Das Ende. Mats Strandberg

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Das Ende - Mats Strandberg

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Meine Schwester Emma kommt für eine Weile zu uns und dann können sie sich auf die stürzen.«

      Bumbum brummt und betrachtet uns, den Kopf auf den Vorderpfoten abgelegt. Ich werfe einen Blick auf die Wasserrutsche. Als ich klein war, erzählte Emma mir eines Tages, dass sie gesperrt worden war, weil irgendwer die Rutschfläche mit Rasierklingen präpariert hatte, sodass alle aufgeschlitzt wurden, die hinunterrutschten.

      Die Eltern standen am Beckenrand und warteten auf ihre Kinder … erst kam das Blut … und dann kamen ihre Überreste.

      Das Bild vom rot gefärbten Wasser, das die Rutsche hinunterrann, war in meiner Fantasie so real geworden, dass es mir jetzt wie eine wahre Erinnerung vorkommt. Ich hatte nur lange nicht mehr daran gedacht. Ich frage mich, ob es ein Gerücht war oder Emmas freie Erfindung. Sie liebte es nämlich geradezu, mir Angst einzujagen. Und erstaunlicherweise gefiel es mir auch. Meine Schwester stand schon immer für alles Spannende. Zum Beispiel hatte sie heimlich auf dem Balkon geraucht, wenn die Mütter nicht zu Hause waren. Oder sich die Augen tiefschwarz geschminkt. Oder auch nachts heimlich telefoniert und sich ständig über irgendwelche Dinge kaputtgelacht, die ich noch nicht begriff.

      Ich will Lucinda fragen, ob sie auch von der Sache mit den Rasierklingen gehört hat, doch stattdessen höre ich mich sagen:

      »Emma ist schwanger.«

      »Und in welchem Monat?«

      »Im sechsten«, antworte ich und breche unvermittelt in Tränen aus.

      Lucinda wird neben mir stocksteif, aber ich kann einfach nicht aufhören zu weinen.

      »Sorry«, sage ich. »Es ist nur …«

      »Nein, nein, schon okay. Ist doch verständlich.«

      Aber ich merke, dass es sie ebenfalls ziemlich mitnimmt. Zum Glück kommt Bumbum angetapst, um mich zu trösten. Er winselt unruhig und legt mir eine Pfote auf die Schulter, was meine düsteren Gedanken ein wenig vertreibt.

      »Welche Rasse ist das eigentlich?«, fragt Lucinda, während ich ihn kraule.

      »Landseer. Die sind mit den Neufundländern verwandt.«

      »Sicher, dass er nicht doch ein Pony ist?«

      Ich muss lachen.

      »Und warum heißt er Bumbum?«

      Ich ziehe die Nase so diskret hoch, wie ich nur kann, und antworte, dass ich ihn so genannt habe, als ich noch klein war und wir ihn gerade erst vom Züchter geholt hatten. Damals hat er lauter Stühle umgekippt, ist gegen jeden Türrahmen gelaufen und andauernd über seine eigenen großen Pfoten gestolpert.

      Damit bringe ich Lucinda zum Lachen und endlich löst sich etwas die Anspannung zwischen uns. Sie erzählt nach einer Weile von der TellUs-App, in der sie angefangen hat zu schreiben.

      »Ich glaub zwar kaum, dass irgendwer da draußen sie lesen wird«, sagt sie mit einem Nicken in Richtung Himmel, »aber für mich ist es wie eine Therapie.«

      Ich frage mich, ob sie mir damit sagen will, es auch mal auszuprobieren. Offenbar scheine ich es nötig zu haben.

      »Ich versuche irgendwie auszublenden, was gerade passiert«, entgegne ich. »Aber es funktioniert nur bedingt.«

      Sie lächelt und plötzlich sehe ich sie vor mir als Kind mit mehreren Zahnlücken im Mund und in einem rosafarbenen Pulli. Sie steht im Klassenraum vor der Wandtafel.

      »Jetzt weiß ich wieder«, sage ich. »Du warst doch diejenige, die immer davon geredet hat, Schriftstellerin zu werden.«

      »Hab ich das?«

      »Dieser scheißende Riese hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen.«

      Lucinda lacht auf.

      »Welcher scheißende Riese?«

      »Du hattest damals ein Märchen geschrieben, das du uns in der Spielstunde vorgelesen hast. Der Riese hat den Menschen im Ort erst alles Essbare weggefressen und danach in den Fluss geschissen, sodass sie das Wasser nicht mehr trinken konnten.«

      Lucindas Wangen röten sich.

      »Du warst sehr zufrieden, weil es ja eigentlich um Umweltverschmutzung ging«, fahre ich fort. »Und du hast uns nebenher beigebracht, was eine Metapher ist.«

      Jetzt müssen wir beide lachen.

      »Ich bin bestimmt unausstehlich gewesen«, sagt sie und steht abrupt auf. »Ich muss jetzt leider gehen. War nett, dich getroffen zu haben.«

      Ich empfinde es genauso, dennoch bleibe ich sitzen und biete ihr nicht an, sie zu begleiten. Ich will nicht riskieren, dass es wieder zu förmlich zwischen uns wird oder das Gespräch ins Stocken gerät.

      »Ja, man sieht sich«, sage ich.

      Früher war es ganz normal, sich so zu verabschieden, aber jetzt ist es das nicht mehr. Denn woher soll man wissen, ob man sich je wiedersieht?

      »Vielleicht«, sagt sie, als würde sie dasselbe denken.

      NAME: LUCINDA TELLUS# 0 392 811 002 POST 0006

      Der Spaziergang zum See war anstrengender, als ich gedacht hatte. Schon auf halber Strecke war ich völlig platt und zitterte am ganzen Körper. Ich versuchte mir einzureden, dass ich nur wegen der Schwüle so heftig schwitzte, aber eigentlich wusste ich es besser. Wenn ich vernünftiger gewesen wäre, hätte ich kehrtgemacht und den Rückweg angetreten. Aber ich bin weitergegangen.

      Ich habe mich auf den Steg gesetzt und versucht, wieder zu Kräften zu kommen, insgeheim aber schon überlegt, meinen Vater anzurufen, damit er mich abholen kommt. Und dann hat sich auch noch meine schlimmste Befürchtung bewahrheitet: Ich habe jemanden aus meinem alten Leben getroffen. Natürlich nicht irgendwen, sondern Simon, Tildas Ex.

      Er kam gerade vom Laufen und roch leicht nach Schweiß und frischer Luft. Er duftete so gesund, dass ich mich unweigerlich fragte, wonach ich selbst wohl roch. Ich hatte in dem T-Shirt geschlafen, das ich unterm Kapuzenpulli trug, und manchmal denke ich, dass mein Körper nach Chemie riecht, aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Ich hoffte jedenfalls, dass er gleich wieder gehen würde. Auch weil ich merkte, wie er sich bemühte, mich nicht anzustarren. Und ich versuchte, witzig zu sein, doch irgendwie gelang es mir nicht, denn ich musste die ganze Zeit daran denken, was Tilda ihm wohl über mich erzählt hatte. Sie musste mich bestimmt hassen. Ich an ihrer Stelle würde es jedenfalls tun.

      Ich hatte Simon alles Mögliche gefragt, nur um nicht über mich reden zu müssen. Sogar, wie es mit seinen Müttern läuft. Als ich klein war, hatten sie einmal die ganze Klasse zu sich nach Hause eingeladen. Ich weiß noch genau, wie neidisch ich auf ihn war, weil er zwei Mütter hatte und ich keine. Stina hatte uns von Judettes Schwangerschaft erzählt und dass sie sich für einen hellhäutigen Samenspender entschieden hatten, weil Simon beiden ähnlich sehen sollte. Mich beeindruckte es wahnsinnig, dass sie es so bestimmen konnten, und außerdem schienen sie einander wirklich zu mögen. Ich selbst spielte zu der Zeit auch lieber mit Mädchen als mit Jungen und beschloss daraufhin, lesbisch zu werden, wenn ich einmal groß wäre. Daraus ist jedoch nichts geworden. Es ist eben nicht ganz so einfach.

      Simon

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