Der Golem. Gustav Meyrink

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dem Hut gescheut und gefürchtet, ich wußte nicht warum.

      Da fährt plötzlich die Stimme, die ich vergessen hatte und die immer von mir wissen wollte, wo der Stein ist, der wie Fett ausgesehen habe, auf mich los, gleich einem Pfeil.

      Schnell male ich mir das scharfe, süßlich grinsende Profil der roten Rosina aus, und es gelingt mir auf diese Weise, dem Pfeil auszuweichen, der sich sogleich in der Finsternis verliert.

      Ja, das Gesicht der Rosina!

      Das ist doch noch stärker als die stumpfsinnig plappernde Stimme; und gar, wo ich jetzt gleich wieder in meinem Zimmer in der Hahnpaßgasse geborgen sein werde, kann ich ganz ruhig sein.

      Wenn ich mich nicht getäuscht habe in der Empfindung, daß jemand in einem gewissen, gleichbleibenden Abstand hinter mir die Treppe heraufkommt, in der Absicht, mich zu besuchen, so muß er jetzt ungefähr auf dem letzten Stiegenabsatz stehen.

      Jetzt biegt er um die Ecke, wo der Archivar Schemajah Hillel seine Wohnung hat, und kommt von den ausgetretenen Steinfliesen auf den Flur des oberen Stockwerkes, der mit roten Ziegeln ausgelegt ist.

      Nun tastet er sich an der Wand entlang, und jetzt, gerade jetzt, muß er, mühsam im Finstern buchstabierend, meinen Namen auf dem Türschild lesen.

      Und ich stellte mich aufrecht in die Mitte des Zimmers und blickte zum Eingang.

      Da öffnete sich die Türe, und er trat ein.

      Nur wenige Schritte machte er auf mich zu und nahm weder den Hut ab, noch sagte er ein Wort der Begrüßung.

      So benimmt er sich, wenn er zu Hause ist, fühlte ich, und ich fand es ganz selbstverständlich, daß er so und nicht anders handelte.

      Er griff in die Tasche und nahm ein Buch heraus.

      Dann blätterte er lange drin herum.

      Der Umschlag des Buches war aus Metall, und die Vertiefungen in Form von Rosetten und Siegeln waren mit Farbe und kleinen Steinen ausgefüllt. Endlich hatte er die Stelle gefunden, die er suchte, und deutete darauf.

      Das Kapitel hieß »Ibbur«, »die Seelenschwängerung«, entzifferte ich.

      Das große, in Gold und Rot ausgeführte Initial »I« nahm fast die Hälfte der ganzen Seite ein, die ich unwillkürlich überflog, und war am Rande verletzt.

      Ich sollte es ausbessern.

      Das Initial war nicht auf das Pergament geklebt, wie ich es bisher in alten Büchern gesehen, schien vielmehr aus zwei Platten dünnen Goldes zu bestehen, die im Mittelpunkte zusammengelötet waren und mit den Enden um die Ränder des Pergaments griffen.

      Also mußte, wo der Buchstabe stand, ein Loch in das Blatt geschnitten sein?

      Wenn das der Fall war, mußte auf der nächsten Seite das »I« verkehrt stehen?

      Ich blätterte um und fand meine Annahme bestätigt. Unwillkürlich las ich auch diese Seite durch und die gegenüberliegende.

      Und ich las weiter und weiter.

      Das Buch sprach zu mir, wie der Traum spricht, klarer nur und viel deutlicher. Und es rührte mein Herz an wie eine Frage.

      Worte strömten aus einem unsichtbaren Munde, wurden lebendig und kamen auf mich zu. Sie drehten sich und wandten sich vor mir wie buntgekleidete Sklavinnen, sanken dann in den Boden oder verschwanden wie schillernder Dunst in der Luft und gaben der nächsten Raum. Jede hoffte eine kleine Weile, daß ich sie erwählen würde und auf den Anblick der Kommenden verzichten.

      Manche waren unter ihnen, die gingen prunkend einher wie Pfauen, in schimmernden Gewändern, und ihre Schritte waren langsam und gemessen.

      Manche wie Königinnen, doch gealtert und verlebt, die Augenlider gefärbt – mit dirnenhaftem Zug um den Mund und die Runzeln mit häßlicher Schminke verdeckt.

      Ich sah an ihnen vorbei und nach den kommenden, und mein Blick glitt über lange Züge grauer Gestalten mit Gesichtern, so gewöhnlich und ausdrucksarm, daß es unmöglich schien, sie dem Gedächtnis einzuprägen.

      Dann brachten sie ein Weib geschleppt, das war splitternackt und riesenhaft wie ein Erzkoloß.

      Eine Sekunde blieb das Weib vor mir stehen und beugte sich nieder zu mir.

      Ihre Wimpern waren so lang wie mein ganzer Körper, und sie deutete stumm auf den Puls ihrer linken Hand. Der schlug wie ein Erdbeben, und ich fühlte, es war das Leben einer ganzen Welt in ihr.

      Aus der Ferne raste ein Korybantenzug heran.

      Ein Mann und ein Weib umschlangen sich. Ich sah sie von weitem kommen, und immer näher brauste der Zug.

      Jetzt hörte ich den hallenden Gesang der Verzückten dicht vor mir, und meine Augen suchten das verschlungene Paar.

      Das aber hatte sich verwandelt in eine einzige Gestalt und saß, halb männlich, halb weiblich – ein Hermaphrodit –, auf einem Throne von Perlmutter.

      Und die Krone des Hermaphroditen endete in ein Brett aus rotem Holz; darein hatte der Wurm der Zerstörung geheimnisvolle Runen genagt.

      In einer Staubwolke kam eilig hinterdreingetrappelt eine Herde kleiner, blinder Schafe: die Futtertiere, die der gigantische Zwitter in seinem Gefolge führte, seine Korybantenschar am Leben zu erhalten.

      Zuweilen waren unter den Gestalten, die aus dem unsichtbaren Munde strömten, etliche, die kamen aus Gräbern – Tücher vor dem Gesicht.

      Und blieben sie vor mir stehen, ließen sie plötzlich ihre Hüllen fallen und starrten mit Raubtieraugen hungrig auf mein Herz, daß ein eisiger Schreck mir ins Hirn fuhr und sich mein Blut zurückstaute wie ein Strom, in den Felsblöcke vom Himmel herniedergefallen sind – plötzlich und mitten in sein Bette.

      Eine Frau schwebte an mir vorbei. Ich sah ihr Antlitz nicht, sie wandte es ab, und sie trug einen Mantel aus fließenden Tränen. Maskenzüge tanzten vorüber, lachten und kümmerten sich nicht um mich.

      Nur ein Pierrot sieht sich nachdenklich um nach mir und kehrt zurück. Pflanzt sich vor mich hin und blickt in mein Gesicht hinein, als sei es ein Spiegel.

      Er schneidet so seltsame Grimassen, hebt und bewegt seine Arme, bald zögernd, bald blitzschnell, daß sich meiner ein gespenstiger Trieb bemächtigt, ihn nachzuahmen, mit den Augen zu zwinkern wie er, mit den Achseln zu zucken und die Mundwinkel zu verziehen.

      Da stoßen ihn ungeduldig nachdrängende Gestalten zur Seite, die alle vor meine Blicke wollen.

      Doch keines der Wesen hat Bestand.

      Gleitende Perlen sind sie, auf eine Seidenschnur gereiht, die einzelnen Töne nur einer Melodie, die dem unsichtbaren Munde entströmen.

      Das war kein Buch mehr, das zu mir sprach. Das war eine Stimme. Eine Stimme, die etwas von mir wollte, was ich nicht begriff, wie sehr ich mich auch abmühte. Die mich quälte mit brennenden, unverständlichen Fragen.

      Die Stimme aber, die diese sichtbaren Worte redete, war abgestorben und ohne Widerhall.

      Jeder Laut, der in der Welt

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