Zuhause wartet schon dein Henker. Franziska Steinhauer

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Zuhause wartet schon dein Henker - Franziska Steinhauer Mord und Nachschlag

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ob er den Rat annehmen möchte oder nicht. Im Nachhinein will das nur niemand wahrhaben und sucht nach einem Schuldigen, einem Verantwortlichen. Menschen sind so.«

      »Wer war denn besonders verärgert über ihn?«, hakte Knyst nach.

      »Hinnerk, Arft, Bjarne, Bruno … und einige der weiblichen Gemeindemitglieder auch. Susanne, Patricia, Annasophia, Meike …« Knyst schrieb eifrig mit. »Ich brauche die vollständigen Namen, bitte, sonst frage ich beim falschen Bjarne nach«, sagte er und warf Ulrika einen auffordernden Blick zu, der allerdings zwischen ihren Schulterblättern verloren ging.

      Mit einem plötelichen Ruck wurde die Tür aufgerissen!

      Zornbebend stand ein junger Mann im Raum. »Was macht die Polizei in unserem Garten?«, forderte er mit blitzenden Augen zu wissen.

      Lundquist registrierte, dass der gesamte Körper des Neuankömmlings vor unterdrückter Wut bebte.

      »Und wer sind die beiden Pfeifen hier?« Breitbeinig baute er sich mitten im Zimmer auf. Kleidung und Haar in tiefem Schwarz, weißgeschminkte Haut, am Mittelfinger der linken Hand ein Totenkopfring.

      Die Mutter drehte sich betont langsam zu ihm um. »Mein Sohn Olaf«, stellte sie mit schleppender Stimme vor. »Diese beiden Herren hier sind von der Kriminalpolizei Göteborg. Sven Lundquist und Lars Knyst. Hör zu – dein Vater ist tot. Jemand hat Arne getötet. Deshalb ist die Polizei hier.«

      Der Jugendliche warf sich in einen der Sessel, die Beine weit gespreizt, füllte so die gesamte Sitefläche. »Tot? Echt jetet?«

      »Ja. Dein Vater wurde ermordet.«

      »Scheiße! Während ich gepennt habe? Wer sollte denn ausgerechnet den Pfarrer … Komm, das ist doch völliger Quatsch!«

      »Es stimmt«, mischte sich Lundquist ein. »Dein Vater wurde heute Nachmittag umgebracht.«

      »Weiß Astrid das schon? Und was ist mit Esther?«

      »Astrid ist meine älteste Tochter, Esther das Nesthäkchen. Und: Nein, bisher wissen sie es nicht. Astrid ist bei einer Freundin, die beiden wollen gemeinsam ein Referat ausarbeiten. Esther ist beim Training, ich kann beide nicht über die Handys erreichen.« Die Witwe machte plötzlich einen nervösen Eindruck. »Es wird die beiden hart treffen. Sie sollten nicht unvorbereitet auf die Polizei treffen. Olaf? Könntest du bitte draußen am Tor auf die beiden warten? Es ist ja schon Zeit …«

      »Hast du mal rausgesehen? Es gießt!« Widerwillig stemmte sich Olaf aus dem Sessel hoch, fuhr sich durch die gefärbten Haare und ordnete seine schwarze Kleidung sorgfältig. Trat in den Flur und zog die Tür mit einem energischen Ruck laut ins Schloss.

      »›Engel der Finsternis‹ heißt die Sekte. Er zieht sich schon seit Jahren so an, färbt die Haare tiefschwarz. Mein Mann war natürlich wenig begeistert. Der Sohn des Pfarrers verherrlicht Tod und Teufel. Die Leute haben das aber zum Glück anders gesehen, für sie war es eben eine pubertäre Phase, die sich verlieren würde.«

      »Dein Mann hat heute eine Tour mit Hausbesuchen absolviert. Wann kommt er in der Regel an solchen Tagen zurück?«, kehrte Lundquist zur Mordermittlung zurück.

      »Es dauert, so lange es dauert. Man kann nicht ahnen, was die Menschen besprechen wollen. Mal ist er früh zurück, manchmal erst nach dem Abendessen.«

      »Dein Sohn hat geschlafen und du warst auch nicht hier?«

      »Heute hatte ich meinen Kurs an der Volkshochschule. Und Olaf arbeitet seit zwei Wochen ab vier Uhr morgens auf dem Großmarkt. Wenn er zurückkommt, schläft er. Zum Glück ist das Praktikum ab nächstem Montag vorbei.«

      »Einen Kurs an der Volkshochschule? Zu welchem Thema?«

      »Die Heilkraft der Kräuter. Pfefferminze und Kamille kennt jeder – aber bei mir lernt man, welches Kraut bei welchen Beschwerden Linderung verschafft und in welcher Dosierung man es verwenden darf. Ist immer bis auf den letzten Platz belegt.«

      »Als du nach Hause gekommen bist, hast du deinen Mann im Garten gefunden.«

      »Nein, nicht gleich. Ich habe meine Materialien weggeräumt, einen Tee aufgegossen. Erst als ich mich mit der Tasse hier oben ans Fenster gestellt habe …« Ulrika atmete tief durch. »Nun, da sah ich, was dort im Garten lag. Ich lief hin, er war bereits tot. Also verständigte ich die Polizei.«

      Lundquist fühlte sich in der Nähe der Witwe zunehmend unbehaglich. Im Laufe der Jahre hatte er viele Hinterbliebene erlebt – aber kaum jemanden darunter gehabt, der so emotional unbeteiligt wirkte wie Ulrika.

      »Wie würdest du eure Ehe beschreiben?«, war folgerichtig seine nächste Frage.

      Die Witwe lachte unfroh. »Weil Frauen in der Regel ihre Gatten umbringen? Wenn sie ihnen lästig geworden sind und im Weg rumleben? Sicher, auch ich gehöre zu den unzähligen Ehefrauen, die von Beziehung und Leben enttäuscht wurden. Eine von denen, die ein langweiliges und oft genug freudloses Dasein fristen. Kennst du das? Man nimmt sich vor, endlich einen Schlussstrich zu ziehen, schiebt es doch immer vor sich her. Begründungen gibt es viele. Die Kinder, die Hoffnung, es könne sich alles noch zum Guten wenden … Und irgendwann wachst du auf, stellst fest, dass du alt geworden bist, eine Scheidung sich im Grunde nicht mehr lohnt. Wie soll ein Neuanfang jetzt noch aussehen? Vom Herd ins Pflegeheim. Erfüllung findet man ab einem bestimmten Alter eben nicht mehr. Es gibt unzählige Frauen wie mich, die im Grunde um Glück, Freude und Leben von ihren Gatten betrogen wurden.«

      Lundquist sah betroffen auf seine Schuhspitzen. Hoffte inständig, seine Frau Magda möge ihre Ehe nicht auch so sehen. Er fror. Wünschte, er könnte die nasse Kleidung ausziehen und einen heißen Tee trinken. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass Lars mit den Händen über die Oberarme rieb. Er empfand es also ähnlich.

      »Ihr hattet euch entfremdet?«

      »Ja, so könnte man es vielleicht auch nennen. Arne war schwierig, hatte seine Prinzipien, sparte eisern, erzog die Kinder mit zu viel Strenge. Aber so weit voneinander entfernt, dass ich ihn töten würde? Eher nicht.«

      »Und sein Verhältnis zu den Kindern?«

      »Frag sie selbst. Da! Sie kommen gerade!«

      Tatsächlich hörten Sven und Lars eilige Schritte auf der Treppe. Leise. Auf Strümpfen.

      Wieder wurde die Tür ungestüm aufgerissen.

      Diesmal erschien ein rundes, gerötetes Gesicht, umrahmt von wilden blonden Locken.

      »Mor! Das ist doch wieder so ein geschmackloser Scherz von Olaf, oder?«

      Das Mädchen, klein und stämmig, rannte auf die Mutter zu und warf sich ihr in die Arme.

      »Jemand hat Far umgebracht? Bei uns im Garten? Das ist doch bloß eine von Olafs blöden Geschichten, nicht wahr?« Tränen kullerten über seine Wangen, es schniefte laut. »Alles Quatsch, nicht wahr?«, insistierte das Mädchen flehend.

      Ulrika hielt ihre Tochter auf Armlänge von sich weg, sah ihr direkt in die Augen. »Nein«, sagte sie dann, »es stimmt!«

      Mit einem erneuten Aufschluchzen warf sich die Tochter wieder an die Brust der Mutter, die von dieser heftigen Reaktion offensichtlich überrascht war und es erst im letzten Moment schaffte, die Arme so weit auszubreiten, dass sie das Mädchen auffangen

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