Die Poesie des Biers. Jürgen Roth

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Die Poesie des Biers - Jürgen Roth

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wirken.« Oder auch: »Öffnen sie«, also die »Menschen« beziehungsweise Kasseläner, »statt des Mundes den anderen After, so kommt das ›Kasseler Wörtchen‹ heraus. Da ist es logisch, daß zu ihren liebsten Futtermitteln Abfall zählt, den sie ›Weckewerk‹ nennen, eine ungeformte, bräunliche Masse, die aussieht, als sei sie recycelt worden.«

      »Gegen diese infame Verleumdung mußten wir etwas unternehmen«, sagt Prof. Peter L., der selbsternannte Vorsitzende des »Los-Clubs«. Er erörtert Profil und Ziel des aufsehenerregenden Vereins: »Wir, allesamt Menschen aus Kassel, gehen in die Offensive und machen allerhand los. Daher der Name.« – »Und nicht zu knapp«, pflichtet ihm Heike W. bei. »Am Wochenende startet das erste Weckewerkwettessen auf dem Friedrichsplatz. Das Fernsehen will auch kommen. Gedacht ist an eine Liveübertragung in voller Länge.«

      Die wackeren Weckewerkliebhaber planen noch erheblich mehr, um den Ruf Kassels ins rechte Licht zu rücken und zu festigen: Kulturevents wie Stadtwappensticken und Hardcorehäkeln, Kulinaraktionen wie Frikadellenweitwurf und »Suppeumrühren nach Hausfrauenart« und andere spektakuläre Initiativen. »In den kommenden Wochen werden wir uns regelmäßig vor dem Grab von Wilhelm Zwos Pudel Erdmann versammeln und moderne monarchistische Lieder singen. Dabei halten wir unsere Personalausweise in die Luft, damit jeder sehen kann, daß wir zu unserem Los stehen«, Peter L. zwinkert mit dem rechten Auge, »klasse Kasseler zu sein. Unser Los muß sich wieder lohnen!« – »Und hinterher«, ergänzt Klaus B., »trinken wir im Offstage zusammen eine Flasche Bier. Von hier, versteht sich.«

      Daß sich die mutigen Mitglieder des »Los-Clubs« ihr Knallhütte-Pils aus Baunatal schmecken lassen werden, dürfte außer Zweifel stehen. Wenn ihnen nicht schon wieder ein hr-Redakteur in die höllische Hopfensuppe spuckt …

      Bald Barbarei in Borgentreich?

      In Borgentreich wurde Anfang September eine Dose Fanta aus einem Fenster geworfen. Die Folgen sind nicht bekannt.

      *

      Im Schulzentrum Borgentreich fiel kurze Zeit später das von OStR Kamp (A 18) betreute Intranet aus. Es wird vermutet, daß eine fehlerhafte Paßworteingabe für den »Virtual-Knock-out« verantwortlich ist. Weil die über den Mobilrundruf organisierte Suche nach dem Schuldigen zu keinem Ergebnis führte, wurde eilends eine vierstündige Konferenz im Raucherzimmer einberufen. Die Neue Westfälische soll auf dem laufenden gehalten werden.

      *

      Studienrat Keller vom Schulzentrum Borgentreich erwägt auf Grund seiner jüngsten Erfahrungen mit zwei blonden, fast noch »blutjungen« Schülerinnen, im neuen Schuljahr keinen Erdkundeunterricht mehr zu erteilen. In Pörde sagte er einem Vertrauensmann von der Zeitung: »Ich weiß nicht, wohin das führen würde.« Dann schwieg er.

      *

      Der »Spuckesepp«, wie man den ehemaligen Kiesschaufler im Dienste der Gemeinde Borgentreich nennt, hat sich vorgestern wieder sieben Euro erbettelt, um sieben Dosen Fanta zu kaufen und leerzutrinken. Die leeren Dosen hat er korrekt zum Kiosk zurückgebracht, bestätigten Beobachter.

      *

      Wie bekannt gemacht wurde, werden anläßlich des Stadtfestes in Borgentreich mehrere Sonderbuslinien verkehren. Sie werden aus Lütgeneder kommen und aus anderen Orten, aus Körbecke, Drankhausen (ab 19.15 Uhr, Glockenturm), Borgholz, Natingen-Feuerteich, Natzungen, Manrode-Feuerlöschteich und, zur Überraschung aller, aus Rösebeck-Mitte. Ziel sei es, teilte die Stadtverwaltung mit, die »Funtastic Party on Tour« so abzuwickeln, wie es sich gehöre. Deshalb wird auch eine Ersatzhaltestelle an der Einmündung zum Schulzentrum eingerichtet, um Nachholfahrten durchführen zu können. Im Schulzentrum ist sofort eine Sonderkonferenz angesetzt worden, genauer Termin noch unbekannt.

      *

      Der Spuckesepp will auch kommen.

      *

      Noch ist nicht sicher, wie das Stadtfestfreundschaftsspiel zwischen der Werbegemeinschaft Borgentreich und der Stadtverwaltung ausgehen wird. Daß es zu einem fußballerischen Kräftemessen auf höchstem Niveau kommen wird, wird aber vorausgesetzt. Der Erlös soll eine gemeinnützige Verwendung finden. Der Schulrat Borgentreich hat für diesen Zweck eine nichtöffentliche Kommission gebildet, die so lange beraten wird, wie es nötig ist, um eine Entscheidung zu fällen, die einvernehmlich ist und keine Wirtshauskeilerei nach sich ziehen wird.

      *

      Der Spuckesepp hat, wie die Neue Westfälische berichtet, am Kiosk eine Friedens-Fanta darauf getrunken, »daß ett nett kracht dies’ Jahr’«. Bürgermeister Tömm hat ihm auf Nachfrage beigepflichtet und die Devise ausgegeben: »Das Septemberfest soll ein attraktiver Anziehungspunkt werden. Aus diesem Grund haben wir einen interessanten Programmpunkt zusammengestellt: Jede Menge gute Laune!«

      *

      Im Schulzentrum sind unterdessen Stimmen laut geworden, die vor einer »Barbarei in Borgentreich« warnen, vor allem, »weil die Organisatoren wieder einen kleinen Vergnügungspark auf die Beine gestellt haben«, in dem »Aussteller verschiedener Waren von der Socke über Kräuter und Gewürze bis zur dänischen Stickerei zu finden sind. Auch kann man sich einfach so über die modernen Produkte der Regen- und Abwassertechnik informieren.« Die Lehrerschaft erwägt daher besondere Maßnahmen. V-Lehrer sollen über das Stadtfest laufen und durch gutes Zureden dafür sorgen, »daß jeder Schüler über achtzehn nicht mehr als fünf Fanta trinkt«, wie der Rektor zitiert wurde. Für die unmündigen Schüler könne man aber »keine Verantwortung« übernehmen. Derweil hieß es aus dem Rathaus: »Für die Kaffeetafel in der Schützenhalle ist ein Gedeck mitzubringen.«

      *

      Der Festzug im Rahmen des 27. Borgentreicher Stadtfestes beginnt auf dem Penny-Parkplatz, wird durch die gesamte Kernstadt führen und am »SMS-Grußboard« und am »Flirtstand« enden. Im Schulzentrum wartet eine Koalition der Unwilligen. Schaufeln, Schützengewehre und Säbel liegen bereit. In Kürze weiß die Welt mehr.

      *

      Wie es mit dem Bier »ausschaut«, ist nicht bekannt.

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