Der Schimmelreiter. Theodor Storm

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Schimmelreiter - Theodor Storm страница 8

Der Schimmelreiter - Theodor Storm Klassiker der Weltliteratur

Скачать книгу

lehnte er sich wieder in seinem Stuhl zurück, ruckte den schweren Körper ein paarmal und überließ sich bald dem sorgenlosen Schlummer.

      Dergleichen wiederholte sich an manchem Abend. Hauke hatte scharfe Augen und unterließ es nicht, wenn sie beisammensaßen, das eine oder andre von schädlichem Tun oder Unterlassen in Deichsachen dem Alten vor die Augen zu rücken; und da dieser sie nicht immer schließen konnte, so kam unversehens ein lebhafterer Geschäftsgang in die Verwaltung, und die, welche früher im alten Schlendrian fortgesündigt hatten und jetzt unerwartet ihre frevlen oder faulen Finger geklopft fühlten, sahen sich unwillig und verwundert um, woher die Schläge denn gekommen seien. Und Ole, der Großknecht, säumte nicht, möglichst weit die Offenbarung zu verbreiten und dadurch gegen Hauke und seinen Vater, der doch die Mitschuld tragen musste, in diesen Kreisen einen Widerwillen zu erregen; die andern aber, welche nicht getroffen waren oder denen es um die Sache selbst zu tun war, lachten und hatten ihre Freude, dass der Junge den Alten doch einmal etwas in Trab gebracht habe. „Schad nur“, sagten sie, „daß der Bengel nicht den gehörigen Klei unter den Füßen hat; das gäbe später sonst einmal wieder einen Deichgrafen, wie vordem sie dagewesen sind; aber die paar Demat seines Alten, die täten’s denn doch nicht!“

      Als im nächsten Herbst der Herr Amtmann und Oberdeichgraf zur Schauung kam, sah er sich den alten Tede Volkerts von oben bis unten an, während dieser ihn zum Frühstück nötigte. „Wahrhaftig, Deichgraf“, sagte er, „ich dacht’s mir schon, Ihr seid in der Tat um ein Halbstieg Jahre jünger geworden; Ihr habt mir diesmal mit all Euern Vorschlägen warm gemacht, wenn wir mit alledem nur heute fertig werden!“

      „Wird schon, wird schon, gestrenger Herr Oberdeichgraf“, erwiderte der Alte schmunzelnd; „der Gansbraten da wird schon die Kräfte stärken! Ja, Gott sei Dank, ich bin noch allezeit frisch und munter!“ Er sah sich in der Stube um, ob auch nicht etwa Hauke um die Wege sei; dann setzte er in würdevoller Ruhe noch hinzu: „So hoffe ich zu Gott, noch meines Amtes ein paar Jahre in Segen warten zu können.“

      „Und darauf, lieber Deichgraf“, erwiderte sein Vorgesetzter, sich erhebend, „wollen wir dieses Glas zusammen trinken!“

      Elke, die das Frühstück bestellt hatte, ging eben, während die Gläser aneinanderklangen, mit leisem Lachen aus der Stubentür. Dann holte sie eine Schüssel Abfall aus der Küche und ging durch den Stall, um es vor der Aussentür dem Federvieh vorzuwerfen. Im Stall stand Hauke Haien und steckte den Kühen, die man der argen Witterung wegen schon jetzt hatte heraufnehmen müssen, mit der Furke Heu in ihre Raufen. Als er aber das Mädchen kommen sah, stieß er die Furke auf den Grund. „Nu, Elke!“ sagte er. Sie blieb stehen und nickte ihm zu: „Ja, Hauke; aber eben hättest du drinnen sein müssen!“

      „Meinst du? Warum denn, Elke?“

      „Der Herr Oberdeichgraf hat den Wirt gelobt!“

      „Den Wirt? Was tut das mir?“ „Nein, ich mein, den Deichgrafen hat er gelobt!“

      Ein dunkles Rot flog über das Gesicht des jungen Menschen. „Ich weiß wohl“, sagte er, „wohin du damit segeln willst!“

      „Werd nur nicht rot, Hauke, du warst es ja doch eigentlich, den der Oberdeichgraf lobte!“

      Hauke sah sie mit halbem Lächeln an. „Auch du doch, Elke!“ sagte er.

      Aber sie schüttelte den Kopf. „Nein, Hauke; als ich allein der Helfer war, da wurden wir nicht gelobt. Ich kann ja auch nur rechnen; du aber siehst draußen alles, was der Deichgraf doch wohl selber sehen sollte; du hast mich ausgestochen!“

      „Ich hab das nicht gewollt, dich am mindsten“, sagte Hauke zaghaft, und er stieß den Kopf einer Kuh zur Seite. „Komm, Rotbunt, friss mir nicht die Furke auf, du sollst ja alles haben!“

      „Denk nur nicht, dass mir’s leid tut, Hauke“, sagte nach kurzem Sinnen das Mädchen; „das ist ja Mannessache!“

      Da streckte Hauke ihr den Arm entgegen: „Elke, gib mir die Hand darauf!“

      Ein tiefes Rot schoss unter die dunkeln Brauen des Mädchens. „Warum? Ich lüg ja nicht!“ rief sie.

      Hauke wollte antworten; aber sie war schon zum Stall hinaus, und er stand mit seiner Furke in der Hand und hörte nur, wie draußen die Enten und Hühner um sie schnatterten und krähten.

      Es war im Januar von Haukes drittem Dienstjahr, als ein Winterfest gehalten werden sollte, „Eisboseln“ nennen sie es hier. Ein ständiger Frost hatte beim Ruhen der Küstenwinde alle Gräben zwischen den Fennen mit einer festen ebenen Kristallfläche belegt, so dass die zerschnittenen Landstücke nun eine weite Bahn für das Werfen der kleinen, mit Blei ausgegossenen Holzkugeln bildeten, womit das Ziel erreicht werden sollte. Tagaus, tagein wehte ein leichter Nordost: alles war schon in Ordnung; die Geestleute in dem zu Osten über der Marsch belegenen Kirchdorf, die im vorigen Jahre gesiegt hatten, waren zum Wettkampf gefordert und hatten angenommen, von jeder Seite waren neun Werfer aufgestellt; auch der Obmann und die Kretler waren gewählt. Zu letzteren, die bei Streitfällen über einen zweifelhaften Wurf miteinander zu verhandeln hatten, wurden allezeit Leute genommen, die ihre Sache ins beste Licht zu rücken verstanden, am liebsten Burschen, die außer gesundem Menschenverstand auch noch ein lustig Mundwerk hatten. Dazu gehörte vor allen Ole Peters, der Großknecht des Deichgrafen. „Werft nur wie die Teufel“, sagte er; „das Schwatzen tu ich schon umsonst!“

      Es war gegen Abend vor dem Festtag; in der Nebenstube des Kirchspielskruges droben auf der Geest war eine Anzahl von den Werfern erschienen, um über die Aufnahme einiger zuletzt noch Angemeldeten zu beschließen. Hauke Haien war auch unter diesen; er hatte erst nicht wollen, obschon er seiner wurfgeübten Arme sich wohl bewusst war, aber er fürchtete, durch Ole Peters, der einen Ehrenposten in dem Spiel bekleidete, zurückgewiesen zu werden; die Niederlage wollte er sich sparen. Aber Elke hatte ihm noch in der elften Stunde den Sinn gewandt. „Er wird’s nicht wagen, Hauke“, hatte sie gesagt; „er ist ein Tagelöhnersohn; dein Vater hat Kuh und Pferd und ist dazu der klügste Mann im Dorf!“

      „Aber, wenn er’s dennoch fertigbringt?“

      Sie sah ihn halb lächelnd aus ihren dunkeln Augen an. „Dann“, sagte sie, „soll er sich den Mund wischen, wenn er abends mit seines Wirts Tochter zu tanzen denkt!“ – Da hatte Hauke ihr mutig zugenickt.

      Nun standen die jungen Leute, die noch in das Spiel hineinwollten, frierend und fußtrampelnd vor dem Kirchspielskrug und sahen nach der Spitze des aus Felsblöcken gebauten Kirchturms hinauf, neben dem das Krughaus lag. Des Pastors Tauben, die sich im Sommer auf den Feldern des Dorfes nährten, kamen eben von den Höfen und Scheuern der Bauern zurück, wo sie sich jetzt ihre Körner gesucht hatten, und verschwanden unter den Schindeln des Turmes, hinter welchen sie ihre Nester hatten; im Westen über dem Haff stand ein glühendes Abendrot.

      „Wird gut Wetter morgen!“ sagte der eine der jungen Burschen und begann heftig auf und ab zu wandern; „aber kalt! kalt!“ Ein zweiter, als er keine Taube mehr fliegen sah, ging in das Haus und stellte sich horchend neben die Tür der Stube, aus der jetzt ein lebhaftes Durcheinanderreden herausscholl; auch des Deichgrafen Kleinknecht war neben ihn getreten. „Hör, Hauke“, sagte er zu diesem; „nun schreien sie um dich!“ Und deutlich hörte man von drinnen Ole Peters’ knarrende Stimme: „Kleinknechte und Jungens gehören nicht dazu!“

      „Komm“, flüsterte der andre und suchte Hauke am Rockärmel an die Stubentür zu ziehen, „hier kannst du lernen, wie hoch sie dich taxieren!“

      Aber Hauke riss sich los und ging wieder vor das Haus. „Sie haben uns nicht ausgesperrt, damit wir’s hören sollen!“ rief er zurück.

      Vor

Скачать книгу