Zuhause wartet schon dein Henker. Franziska Steinhauer
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Читать онлайн книгу Zuhause wartet schon dein Henker - Franziska Steinhauer страница 5
Sven gefiel der Ton des Jungen nicht.
Er beschloss, das Gesagte nicht zu kommentieren. Vielleicht war diese distanzierte Art ja Olafs Strategie, mit der Situation umzugehen, ohne selbst Schaden zu nehmen.
»Hattest du ein gutes Verhältnis zu deinem Vater?«, erkundigte sich Lars mit gedämpfter Stimme.
Olafs Augen huschten hektisch zu Schwester und Mutter.
»Hat sie das behauptet?«, fragte er aggressiv zurück und zeigte mit dem Finger auf die Witwe.
Knyst schüttelte den Kopf. »Nein. Ulrika meinte, wir sollten dich selbst danach fragen. Also?«
»Nein, hatte ich nicht. Er war anstrengend. Gegen seine Regeln durfte man nicht verstoßen – blöd nur, dass die sich ständig änderten oder neue hinzukamen, natürlich ohne Vorwarnung und ohne, dass sie für ihn ebenfalls gültig gewesen wären. In den letzten Wochen hatte ich so viel Hausarrest, dass meine Freunde sich gar nicht mehr mit mir verabredet haben. Wir halten Kontakt über SMS und Whatsapp, da kann man spontaner reagieren und Zeiten nutzen, die zufällig gerade nicht gesperrt sind.«
Hass loderte in den Augen Olafs.
»Es ist wahr«, mischte sich die Schwester flüsternd ein, »er war kein netter Vater. Streng. Geizig, lieblos. Aber es tut mir leid, dass er nun nie wieder bei uns sein kann. Trotz allem!«
»Trote allem?«
»Ja! Olaf sagt die Wahrheit. Es war schwierig, mit ihm auszukommen. Es ist mir unbegreiflich, wie manche Leute ihm ihr Herz ausschütten und ihre Probleme anvertrauen konnten. Die haben sich wirklich eingebildet, ihre Schwierigkeiten könnten ihn interessieren, fühlten sich sogar verstanden, getröstet. Dabei hat er die immer gleichen Ratschläge gegeben – und die klangen wie aus einem dieser Abreißkalender. ›Halte durch und du wirst dein Ziel erreichen!‹, ›Rette, was sich zu retten lohnt, aber wäge gut ab‹. Sein Standardspruch bei Ehekrisen. Keiner scheint bemerkt zu haben, dass sein Repertoire stark begrenzt war.« Esther putzte sich die Nase. Sie hatte sich in Wut geredet. Merkte es und atmete tief durch. »Und doch war er Teil dieser Familie. Er wird nie mehr mit uns am Tisch sitzen und streiten, nie mehr ungerecht über uns und unsere Freunde urteilen, keine bösen Kommentare abgeben. Er wird uns allen fehlen.«
»Er wurde ermordet«, stellte Lundquist klar, weil ihm schien, die Familie habe diesen Aspekt gänzlich aus den Augen verloren. »Jemand muss ihn also so sehr gehasst haben, dass er ihn auf diese spektakuläre Weise sterben lassen wollte. Fällt euch jemand ein?«
»Hans Hansson!« Olaf zuckte gleichgültig mit den Schultern, als er dem strafenden Blick Ulrikas begegnete. »Was? Ist doch wahr!«, fauchte er.
»Man soll niemanden leichtfertig verdächtigen!«, mahnte die Mutter scharf.
»Wer ist dieser Hans Hansson?«, fragte Lundquist nach.
»Er ist eigentlich ein Freund meines Mannes. Allerdings haben sich die beiden in letzter Zeit heftig gestritten. Mehrfach. Sah nach einem ernsten Zerwürfnis aus.«
»Weißt du, worüber sie uneins waren?«
»Nein. Ich habe nicht gefragt.« Sie lächelte sanft. »Na, ich hielt es für ein Ding unter Männern. Sowas wie ›Mein Fisch war eindeutig größer als der, den du rausgezogen hast!‹. Nichts, was sich nicht wieder von selbst kittet.«
»Wir müssen uns in seinem Arbeitszimmer umsehen. Vielleicht nehmen wir auch einige Dinge mit, zum Beispiel den Computer.« Lars sah Ulrika an und sie nickte.
»Klar. Den Flur entlang hinten links.«
Lundquist machte Lars ein Zeichen, schon vorauszugehen.
Dann fragte er: »Dein Mann wurde nicht im Affekt umgebracht. Der Mörder ist sehr organisiert vorgegangen, hatte die Tat wohl sorgfältig geplant. Wer also hatte noch einen schwärenden Hass auf den Pfarrer von Hummelgaard?«
3
Susanne Persson wartete nun schon seit Stunden.
Wo blieb er denn nur? Nicht, dass er normalerweise pünktlich kam, aber so viel Verspätung war doch ungewöhnlich. Susannes Laune fiel unter null. Es gab eine ganze Menge zu besprechen, er hatte das genauso gesehen. Und nun kam er nicht! Feige Memme!
Wieder wählte sie sein Handy an.
Jetzt hatte er es offensichtlich auch noch ausgeschaltet! Die Mailbox meldete sich nach dem ersten Klingeln. Frechheit! Schließlich sah er ihr Foto und ihren Namen im Display.
Wütend stampfte sie in die Küche zurück.
Nahm die Laxbullar aus dem Backofen, wo sie sie warm gehalten hatte, und warf alles in den Müll. Laxbullar aß er am liebsten – und ihre, so behauptete er, seien die besten.
Sie ließ den Deckel zuknallen.
Dann eben nicht!
Wütend dachte sie an die vergeudete Zeit, die sie in die Zubereitung investiert hatte! Schließlich mussten erst Kartoffeln gekocht und gestampft werden, der Lachs, den sie mit Zwiebeln und Lorbeerblatt gedünstet hatte, brauchte ebenso lang. Eigentlich hatte sie den ganzen Nachmittag für ihn in der Küche gestanden! Die Zeit, die die Lachskartoffelmasse im Kühlschrank ziehen musste, nutzte sie, um ein paar Hemden zu bügeln, danach briet sie die Laxbullar in der Pfanne. Weil er nicht mochte, wenn sie nach Küche stank, wie er das unfreundlich bezeichnete, huschte sie dann schnell unter die Dusche, wusch auch die Haare und zog an, was er sich an ihr zu sehen wünschte.
Und nun? Alles für die Katz!
Auf dem Weg ins Schlafzimmer riss sie sich das zarte Nichts von den Schultern, das für dieses Wetter ohnehin nicht warm genug war, schob die Haken der verführerischen, aber unbequemen Korsage auf und zerrte, als sie das Bett erreichte, ungeduldig den Spitzentanga über die Schenkel zu den Knöcheln. Knallte die Wäsche als zusammengeknülltes Bündel auf den Boden.
Zog eine Schublade der Kommode auf und suchte weiche, warme, praktische Kleidung heraus.
Sie hatte es satt! So unglaublich satt!
4
»Arbeitszimmer? Du liebe Güte, sah eher aus wie ein Kinderzimmer nach einer Geburtstagsparty!« Knyst schaltete die Siteheizung im Auto ein. »Sonst trocknet die Hose gar nicht mehr!«, setzte er hinzu, als er dem amüsierten Blick des Freundes begegnete.
»Nun, zumindest war es zu chaotisch, um sofort Geheimnisse preiszugeben. Den Terminkalender muss er wohl bei sich gehabt haben, die vielen Papiere auf dem Tisch, die Zeitungsausschnitte – das war sicher Recherchematerial für die nächsten Predigten. Und der Computer ist natürlich passwortgeschützt. Logisch. Da muss die Technik ran. Viel haben wir bisher über Arne Mommsen nicht erfahren, fürchte ich.«
»Im Regal stand ein Foto der Familie. Aber das muss schon vor Jahren entstanden sein. Entweder er war kein Freund von solchen sentimentalen Dingen – oder es lag ihm nicht mehr so viel an Frau und Kindern.«
»Ach – das muss nicht sein. Viele Pubertierende lassen sich nicht mehr fürs Familienalbum ablichten. Ist wie die abgeschlossene Badezimmertür. Eindringen in die Intimsphäre ist unerwünscht. Ist