriefes vor allem durch die Statthalter der Habsburger in Böhmen betrieben wurde. Deshalb begaben sich viele der Ständevertreter am 23. Mai 1618 bewaffnet zur Prager Burg, um diese Beamten zur Rechenschaft zu ziehen. Sie hatten bereits eine Anklageschrift aufgesetzt und vorsorglich auch schon ein Urteil.
Der Aufstand des böhmischen Adels
Der Fenstersturz
von Rainer Maria Rilke
»Naht Verrat mit leisem Schritte,
ungerächt, bei der Madonna,
bleibt er nicht! Nach alter Sitte
zu den Fenstern« schrie Colonna.
»Schont den Popel! Doch die andern,
jeder eine feige Natter,
aus den Fenstern lasst sie wandern!
Mitleid? – Werft ihn mit, den Platter!«
Bange hangt am Fensterstocke
Martinitz noch – Da Geröchel:
Turn schwingt seine Degenglocke
und zerschmettert ihm den Knöchel.
Um zum nächsten: »Sag, wie heißt er,
Böhmens Herr? du sollst mirs deuten!«
»Graf von Turn!« – »Der Bürgermeister
lasse alle Glocken läuten!«
(Rainer Maria Rilke: Erste Gedichte. Leipzig 1913, S. 49 f)