Sophienlust Staffel 15 – Familienroman. Susanne Svanberg

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Sophienlust Staffel 15 – Familienroman - Susanne Svanberg Sophienlust

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ist Anja so traurig?«, fragte sie und kam noch etwas näher. Aufmerksam sah sie in Anjas große dunkle Augen.

      Schwester Regine, die selbst noch nichts über das Schicksal des neuen Kindes wusste, überging diese Frage. »Heidi wird dir morgen das Haus, den Park und die Stallungen zeigen, Anja«, sagte sie. »Du wirst staunen, was es hier alles zu sehen gibt. Wir haben eine Menge Tiere.« Liebevoll rieb sie das Kind ab und zog ihm ein Nachthemd über den Kopf.

      »Ponys und Hunde und Habakuk«, kreischte Heidi voll Begeisterung.

      »Ja. Und drüben im Tierheim gibt es einen richtigen kleinen Zoo.« Eigentlich war Schwester Regine jetzt ganz froh, dass Heidi ihr half, den neuen kleinen Gast ein wenig von seinem Kummer abzulenken. Denn dass Anja schweres Leid widerfahren war, fühlte sie deutlich. Fest pressten sich die Lippen der Kleinen aufeinander. Regungslos, fast teilnahmslos war ihr Gesichtchen. Der Blick der großen dunklen Kinderaugen ging oft in geheimnisvolle Ferne. Woran dachte Anja nur? Fast konnte man Angst bekommen, wenn man ihre unnatürlich weit geöffneten Augen sah. Keine Träne stahl sich daraus hervor. Das blasse Gesichtchen wirkte fast starr und leblos.

      »Habakuk ist ein Papagei. Er kann richtig sprechen«, plapperte Heidi. »So wie du und ich.« Doch plötzlich wurde die Kleine nachdenklich. Sie zog Schwester Regine an der blütenweißen Schürze. »Sie spricht nicht mit mir«, flüsterte sie. »Warum sagt sie kein einziges Wort?«

      Jetzt fiel das auch Schwester Regine auf. Anjas Benehmen war seltsam. Kinder in ihrer Lage weinten, schrien und jammerten gewöhnlich. Doch Anja war stumm wie ein Fisch. In ihren großen dunklen Augen schien sich aber das Leid der ganzen Welt zu spiegeln.

      »Anja, wir möchten dir so gern helfen«, sagte Schwester Regine mit liebevoller, schmeichelnder Stimme. »Erzähl uns doch, was dich bedrückt.« Die Kinderschwester nahm die Kleine mütterlich in die Arme und streichelte das blasse traurige Gesichtchen.

      Heidi beobachtete diese Bemühungen mit angehaltenem Atem. Keine Sekunde lang wandte sie den Blick von Anjas fest zusammengepressten Lippen. »Du kannst Schwester Regine alles erzählen. Sie sagt es keinem weiter«, ermunterte sie die neue Spielgefährtin.

      Anjas kleiner Mund bewegte sich nicht. Stur schaute sie auf die glänzenden Wandkacheln. Doch sie nahm nichts aus ihrer Umgebung wahr. In Gedanken hörte sie noch immer jenen schrecklichen Knall, jenes unheimliche Krachen, Splittern und Bersten, dem eine entsetzliche Stille gefolgt war. Halb gelähmt vor Furcht war sie auf allen vieren zu dem Haufen rauchenden Blechs gekrochen, das zuvor ein schmuckes Auto gewesen war. Vati, Mutti und Lars, wo waren sie? Anja hatte schreien wollen, aber jeder Laut war in ihrer Kehle stecken geblieben. Dann hatte ein greller Blitz die gespenstische Szene erhellt. Das Grauen, das Anja in diesen Sekunden erfasst hatte, spiegelte sich noch jetzt in ihren Augen.

      Der kleinen Heidi war plötzlich kalt. Sie tappte hinauf auf den Flur. Dort saß Stupsi, der zottige hellbraune Teddybär, der schon so viele Kinder getröstet hatte, in einem Korbsessel. Heidi drückte ihn an sich und lief zurück.

      »Hier, du darfst ihn haben.« Auffordernd streckte sie das Spielzeug der kleinen Anja entgegen. »Willst du hören, wie er brummen kann?« Heidi drehte den Teddy um und strahlte, als er ein langgezogenes »Öhhh« von sich gab. »Halte ihn doch!«

      Nur zögernd griff Anja nach dem Kuscheltier mit dem langhaarigen Fell.

      »Stupsi heißt er«, erklärte Heidi eifrig. »Sag doch mal ›Stupsi‹.«

      Anja schmiegte sich eng an Schwester Regine. Die kleine Heidi, die sich so eifrig um sie bemühte, gefiel ihr sehr. Warum sollte sie ihr nicht den Gefallen tun?

      Anja öffnete den Mund, wollte Stupsi sagen. Ihre Lippen bewegten sich, doch es kam kein einziger Laut aus ihrer Kehle.

      Schwester Regine, die das Kind aufmerksam beobachtet hatte, erschrak so sehr, dass ihre Knie zu zittern begannen. Auch Heidis eben noch strahlendes Gesichtchen wurde schlagartig ernst. Ängstlich forschten ihre blauen Kinderaugen im Gesicht der Kinderschwester. Welche Erklärung gab es für diese schlimme Entdeckung? Heidi fürchtete sich plötzlich. Schutzsuchend klammerte sie sich an Schwester Regine.

      *

      Vorsichtig löste sich Grit Möllendiek aus den Armen ihres Verlobten. »Ich muss gehen«, meinte sie lächelnd.

      »Schon?«, fragte David Danner langgezogen und machte ein leicht beleidigtes Gesicht.

      »Es ist spät, und du wirst müde sein. Morgen hast du sicher wieder einen anstrengenden Tag vor dir.« Grit strich liebkosend über Davids schwarzes lockiges Haar. Sie war unsagbar verliebt in ihn. Sein gepflegter dunkler Bart gefiel ihr ebenso wie die moderne, ein wenig ausgefallene Kleidung, die er bevorzugte.

      »Ich möchte mich am liebsten nie mehr von dir trennen, süße, bezaubernde Grit.« David sah bittend in die tiefblauen Augen seiner Braut.

      »Es sind ja nur noch wenige Tage bis zu unserer Hochzeit«, tröstete Grit mit verschmitztem Lächeln. Mit ihrer sehr hellen Haut und den silberblonden Haaren war sie genau das Gegenteil von David.

      »Für mich ist das viel zu lange. Hier im Haus ist so viel Platz, aber du wohnst im Hotel. Das ist doch einfach lächerlich.« Er legte die Arme um Grits schlanke Taille und zog sie erneut an sich.

      »Was würde mein Bruder denken, der morgen mit seiner Familie kommt?« Grit lachte leise, weil es wirklich komisch aussah, wenn David ein trauriges Gesicht machte. Es passte nicht zu ihm.

      »Ich weiß von deinem Bruder nur, dass er in Schweden lebt und ziemlich reich ist.« Verliebt rieb David seine Nasenspitze an Grits leicht gewölbter Stirn. Die duftigen blonden Locken kitzelten ihn ein wenig, doch er mochte das gern. Grit war ein Mädchen zum Schmusen und Liebhaben. Aber sie hatte auch noch andere Vorteile, die wichtig für ihn waren. Das Vermögen beispielsweise, das der Bruder ihr ausbezahlt hatte und das Grit ihm, David, großzügig zur Verfügung gestellt hatte.

      »Er hat die Fabrik meiner Eltern übernommen und sie weiter ausgebaut«, berichtete Grit. »Mark ist tüchtig und ein prima Kamerad. Übrigens ist seine Frau Maria Deutsche. Die Liebe hat uns also beide nach Deutschland verschlagen.« Grit lächelte verträumt. »Wenn wir beide so glücklich werden wie mein Bruder mit seiner Frau, dann bin ich mehr als zufrieden.«

      »Wir werden sicher noch viel glücklicher«, prophezeite David im Brustton der Überzeugung. »Ich liebe dich, Grit. Für mich bist du die einzige Frau auf der ganzen Welt, mit der ich mein Leben verbringen möchte.« Er legte seine Hände an die zarten Wangen des Mädchens und bog Grits Kopf ein wenig zurück. Heiß und voll Verlangen küsste er Grits weiche volle Lippen.

      Grit schlang glücklich beide Arme um seinen Hals und schmiegte sich innig an ihn. Liebevoll erwiderte sie den Kuss. »Ich freue mich ja schon so sehr auf das Leben mit dir«, wisperte sie mit selig leuchtenden Augen. »Wir werden unsere Flitterwochen endlos ausdehnen. Jeder soll wissen, wie glücklich wir sind.«

      Grit liebkoste das bärtige Gesicht ihres Verlobten. Sie wusste, Mark, ihr Bruder, hatte sie vor dieser Verbindung gewarnt. Er hatte dem reichen David Danner misstraut. Doch Grit war überzeugt, dass sich Mark, der sonst ein gutes Gefühl für Menschen hatte, diesmal gründlich geirrt hatte.

      »Ich will dich verwöhnen. Du sollst leben wie eine Prinzessin. Meine Liebe zu dir, Grit, ist so übermächtig, so groß, dass Worte nicht ausreichen, sie zu beschreiben. Ich kann sie nur beweisen. Tag für Tag, ein ganzes Leben lang.« David streichelte das ebenmäßige, klassisch-schöne Gesicht der blonden Grit. Er küsste verliebt ihre Nasenspitze, küsste sie auf beide Augen, auf

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