Slumlords. Alexander Broicher
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»Danke für den medizinischen Rat, aber die Kleine kommt in zwanzig Minuten.« Mitch bedeutete mir, mein Glas auszutrinken und zu verduften.
Ich kippte es in einem Zug runter, legte ihnen vier Briefchen auf den Tisch, kassierte die 250 und wünschte ihnen viel Vergnügen. Und wollte gar nicht wissen, wer von den dreien sie als erstes flachlegen darf.
Auf meinem Business-Handy war eine weitere Bestellung eingegangen. Ich hörte im Wagen die Mailbox ab und meldete mich zurück. Ich fuhr nach Bornheim und klingelte bei Harald, der zwei G brauchte. Eigentlich war er Kiffer, aber er kriegte Besuch aus London und die Typen wollten White Lines ziehen. Harald arbeitete in einem Tonstudio und kannte international eine Menge Leute aus der Musikbranche. Ein DJ und sein Manager kamen für ein paar Tage aus England rüber. Die musste er vom Flughafen abholen, deswegen versorgte ich ihn sofort.
Am späten Nachmittag ging ich ins »Concorde«. Das war die adrette Cocktailbar, an der ich offiziell beteiligt war, als plausible Erklärung für meine Einkünfte, den Geländewagen und eine Wohnung in einem hochpreisigen Bezirk. Nach 20 Gramm hatte ich ihre Miete drin, das schaffte ich spätestens in zwei Tagen.
Wir machten erst in einer knappen Stunde auf, aber ich hatte einen Schlüssel. Einer der Cocktailshaker bereitete schon seinen Dienst vor und schnitt Limetten zurecht. Er wusste, dass ich auch sein Chef war, aber ansonsten glaubte er wohl, dass seine Caipirinhas mich finanzierten. Doch das wirkliche Geschäft wurde hier vor dem Tresen abgewickelt. Denn die Bar war mein Büro, in dem ich meine Kunden empfing. Sie wussten, dass ich mich hier abends aufhielt, um ihnen einen Cocktail aus Kopfschmerztabletten, Kokain und Speed zu servieren, der nicht auf der Karte stand.
Zivilfahnder hatten hier kaum eine Chance, denn ich verkaufte nur an Leute, die ich kannte oder die über eine Empfehlung zu mir kamen. Zudem sorgte ein Türsteher für eine gewisse Exklusivität des Publikums. Größere Herrengruppen ohne Damenbegleitung ließ er nicht herein, was es für die Ermittler problematisch machte, sich überhaupt Zutritt in den kleinen Laden zu verschaffen. Und selbst wenn sie hier ein Pärchen reinschleusen würden, ich hatte keine Neonreklame anfertigen lassen, auf der »Kokain 70 Euro« stand. Ich war äußerst vorsichtig und packte den Kunden das Zeugs in eine Streichholzschachtel, die ich zu einer Schale mit weiteren solcher Schachteln legte. Außenstehende würden es als normal in einer Bar empfinden, dass sich jemand eine Packung griff, denn dazu lagen sie ja auf dem Tresen herum. Meine Stammkunden kannten den Ablauf und achteten stets konzentriert darauf, wo ich die Schachtel hinlegte, damit sie keine nahmen, in der tatsächlich nur Streichhölzer waren. Das Geld dafür steckten sie mir vorher bei dem höflichen Handschlag zu, mit dem wir uns begrüßten. In Wirklichkeit war’s eine Bestellung. Kurz darauf ging ich ins Lager und präparierte eine Packung für die Übergabe.
Der Abend fing geschäftlich überschaubar an, bis ein Typ reinkam, der mir nicht gefiel. Er sah aus wie ein kräftiger Zivilbulle oder ein Dealer, der sich hier breit machen wollte. Beides konnte ich nicht gebrauchen. Er trug einen Mittelklasse-Anzug und begrüßte den Barmann höflich. Dann sah er kurz zu mir rüber. Er hatte eiskalte Augen und ein Rattengesicht. Er setzte sich in eine Ecke, aus der er alles beobachten konnte und benahm sich unauffällig. Und genau das machte mich noch misstrauischer. Ich trank die nächste Stunde nur noch Mineralwasser, um klar zu bleiben und ihn nicht aus den Augen zu lassen.
Ein Stammkunde von mir kam und es war zu gefährlich, den Deal direkt vorne am Tresen durchzuziehen. »Steck das Geld dezent in deine Manteltasche«, flüsterte ich ihm zu. »Ich bringe den Mantel nach hinten zur Garderobe und packe dir dort ein Gramm rein.«
»Was ist los?«, fragte er nervös. »Sind irgendwelche Cops hier?«
Ein solches Gerücht wäre geschäftsschädigend, deshalb beendete ich das Thema schnell. »Nein. Ich teste nur eine neue Methode aus.«
Er wühlte in seiner Hose und sah mich skeptisch an. Ich lächelte ihm beruhigend zu. »Bestell dir einen Drink und wenn du nachher gehen willst, kriegst du deinen Mantel von mir persönlich wieder.«
»Bist du irre?«, fragte mich mein Kunde. »Ich will nur schnell zum Klo und dann bin ich weg.«
Er hatte es eilig, also musste ich ihm wohl oder übel doch vor allen Leuten das Briefchen zustecken. Ich rückte nah an ihn heran und schob es ihm auf Höhe seines Bauchnabels diskret in die Hand. Seine Finger umschlangen es und steckten mir dafür zusammengefaltete 70 Euro zu. Dann flitzte der gierige Kokser zu den Toiletten.
Der verdächtige Typ saß bis fast 22 Uhr stumm in seiner Ecke, glotzte und trank nur Bier. Dann haute er endlich ab. Ich hatte mir sein Gesicht eingeprägt, falls er wieder auftauchen sollte. Ich war mir sicher, dass er den Laden abcheckte. Als Cop, um mich wegen Drogenhandels hochzunehmen oder als Dealer, weil er hier ein eigenes Business mit Kokain aufziehen wollte. Aber nicht mit mir. Ich hatte es endlich aus dem sozialen Brennpunkt herausgeschafft, war diesem zubetonierten Kriegsgebiet entkommen, während viele Schulfreunde da hängengeblieben waren: Als Leergut sammelnde Langzeitarbeitslose und Hartz-4-Empfänger, die Schnaps vom Discounter tranken und mit Alkoholikerinnen verheiratet waren. Und von niemandem auf der Welt würde ich mir meine Kundschaft und meinen Lifestyle wegnehmen lassen, den ich mir mühsam über Jahre aufgebaut hatte. Wenn das Arschloch meinte, er könnte meine Umsätze hier auch nur um ein Gramm reduzieren, würde ich ihm mit einer Baseballkeule beide Knie zerschlagen. Das musste ich tun. Bevor er mir meine Knie zerschlug.
3
»Razzia bei vier großen Banken«, sagte der Nachrichtensprecher im Autoradio. Ich drehte sofort lauter. »Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche gegen fünfundvierzig Mitarbeiter der Banken«, präzisierte die neutrale Stimme. Gegen zwölf Angestellte waren Haftbefehle erlassen worden. Ich überlegte kurz, ob ich da Kunden hatte, aber das war nicht der Fall. Allerdings waren es exakt meine Delikte: Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Ein Teil meiner Umsätze aus dem Drogenhandel wurde durch die Cocktailbar legal und zu offiziellen Einkünften, aber natürlich schaffte ich die meiste Kohle schwarz zur Seite. Als Sonderzulage, denn in meinem Beruf war das Risiko hoch: Übel genug, wenn die Drogenfahndung einen Dealer an den Arsch kriegte, aber nach der Untersuchungshaft wurde man vom Finanzamt verhört. Die schätzten deine Umsätze. Und hauten uncoole Säumniszuschläge oben drauf. Daher benutzte ich meine Kreditkarte nur selten, deren Abrechnungen von der Steuerfahndung gegen mich verwendet werden konnten. Dazu gab es wenige Dinge im Leben, die mehr sexy waren als Cash Money. Ich wollte etwas von meinem Geld unter die Leute bringen und schlenderte mittags durch die Altstadt, als ich Harro mit seiner Frau und den beiden Kindern über den Weg lief. Sie standen vor einem Kücheneinrichtungs-Studio und ich wusste nicht genau, ob ich stehenbleiben und ihn begrüßen oder besser weitergehen sollte. Aber Harro streckte mir seine Hand entgegen. Seine Frau drehte sich zu mir um. Harro stellte mich ihr bestimmt zum dritten Mal in den letzten Jahren vor.
»Das ist Ron, ein Geschäftsfreund.«
»Guten Tag, Frau Strahlenberg«, sagte ich zu der adeligen Schönheit. Sie wirkte irritiert, versuchte mich einzuordnen, aber es gelang dieser hochnäsigen Schlampe nicht.
»Hallo«, sagte sie knapp mit einem eingefrorenen Lächeln. Dann drehte sie sich wieder zum Schaufenster um und begutachtete einen Designer-Herd.
»Und? Alles cool?«, fragte ich Harro.
Er presste die Lippen zusammen. »Wie man es nimmt. Eine britische Bank, mit der wir eng zusammenarbeiten, muss in den USA etwa anderthalb Milliarden Dollar Strafe zahlen. Weil sie Drogengeld aus Mexiko gewaschen hat.«
»Was für eine verkommene