Ich möchte Dir ein Liebes schenken. Rainer Maria Rilke

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Ich möchte Dir ein Liebes schenken - Rainer Maria Rilke Klassiker der Weltliteratur

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      und sie halten Dich sanft und lassen Dich los,

      wenn ein Ding sich im Dunkel bewegt.

      DIE STILLE

      Hörst Du, Geliebte, ich hebe die Hände –

      hörst Du: es rauscht …

      Welche Gebärde der Einsamen fände

      sich nicht von vielen Dingen belauscht?

      Hörst Du, Geliebte, ich schließe die Lider,

      und auch das ist Geräusch bis zu Dir.

      Hörst Du, Geliebte, ich hebe sie wieder …

      … aber warum bist Du nicht hier.

      Der Abdruck meiner kleinsten Bewegung

      bleibt in der seidenen Stille sichtbar;

      unvernichtbar drückt die geringste Erregung

      in den gespannten Vorhang der Ferne sich ein.

      Auf meinen Atemzügen heben und senken

      die Sterne sich.

      Zu meinen Lippen kommen die Düfte zur Tränke,

      und ich erkenne die Handgelenke

      entfernter Engel.

      Nur die ich denke: Dich

      seh ich nicht.

      DU WIRST NUR MIT DER TAT ERFASST

      Du wirst nur mit der Tat erfasst,

      mit Händen nur erhellt;

      ein jeder Sinn ist nur ein Gast

      und sehnt sich aus der Welt.

      Ersonnen ist ein jeder Sinn,

      man fühlt den feinen Saum darin

      und dass ihn einer spann:

      Du aber kommst und gibst Dich hin

      und fällst den Flüchtling an.

      Ich will nicht wissen, wo Du bist,

      sprich mir aus überall.

      Dein williger Evangelist

      verzeichnet alles und vergisst

      zu schauen nach dem Schall.

      Ich geh doch immer auf Dich zu

      mit meinem ganzen Gehn;

      denn wer bin ich und wer bist Du,

      wenn wir uns nicht verstehn?

      DAS VOLKSLIED

      Es legt dem Burschen auf die Stirne

      die Hand der Genius so lind,

      dass mit des Liedes Silberzwirne

      er seiner Liebsten Herz umspinnt.

      Da mag der Bursch sich süß erinnern,

      was aus der Mutter Mund ihm scholl,

      und mit dem Klang aus seinem Innern

      füllt er sich seine Fiedel voll.

      Die Liebe und der Heimat Schöne

      drückt ihm den Bogen in die Hand,

      und leise rieseln seine Töne

      wie Blütenregen in das Land.

      Und große Dichter, ruhmberauschte,

      dem schlichten Liede lauschen sie,

      so gläubig wie das Volk einst lauschte

      dem Gotteswort des Sinai.

      NEIN, ICH VERGESSE DICH NICHT

      Nein, ich vergesse Dich nicht,

      was ich auch werde,

      liebliches zeitiges Licht,

      Erstling der Erde.

      Alles, was Du versprachst,

      hat sie gehalten,

      seit Du das Herz mir erbrachst

      ohne Gewalten.

      Flüchtigste frühste Figur,

      die ich gewahrte:

      nur weil ich Stärke erfuhr,

      rühm ich das Zarte.

      GRAUE LIEBESSCHLANGEN

      Graue Liebesschlangen hab ich aus Deinen

      Achselhöhlen gescheucht. Wie auf heißen Steinen

      liegen sie jetzt auf mir und verdauen

      Lust-Klumpen

      LASS MICH NICHT AN DEINEN LIPPEN TRINKEN

      Lass mich nicht an Deinen Lippen trinken,

      denn an Munden trank ich mir Verzicht.

      Lass mich nicht in Deine Arme sinken,

      denn mich fassen Arme nicht.

      AUS DER TRÜBE MÜDER ÜBERDRÜSSE

      Aus der Trübe müder Überdrüsse

      reißt, die wir einander bebend bringen,

      uns die Botschaft. Welche? Wir vergingen –

      Ach wann waren Worte diese Küsse?

      Diese Küsse waren einmal Worte;

      stark gesprochen an der Tür ins Freie

      zwangen sie die Pforte.

      Oder waren diese Küsse Schreie …

      Schreie

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